Mittwoch, 29. Dezember 2010

Silvester

Es sitzt Herr Lenz oft gut und gern
Im tiefen Sessel und sieht fern.
Die Füße auf dem Schemel oben,
Lässt er sich die lieb’ Heimat loben.
Sieht sich an, wie es zugeht in der Welt,
Wer sich mit wem hat zusammengesellt.
Was die Politik zu Haus und in der Ferne
Beschließt als ob sie wär’ von anderem Sterne.

Das Jahr liegt nun in den letzten Zügen,
Will sich an vergangene anfügen.
Schon bricht der allerletzte Tag heran,
Und ein jeder will zeigen, was er kann.
Denn wenn es geht um viel laut’ Gekrache,
Böllerschüsse oder Raktensache,
Dann gibt es keine bess’re Zeit,
Als wenn Silvester steht bereit.

Der Eisschrank ist schon voll gepackt,
Mit Speien auch im Tiefkühlsack.
Mehr noch als nach Nahrungsschränken,
Steht der Sinn nach den Getränken.
Welche oft sehr süß und doch mit Feuer,
Entfesseln der Geister Ungeheuer.
Man stößt gern an und sagt `Zum Wohl“,
Mit hochprozent’gem Alkohol.

Warum ich mit Herrn Lenz begann,
Und nun zum Allgemeinen kam?
Die Frage ist gar wohl gestellt
Und wird auch gar nicht weggestellt.
Bei den Lenzens im guten Haus,
Schläft man Silvester nämlich aus,
Lässt den Zauber vorübergehen,
Will kein buntes Feuerwerk sehn.

Kein Glückwunsch dringt an jenen Ort,
Und schon gar nicht geht einer fort.
Kein Blei wird hier gegossen,
All’s bleibt fest abgeschlossen.
Es flucht der sture Hausherr nur,
Über die Nachbarn, die gar stur.
Und über die ganze dumme Welt,
Die an diesem Tag nichts zurück hält.

Neune hat es schon längst geschlagen
Und Lenz liegt in des Bettes Lagen.
Augenmaske und Ohropacks angelegt,
Hofft er, dass ihn heute gar nichts mehr erregt.
Zählt die Schäflein, ein, zwei, drei,
Schon ist es halb zehn vorbei.
So genießt er seine liebe Ruh,
Die Frau Lenz schläft ebenso im nu.

Nun dennoch ist es aber leider so,
Dass nicht jeder ihm gönnt, dass Lenz so froh.
Des Nachbars Junior, der Fritz,
Den nahm Lenz jüngst mal in den Schwitz.
Als sein Garten wurde verwüstet,
Vom Pinscher dem es hat gelüstet.
Der Frist, dem der Hund gehört,
Dem hatt’ man Rache geschwört.

Und als das liebe Tier,
In seines Hungers Gier,
Den Köder fand aus Ochsenfleisch,
Gab es bald ein großes Gekreisch.
Es befand sich an des Kläffers Rute,
`Ne sprühend-brennende Pulverlunte.
Dann zischte es und der Hund litt sehr,
Seither liebte er den Lenz nicht mehr.

Nun ist es Fritze, der am Zuge,
Trinkt nochmals aus dem Obstlerkruge.
Zielt mit seiner Rampe haargenau,
Dass der alte Lenz gehörig schau.
Kabumm! Die Rakete fliegt auf den Balkon,
Durchschläge mit Gewalt die Scheibe eben schon,
Explodiert im Ruhezimmer,
Wo’s Ehepaar Lenz schläft immer.

Im Nachtgewand, starr vor Schreck ist Herr Lenz,
Die Frau verliert das Bewusstsein zur Gänz’.
Dann wurde das Geschehene realisiert,
Am Ende man sich wieder tranquillisiert.
Fritze ist zufrieden, schenkt sich ein,
Und lässt Silvester, Silvester sein.
Nun sind die beiden endlich quitt,
Es gab von nun an nie mehr Stritt.

Mittwoch, 29. September 2010

Maximen I

Gewissen
Jeder Mensch muss nach seinem Gewissen handelt. Doch bedenke er wohl, wie es entstanden, wer und was es gebildet und wie sehr es sich am Absoluten orientiert. Denn korrupt ist die Welt und der Irrwege sind viele, so dass das reine, vom Schöpfer eingegebene Gewissen von mannigfaltigen Schichten überlagert ist, die nicht vom Höchsten, sondern von der Welt kommen.

Atheismus
Tief im Herzen ist der Atheist ein Mensch, der Gott hasst, der ein hohes Interesse an der Nichtexistenz Gottes hat. Doch das Spiel dieser Menschen geht nicht auf, denn Atheist zu sein ist wie einer, der einen Tipp im Lotto abgibt und eher glaubt zu gewinnen, als zu verlieren. Ein Narr ist einer, der solches denkt.

Wahrheit und Toleranz
Viel spricht man über das Spannungsverhältnis von Wahrheit und Toleranz und nur allzu oft ist der Geist geneigt, um der Verständigung Willen die Wahrheit zu verraten. Doch was ist wichtiger: Die Wahrheit, oder die Gemütlichkeit der Menschen untereinander? Man prüfe sich, damit man hier nicht die falsche Antwort gebe.

Freiheit und Sicherheit
Mancher möchte Freiheit und ist bereit alle Sicherheit dahin zu geben. Ein anderer gibt alle Freiheit her für ein Stückchen einer Sicherheit, die sich meist als bloßer Schein herausstelle. Doch wer das eine für das andere verkauft, ist beides nicht wert.

Gott und Mensch
Das Verhältnis von Gott zum Menschen kann verglichen werden mit jenem einer Dramenfigur zum Autor. Stellen uns folgendes Szenario vor: Woher weiß nun etwas „Faust“, im gleichnamigen Stück von Goethe, dass er eine Schöpfung des Dichterfürsten ist? Auf sich alleine gestellt bliebe der Schöpfer für Faust eine metaphysische Idee, doch durch die Offenbarung im Stück selbst, kann „Faust“ wissen, dass Goethe ihn schuf. So auch bei uns Menschen. Gott hat sich in der Schöpfung selbst offenbart. Es bleibt nur die Frage, ob wir dies glauben oder nicht.

Verstand und Sinne
Es wird oft so gesehen, dass die Welt nur durch den Verstand und die Sinne begriffen werden könne. Doch wer den Menschen als ganzes ernst nimmt, erkennt, dass der Mensch aus mehr besteht. Wer nur seinen Verstand und seine Sinne zur Verfügung hat und daraus sich eine Welt erklären möchte, der bleibt auf dem Holzweg. Das Wahre erweist sich ihm nicht. Doch nur die Demut kann einen Menschen davor bewahren die Materie für ein Ganzes zu halten.

Absolute Wahrheit
Es sei arrogant von absoluter Wahrheit zu sprechen und zu proklamieren man hätte sie erkannt. Doch greift dies zu kurz. Wer solches behauptet, stellt selbst eine absolute Wahrheitsbehauptung auf und wirft dem anderen vor, was er selbst gerade dabei ist zu tun. Wer absolute Wahrheit behauptet und damit Recht hat, der ist nicht arrogant, sondern macht lediglich eine Aussage über ein Faktum. Wer behauptet 2 und 2 sei 4 ist nicht arrogant, selbst, wenn keiner ihm zustimmen mag.

Einheitliche Erkenntnis
Wir sind noch nicht so weit, doch mag er Mensch vielleicht doch zu einem einheitlichen Erkenntnisakt gelangen, indem sich Denken, Fühlen und Wollen vereinen und die Welt sehen, wie sie ist, wo Herz, Hirn und Seele gemeinsam arbeiten und nicht sich wie unversöhnliche Feinde gegenüber treten.

Die entscheidende Frage
Was gibt es Wichtigeres, als die Frage nach dem Jenseits? Ein Narr, wer sein Suchen nur auf das Hier und Jetzt dieses kurzen Lebens richtet. Man lebt nur kurz, doch tot ist man länger. Wer möchte da nicht Vorsorge leisten in heißem Bemühen um das Ewige. Der Unverständige mag nur das Diesseits beachten, doch wer Weise ist, hat diese Schwelle schon lange hinter sich gelassen. (Freilich darf man nicht in ins andere Extrem verfallen und das hier und Jetzt außer Acht lassen!).

Stabilität im Leben
Manch einer glaubt das Geld sichere ihm das Leben. Doch wie es kommt, so vergeht es auch und keiner ist gefeit vor dem Verlust all seiner Habe. Ein andere glaubt Macht und soziale Verbindungen zu haben, die ihn vor Übel bewahren sollen. Doch auch hier versagt in der Not doch das vermeintliche Sicherheitsnetz. Ein anderer glaubt sich in einem sicheren Staat, der doch für ihn sorgen wird. Doch verfällt ein jeder Staat mit der Zeit und kein System vermag einem dauerhafte Sicherheit zu verschaffen. Dann gibt es noch den einen, der glaubt sein Wissen sichere ihm ein Auskommen. Was auch geschähe, er wisse schon sich zu helfen. Doch auch hier zeigt die Erfahrung, dass das Wissen versagt in Anbetracht der Stürme des Lebens und der Gebildete gerade so dumm ist, wie derjenige ohne Wissen. Endlich findet sich noch derjenige, der glaubt die Religion sichere ihm sein Leben, er ginge ja in die Kirche, höre Gottes Wort und sei so gerettet. Doch auch ihm muss gesagt werden „Freundchen nicht so schnell. Auch das vermag dir nicht als stabile Basis dienen. Denn was vermag ein von Menschen geschaffenes System?“ Am Ende gibt es nur ein einziges Fundament, das trägt und durch nichts Irdisches ins Wanken gebracht werden kann und das ist der wahre Glauben, der Glaube an den Heiland, der für uns am Kreuz gestorben ist, auf dass jeder, der an ihn glaubt nicht verloren gehe, sondern, das ewige Leben habe.

Dienstag, 31. August 2010

Gedichte VI.

Schöpferkraft

Ich gedachte dir mit Gewalt beizukommen,
Wollte dich in Bande schlagen.
Und vermeinte so dich tunlichst zu bewegen!
Doch hast du so niemals `nen Fels erklommen,
Noch dich in neues zu wagen
Getraut. So bliebst du fern den fruchtbaren Wegen.

Trieb ich dich unbarmherzig durch alle Welt
Und legte dir der Zeit strenges Korsett an,
So musst’ ich darben und alles schien einerlei.
An langer Leine ließ ich dich für viel Geld,
Auf dass treffend’ Worte brechen sich die Bahn.
Nun seh’ ich. Das Werk gelingt nur, wenn du bist frei!


Glauben und Unglauben

Wer hat denn je Gott geliebt, der seines Leibes Vater hasst?
Der Vater, der mangelhaft, von zweifelhaftem Charakter ist,
Hat allzu oft als Sohn einen, der bekennt sich als Atheist.
So hat dieser des Widerwillens volles Maß ausgefasst.
Und fragt einer noch wieso und warum,
Der sei nun nicht mehr unverständig dumm.
Glauben oder Unglauben sind wie zwei Geschwister,
Die sich oft den Tod anwünschen, wie wilde Biester.
Der Ursprung liegt in derselben Quelle,
Beide schwimmen auf der starken Welle
Der Seelennot, sie erzwingt die Geistesposition,
Ob pro oder contra, das richtet sich daraus schon.


Was sagte man im Sachsenland?

Was sagte man im Sachsenland,
Als August Herzog sich edel fand?
In Polen als König er ward gekrönt,
Und von den seinen beschenkt und verwöhnt.

Der August, der August,
Der macht sich manche Lust,
Hat fast dreihundert Kinderlein,
Die leben im Königreich fein.

Auf Dresdens prächtig’ Straßen,
Die gingen und die saßen,
Und tranken aus Meißnerporzellan,
Die dachte alle nur daran:

Der August, der August,
Der macht sich manche Lust,
Hat fast dreihundert Kinderlein,
Die leben im Königreich fein.

Hoch soll er leben, der gute Herzog,
Der stets gerne durch seine Lande zog.
Verschaff’ uns was von deinem Glücke,
Damit auch ich mich hier entzücke!


Angst und Gier

Die Begierde treibt’s nach oben,
Die Angst stürzt es in den Abgrund hinab.
Des Charismas Ruf sie loben,
Doch führt er alleine ins finstere Grab.
Fern von beidem allein, kann das Werk gelingen,
Es hilft hier nur, was mag aus dem Inn’ren dringen.


Klares Wasser

Immerzu sah ich ihn wabbeln,
Mit allen Zweifeln anbandeln.
Treibt es wild und macht das Wasser trüb,
Schlug noch so manchen heftigen Hieb.
Dann als der Spiegel konnt’ nichts mehr reflektieren,
Musste doch was anderes ich ausprobieren.

Ich trat ans glitschig’ Ufer heran,
Biss heftig auf meinen starken Zahn.
Ließ vorbeigehen den Strom ohn’ mich darin zu verlieren,
Konnte noch so heftig toben und mir ins Antlitz stieren.
Dann endlich war es vorbei,
Ruhe allein, nur das sei!


Projektion

Du siehst sogleich, was dir missfällt in der Welt,
Beim Nachbarn lässt du nur wenig sein.
Man schaut, wie der andere mach sein liebes Geld.
Und hält sich selbst für moralisch rein.
Junge, was du siehst, da mit deinen Augen,
Zeigt nur deine eignen verfaulten Trauben.


Streben

Ergeben allem hohen Streben,
Muss ich gestehen, konnte es nicht sein.
Am Schicksal soll man munter weben,
Sei das Gewebe nur möglichst rein.
Am Ende sieht man erst, was man hat erschaffen,
Die Nachwelt hat dann genüsslich was zu gaffen.


Russische Dichtung

Tolstoj oder Dostojewskij,
Gogol oder doch der Puschikin.
Das Zeitalter, das ist längst vorbei,
Und Russland scheint es auch einerlei.
So steht es den Menschen heut im Sinn,
Trinke Wodka nur, nicht Whiskey.



Nasser Sommer

Ist der Sommer nicht sehr sonnig,
Fühlt der Geist sich nicht so wonnig.
Regnet’s dann grauselig im August,
Vergeht uns die Unternehmungslust.
Hoffe auf den schönen Herbst allein,
Der kann auch noch recht erbaulich sein.


Schuldkindliches Lernen

Das Kind es lernt das rechte schöne Schreiben,
Das Lesen und auch die Mathematik.
Doch wo bleibt dabei die Kritik?
Was gar gegen die Politik?
Sollte es lernen nicht auch die Skeptik?
Denn vieles, was gelehrt, ist kaum zu leiden.

Belohnt wird, was brav und sittsam sich gebärdet,
Auch wenn es einst sein eigen Wohl damit gefährdet.
Wissenschaftlich Methodik, freies Denken,
Ferne von der Autorität und alten Tradition,
Ohne Politik, Philosophie und Religion.
Das sollte uns einmal Erfüllung schenken.

Und denkt man, ich hätte zu allem zweierlei Position,
Erhielte aus allerlei sprudelnden Quellen meinen Lohn,
So kann ich darauf nur munter erwidern,
Nichts wird je gut vom leidlich Anbiedern.
Die Vernunft, nicht der Verstand hilft uns hinweg,
Über jahrhundertealten zähen Dreck!

Schieb hinfort, was angehäuft und ungeprüft gut geheißen,
Was Generationen von der Welt mochte wegzureißen.
Schau nur hin und traue deinen Sinnen,
Die Zeit mag zwar allzu schnell verrinnen,
Doch schärfst du deinen eignen Geist allein,
Kannst du ein wahrlich frei von allem sein!

Freitag, 13. August 2010

Jagdunfall

Einst regierte ein König, den man „den Guten“ hieß,
Nicht weil er die Gerechtigkeit gerne walten ließ,
Nein; Da er der Kirche war sehr zugetan,
Und stets auf des Reiches Wohle kräftig sann,
So hat er im Irdschen ein günstig’ Netz gewoben
Und erwarb dazu noch viel Segen von oben.

Dieser Frankenkönig, der war Dagobert,
Der fand’s eines Tages der Mühe wert,
Übern Bodensee an den Alpenrhein zu reisen,
Zur Inspektion, um, wenn nötig, zurechtzuweisen.
Denn gab man den Dienstleuten auch die örtlich’ Verwaltung,
So tut Not doch die Aufsicht mit Blick auf die Entfaltung.

Dagobert dacht’ sich es wär’ ein guter Plan,
Wenn Sigisbert, sein Sohn, auch Mal zeigen kann,
Dass er einst wird regieren gut das Erbe,
Und das Land er schützt und es nicht verderbe.
So begleitet der Jüngling seinen Vater,
Mitsamt Gefolgschaft und persönlich’ Berater.

Was Dagobert am Rheine sieht,
Das erfreut sein innig’ Gemüt.
Brav und tüchtig ist das Volk hier,
Des Reiches gar prächtigste Zier.
So beschließt der König noch zu bleiben,
Mit der Jagd sich die Zeit zu vertreiben.

Auch Sigisbert soll sich reichlich ergetzen,
Und so manchen Eber tödlich verletzen.
In wilder Jagdlaune verfolgt er toll das Borstenvieh,
Durchs Unterholz, er wähnt es entkäme ihm nie!
Doch es tritt ein das große Unglück bald,
Dass der Prinz findet sich in dichtem Wald.

Und das Ross, es scheut vor der wilden Sau empor,
Wirft ab den Reiter, läuft wohin es war zuvor.
Der Prinz hängt am Lederriemen, der Kopf auf der Erd,
Über Stock und Stein schleift ihn das erschrockene Pferd.
Als man fand ihn nach jener Tortur,
Ist vom Leben in ihm keine Spur.

In tiefster Trauer um sein geliebtes Kind,
Eilt Dagobert zu einem Klausner geschwind,
Welcher gilt als heiliger Mann,
Und manch’ Wunder vollbringen kann.
Dieser, Arbogast, kommt und sieht den Toten,
Zu Leben war dem Prinzen nun geboten.

Und siehe da, es ward vollbracht,
Der Prinz blinzelt, steht auf ganz sacht.
Wie war des Vaters Dankbarkeit da übergroß?
Der Frankenkönig faltet die Hände im Schoß.
Bedacht wurde zu Rankweil ein lieb’ Kirchelein,
St. Peter, welches steht bis heute darein.


Sonntag, 25. Juli 2010

Gedichte V

Der dein nicht achtet

Wild schäumende, sturmgepeitschte Weltenmeere,
Sengende Sonnenstrahlen, Gewitterheere.
Bebende Erde und springende Flut,
Lavabäche, Titanenübermut,
Erträgt mein Gemüt mit stoischer Miene,
Trotz’ den Gewalten, niemandem ich diene!

Musst mir schon lassen meinen eignen Willen,
Selbst lässt du mir den Schmerz aus der Seele mir quillen.
Verbiete nur, ich werde deinen Ruf nicht erhören!
Kannst mich weder bedrohen, noch mich lockend beschwören!
Gern sähest du mich verneinen meine Emotion,
Für dich wäre es ein heiß begehrter Arbeitslohn.

Doch ich will spüren, was lebendig wirkt durch mich,
Was den Neid und die Furcht jagt dir ins Angesich’!
Schau! Noch ist das Leben nicht erstorben!
Unter Mühsal hab’ ich es erworben.
Was mir gegeben vom Schöpfer von Anbeginn,
In deiner groben Hand welkte es schnelle dahin.

Nur leben will ich, und leben das werde ich!
Erkenne nur was wahr, und bedaure dich.
Am Lebendigen und an dessen Förderung allein,
Will seine Bestimmung vollenden, mein ewiges Sein!
Schaff’ Prometheus gleich, was Wunderlich,
Und dein nicht achtet! Genau wie ich.


Erfüllung

Nach Freiheit strebt die menschlich’ Natur.
Oft nach erbittertem Kampfe nur,
Erwarb sich mancher sie und sprach zufrieden gerecht:
`Allein wer stets um dich kämpft, dem gebührst du zurecht!´
Freiheit haben ist klug,
Doch ist sie nicht genug.

Erfolg im Leben zählt für die meisten sehr,
Gar manchem ist er das einzige Begehr.
Reichtum, Ansehen, kurz der Glanz dieser Welt,
Nur wer zu bescheiden, dem dies nicht gefällt.
Erfolg er mit sich trug,
Doch ist er nicht genug.

Für `nen andren ist des Wunsches größtes Stück,
Was sich vereint in dem Wonneworte Glück.
Das Herz es hüpft, macht frohe Sprünge, juhe!
Die Seele ruht harmonisch, fern ist alles Weh.
Glück hab’ mit Recht und Fug,
Doch ist es nicht genug.

Die Dame Freiheit, der Herr Erfolg und die Sache Glück,
Im Dreierbund vereint, da erst ich mich wahrlich entzück`!
Wer eins hat, der ist vorangekommen schon,
Wer zwei vereint, steht einen Schritt vor dem Thron.
Doch erst wer das Trio sieht um sich unverhüllt,
Dessen Leben ist vollkommen, ist reich erfüllt!


Der Schein des Vertrauens

Manch einer echauffiert sich gar fürchterlich,
Wird sein Vertrauen missbrauch gar bitterlich.
Die moralische Entrüstung wirkt bald riesengroß.
So arg traf ihn mitnichten des Missetäters Stoß?
Es braucht viel Schauspiel, viel Trara und Show,
Wo nichts brennen kann, als ein wenig Stroh.
Schwer ist’s zu enttäuschen, wer uns wahrhaft vertraut.
Das Spiegelbild wird dann mit Schaudern nur geschaut.
Doch wer misstrauet uns von Anfang an,
Der hat nur `nen Anscheinsschaden daran.


Die Schöpfung

Am Anfang war das unaussprechlich’ Nichts.
Dann wurden Raum und Zeit geschaffen,
Sterne und Planeten durchkreisten bald das All.
Auf einem trat ein der gar wunderbare Fall,
Leben erschien, mit spärlich Waffen,
Im Angesicht des jungen Sonnenlichts.

Fruchtbar zeigte sich der Erdenball,
Grün mit Pflanzen bedeckt war seine lebendige Haut,
Und auch mit allerlei fruchtbar Getier ward sie angefüllt.
Das Lebendige aus jeder Ritze kam hervorgequillt.
Doch noch fehlte die Herrschaft, die nach allem trefflich schaut.
So trat ein, der notwendige Fall.

Die Krone der Schöpfung trat auf den Plan,
Der Mensch als guter Verwalter sowie Regent erschien.
Dies ist die Wahrheit von alters her.
Wer mit einem Auge nur besieht es, der tut sich schwer,
Doch in des eig’nen Wesens Tiefe, steckt’s bei jedem drin,
Dass die Gottheit allein baute daran!


Glaube und Wissenschaft

Der erste Schluck aus dem Kelch der Wissenschaft,
Schmeckt süß und gibt dem eigenen Ansehen Kraft.
So klug erscheint man sich selbst, braucht keinen Glauben mehr,
Bedauert die arme, naive Menschheit gar sehr.
Doch geht man tiefer in seinem werten Bestreben,
Und will an seinem Geisteswerke innig weben,
Dann wird’s um die stolze Gewissheit immer trüber,
Dahin ist das Gefühl, man sei der Welt nun über.
Mancher mag dabei verzweifeln, spürt den kalten Schweiß,
Macht die Einsicht sich breit, dass man im Grund nichts weiß!
Am Ende in der Tiefe aller Dinge scheint ein kleines Licht.
Geistig’ Natur erweist sich, bist nicht auf Versuchung du erpicht.
Es strahlt bald in nie gekannter Helle,
Reißt nieder alle Gedankenwälle,
Und offenbart sich wunderbar dem demütigen Auge allein:
Das seine Majestät schuf das ganze, Ehrfurcht gebietende Allsein!


Sprache

`Im Anfang war das Wort!´
So steht es wohl geschrieben;
Die Menschheit liest es dort,
Wo kluger Geist von der Gottheit angeregt,
Die Feder auf Pergament hat angelegt.
Es folgt die magisch’ Sieben.

Ein Schritt dem Schöpfer entgegen,
Tat irdisch Geschlecht verwegen,
Als einst die ersten wohlgeformten Klänge,
Der Kehle entsprangen, die zart’ Anfänge.


Alles nur Windhauch

Nur Windhauch, es ist nur Windhauch,
Nebelschwaden im Herbstwald,
Nacht und Wind,
Ritt auf klapprigem Gaul.
Ihr naht euch erbärmliche Lemuren,
Blitzender Stahl aus dem, was ich nicht sah,
Dahingegangen sind der Erscheinungen viele.
Nur Windhauch, es ist nur Windhauch.


Wecker

Wie hat mich doch in allzu früher Morgenstund`,
Geweckt die Stimme aus des Radiosprechers Mund?
War so ungeschickt ihn auf sechse einzustellen,
Die üble Nachricht konnt’ mir gleich den Tag vergellen.
Was als erstes nach dem nächtlichen Schlummer,
Bewusstsein trifft, verschafft nicht selten Kummer,
Den der Tag nicht vertreiben kann,
Drum denke ich nun stets daran:
`Nie stell den Wecker auf die volle Stunde,
So ersparst du dir manch’ unnütze Wunde!`


Herbstmorgen

Nichts Besseres weiß ich mir an klaren Herbsttagen,
Als in die Natur hinaus mich munter zu wagen.
Die kühle, würzige Luft, die kristallklare Sicht,
Begrüß’ am Gipfel bereits das liebe Morgenlicht.
Den Berg erstieg ich noch im Dämmerweben,
Entlang den erntereifen Rieslingsreben.
Dem Himmel dann nah zu sein,
Ist mein Begehr’ ganz allein.


Kindermund

`Ich hasse dich!´, das kleine Mädchen wütend spricht,
`Ich hab dich lieb!´, der Onkel spricht ihm ins Gesicht.
`Ich hasse dich!´, tönt die Kleine aufs Neue.
`Ich hab dich lieb!´, sagt er erneut ohn’ Reue.
`Ich hasse dich!´, kommt es von ihr jetzt noch einmal.
`Ich hab dich lieb!´, ist erneut seiner Worte Wahl.
`Ich lieb dich ja auch´, drückt sie sich an ihn lange,
Der streichelt ihr über Haar und rosa Wange.
Lasse dem Kind all seine Gefühle,
Das heiße ebenso als wie das kühle!


Katzenlektion

Die Katze genügt sich selbst allein,
Braucht kein Locken, keinen schönen Schein.
Sie schläft, sie frisst und gehorchet nur ihrem Willen,
Mag sie auf die Welt beizeiten gemächlich schielen.
So thront sie gern, ihre pelzige Majestät,
Die nichts von wilder Hektik und Trubel verrät.
Mit Neid blickt der Mensch auf’s edle Tier,
Spürt, was ihm selber fehlt, was nicht mehr hier.
Bei ihm ist doch alles nur kulturell Dressur,
Sein Wesen verlor er in der Erziehungskur.
Mancher erträgt keine Katze gern,
Und hält sie von sich selber ja fern.
Doch was kann das gute schöne Tier dafür,
Dass die Seele liegt hinter eherner Tür?
Grad vom Stubentiger kann man lernen,
Was wir erahnen nur aus der Fernen!

Samstag, 24. Juli 2010

Wisse nicht was vorgefallen...

Voll Unschuld erblicken seine Augen das Licht der Welt,
Wie einst Adam und Eva auszukosten das lustvoll erfüllende Sein.
Die Sonne ist begierig ihm ihre warmen Strahlen zu schenken
Und alles Lebende harrt erwartungsvoll seiner Ankunft.
Ihm zu bereiten ein Laken aus duftenden Blüten,
Und alles Getier gar lieblich sein Bettchen zu behüten.
Von Gott der Welt als Juwel anvertraut,
Als Prinz alle an seinem Wesen zu erfreuen, dass war seine Natur

Doch kaum er entschlüpft dem Mutterschoß,
Da senkte sich eine dunkel Wolke drohend über ihn,
Von Vater und Mutter wohlmeinend herbeigerufen,
Und der Menschheit Sanktion gewiss! Sie tun ihre Pflicht.
Damit der neue Erdenbürger nicht etwa gefährde der Ureltern Tradition,
Traf man Anstalten sich wohl zu versichern.
Es bricht kaum einer, was seit vorsintflutlichen Zeiten,
Für gut und richtig befunden.

Als Abraham den Isaak legte auf den Opferaltar,
War sie schon voll in ihrer Gestalt
Und führte Legionen gegen einander und hinab ins kalte Grab,
Brachte Leid und Krankheit über Mann und Frau,
Stieß in den Abgrund Generation auf Generation.
Im Namen der Autorität, in Namen der Nation!
Für Kaiser und Führer lebte man alleine und gehorchte.
Krieg und Hunger, Krankheit und Tod nimmt man auf sich.

Und fragst du noch, woher das Böse kommt?
Warum der Mensch nicht lassen kann das Schaden?
Fällt nur ein dir, es müsse an seinem Wesen liegen.
Drum besser ist es das junge Leben schon zu Recht zu biegen.
Auf dass was Anständiges draus werde.
Eine Ohrfeige schade nicht, heißt es nur allzu oft,
`Sieh mich an! Ich wurde doch auch ganz Recht?
Und rot war oft davon meiner Eltern Hand.´

Grad das tut dem Menschen am meisten Leid,
Dass den Eltern man bereitet hat durch Lebendigsein Ungemach!
Man durfte nicht fühlen, man durfte nicht denken,
Misstraute lieber sich selbst, als den anderen und der Welt.
Den Alten trug man nichts nach.
Es geschah ja doch nur zum eigenen Wohl.
Vater und Mutter haben immer Recht,
Das Kind doch nur mit Vorbehalt, wenn nicht nie!

Unterdrücktes Gefühl gebiert die Perversion,
Hüllt die Welt in Verwirrung ein.
Wer spürt nicht das Chaos, den Stress, die Drückerei?
Und spricht von den Zeiten, in denen man eben lebe?
Da kann der einzelne ja nichts bewirken.
Such dir, was akzeptabel ist vor den Augen der anderen,
Erblicke, was in dir selbst ist, in der Welt da draußen
Und freu' dich, wenn du einen Sündenbock hast gefunden!

So lässt der Druck zeitweilig eben nach,
Doch wage nicht zu tief zu schauen!
Und enthalte dich der Fragen!
Was mit dir geschah, das sollst du niemals wissen!
Der Eltern Herz würde dabei zerbrechen.
Sie haben es ja nur gut gemeint.
Und alle Welt versteht es und applaudiert,
Allein ist das Kind, es ist ja nur dressiert.

Was lebendig, was spontan, was rein,
Das darf auf dieser Welt nicht sein!
Saufe, rauche, habe auch eine Menge Sex,
Spiele um Geld und auch um Menschen,
Im Dschungel ist das wohl erlaubt,
So auch in der Welt, welche jenem gleich.
Nur eines, untersteh dich zu tun,
Erkenne den Menschen nicht als Wesen an!

Treibe viel Kommunikation, leiste Großes,
Hole dir der Welt Bewunderung!
Leide im Stillen, schluck bittere Pillen,
Verzehr dich selbst!
Dagegen kann die Medizin was tun.
Lass dich therapieren und suche überall,
Nur nicht dort, wo du fündig werden kannst!
Dieser Ort wurde als Säugling bereits verschlossen und versiegelt.

Als Objekt sei dir alles lieb, ganz besonders der Mensch,
Strebe nach der Güter Vermehrung und zähle ihre Zahl!
Erwirb dir Titel und Ehren,
Erschaffe, wofür der Mensch spendet gerne Applaus!
Halte hoch das Haben,
Aber Unterdrücke alles wahre Sein!
Rede viel von schönen Gefühlen und schmeichle honigsüß,
Doch die echte Liebe, sei dir ferne!

Richte das Leben aus, nachdem, was später kommen mag,
Schau wehmütig auf die verklärte Vergangenheit!
Doch lebe nie im Hier und Jetzt!
Such nach allem, nur nicht nach dir selbst!
Unerträglich ist der kranken Menschheit echtes Menschenwesen.
Nie sollst du sehen dein wahres Sein!
Vergiss nicht, dass du bereits gestorben bist,
Noch ehe, dass der erste zarte Laut deinem Kehlchen entsprang!

Freitag, 16. Juli 2010

2050 – Rückblick auf ein halbes Jahrhundert

Was wurde zu Beginn dieses neuen Jahrtausends nicht alles geschrieben und medial verbreitet? Welche noch so unwahrscheinlichen, aller Erfahrung widersprechenden Szenarien wurden da nicht mit allem Ernst angekündigt? Die wildesten Zukunftsphantasien, gepaart mit der der menschlichen Natur allem Anschein nach eigenen Faszination des Untergangs, welche in Untergangsszenarien biblischen Ausmaßes so viele erfasst hatten, drangen in den Geist selbst des kühlsten Rationalisten ein und sorgten für ein leicht gespanntes, ja vielleicht sogar für ein beunruhigendes Gefühl. Doch siehe da, das neue Jahr begann, die Korken knallten, das Silvesterfeuerwerk fand ein Ende und wir stellten alle fest, dass wir noch am Leben waren. Alles war scheinbar beim Alten geblieben und der Alltag ergriff uns mit all seinen Verpflichtungen und Nöten. Wie sehr irrten damals doch die Menschen, ob dessen, was da kommen würde? Wie sehr muss ich jetzt in meinen alten Tagen zurückblicken und erkennen, dass die allerwenigsten Dinge, die prophezeit wurden, sich erfüllt haben? Die Welt ist tatsächlich eine andere geworden und es stellte sich heraus, dass sie wahrhaftig zu einer „neuen Erde“ wurde und nicht bloß eine Fortsetzung der Vergangenheit, wenn auch mit beschleunigtem Tempo.

Vor jeder Umwandlung, vor jeder höheren Entwicklung, steht eine Krise, ein Chaos, das jedoch in eine neue Ordnung übergeht, sobald die verdichteten Gegebenheiten es bewerkstelligen sich auf dieser höheren Ebene zu organisieren. Es ist immer eine Frage von allem oder nichts, vom Aufstieg zu neuen Höhen, oder des Abstiegs in die tiefsten Abgründe. Für die Welt bedeuteten die letzen Jahrzehnte tatsächlich eine solche Krise und um ein Haar hätten wir diese Prüfung kosmischen Ausmaßes nicht überstanden und hätten uns alle selbst und den Planten ausgelöscht. Seit nunmehr hundert Jahren schwebt dieses Damokles einer atomaren Apokalypse über der Erde und tatsächlich ist die Gefahr auch heute noch, wenn sie auch beträchtlich geringer geworden ist, immer noch gegenwärtig.

Als das erste Jahrzehnt voranschritt, wollte die Hysterie mancher immer noch nicht verstummen und findige Leute fanden auch wirklich ein neues Datum, das als Weltuntergang zu verkaufen sich eignete. So fügte sich eine seltsame Allianz von an sich völlig heterogenen Gruppen, von esoterischen Phantasten über religiöse Fundamentalisten bis hin zu rechts- und linksradikalen Gruppen, zusammen, die im Jahre 2012 einen Umbruch erwarteten. Für manche schien Satan persönlich als Antichrist auf der Weltbühne zu erscheinen, wieder andere glaubten eine `Neue Weltordnung´ würde nun endgültig die Macht auf dem Planeten übernehmen und deshalb griffen alles sie an, was auf eine Einung der Menschheit hinauslief. Dann gab es da noch die Träumer und ewigen Kinder im Geiste, die von einer „Höherschwingung“ unserer schönen blauen Kugel phantasierten, einer Art globaler Entrückung, die nur den „Auserwählten“ zuteil werden würde. Nun, der 21. Dezember des Jahres 2012 kam und nichts geschah. Wieder einmal ist ein Weltuntergang angekündigt wurden, alleine die Welt wusste selbst von ihrem Untergang nichts und so dreht sie heute noch immer ihre Kreise um dasselbe gute alte Zentralgestirn.

Was ist es nun, was im Kern die heutige Welt ausmacht? Was hat sich wirklich gegenüber den früheren Jahrtausenden geändert. Nun, wie wir heute bereits mit großer Gewissheit sagen können, vollzog sich bereits seit Jahrhunderten eine grundlegende Änderung auf der Erde. Die Anfänge liegen mit Sicherheit bereits in der Renaissance. Ab dem 18. Jahrhundert war dieser Kurswechsel bereits vollzogen, das 19. und 20. Jahrhundert brachten auf der einen Seite einen gewaltigen Fortschritt, insbesondere im technischen Bereich, doch erst das 21. Jahrhundert brachte den endgültigen Umbruch in der „Psyche“ mit sich. Mit Psyche meine ich hier nicht nur diejenige des einzelnen Menschen, sondern der ganzen Menschheit. Denn es haben sich die einzelnen Bewusstseinszentren, die wir in den menschlichen Einzelwesen lokalisieren können, tatsächlich auf höherer Ebene zusammengeschlossen und bilden nun eine gemeinsame Seele der gesamten Menschheit. Unser Leben und Erleben findet hauptsächlich im Geiste statt. Das bedeutet nicht, dass wir keine körperlichen Wesen mehr sind, das sind wir noch immer, doch wir sind keine „höhere Form der Tiere“, wie dies noch lange fälschlicherweise vermutet wurde. Die Menschheit bildet das letzte vollständig entwickelte Phylum der biologischen Evolution. Der Mensch ist wirklich die „Krone der Schöpfung“ und heute können wir dies ohne weiteres bejahen und wir brauchen nicht mehr die Überheblichkeit auf niederere Wesen herabzuschauen, um uns von ihnen abzuheben, denn wir haben nun die Gewissheit, dass wir die Spitze der Achse sind, entlang der sich die Evolution ihrem Endziel nähert. Aber weil wir dies wissen, haben wir auch die Verantwortung für die gesamte Schöpfung übernommen.

Der Kern der Welt von heute macht tatsächlich dieses höher organisierte Bewusstsein aus, das sich wie die Biosphäre als Noosphäre, als unsichtbare, aber wahrnehmbare Schicht, über erstere legt und sie doch gleichzeitig überall durchdringt. Wie haben wir dies geschafft? Dazu muss gesagt werden, dass es vermessen wäre, wollten wir diese Entwicklung uns selbst zuschreiben. Nein, diese Sphäre wurde weniger von uns selbst, als viel mehr durch uns hindurch erschaffen. Anfangs unmerklich und nur wenige Menschen wussten um diese Entwicklung. Dann spürte die Menschheit zu Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhundert einen immer größer werdenden psychischen Druck. Lange wurde er dem zunehmenden Lebenstempo, den gestiegenen Anforderung, den weltweiten Problemen zugeschrieben. Teilweise hatte man damit auch Recht, doch im Grunde handelte es sich um die kosmischen Geburtswehen, die die neue Erde entstehen ließen. Und tatsächlich haben die Menschen einen hohen Preis dafür bezahlt. Einerseits haben Millionen Menschen ihr Leben gelassen, in Naturkatastrophen, Kriegen, Krankheiten (damals gab es noch eine Immunschwächekrankheit, die durch ein Virus namens HIV ausgelöst wurde, sie war eine Geißel der Menschheit und hieß AIDS), Aber ebenso haben noch mehr Menschen eine hohe psychische Taxe bezahlt. Depressionen, neurotisches Verhalten, Persönlichkeitsstörungen, ja bis hin zur Psychose reichten die „Wehen“, die die Geburt der Noosphäre mit sich brachte. Ich denke mir oft, wenn wir Menschen wüssten, wozu eine Sache gut wäre, wir könnten leichter den Preis bezahlen. So sind wir heute alle dankbar für diese Menschen, und ich übertreibe nicht, wenn ich die Menschen von damals als Helden bezeichne.

Im 21. Jahrhundert machte die Wissenschaft enorme Fortschritte. Das Wissen verdoppelte sich beinahe von Jahr zu Jahr, als wir auf das Jahr 2020 zugingen. Die zunehmende Spezialisierung führte dazu, dass es kaum mehr jemanden gab, der wusste, was einer auf einem anderen Fachgebiet wirklich tat, womit er beschäftigt war. Wir mussten uns alle auf den anderen verlassen. Die Zeit der Universalgenies war ohnehin schon lange vorbei gewesen. Leider wurde das Vertrauen oft auf eine harte Probe gestellt und nicht selten missbraucht. Doch wir sahen ein, dass nur das Vertrauen unter den Menschen uns weiter bringen konnte. Wir lernten bessere Menschenkenntnis zu entwickeln, was jedoch nur bei gleichzeitiger psychischer Gesundung geschehen konnte. Erst heute sehen wir wie krank die menschliche Gesellschaft früher war. Zwar sind wir auch heute noch davon entfernt, dass alle Menschen ein Niveau erreicht haben, das der selige Abraham Maslow als „selbstverwirklichend“ bezeichnet hatte, doch im Vergleich mit den Menschen zu Beginn dieses Jahrhunderts sind wir alle gesund. Was damals das Außergewöhnliche war, ist heute zur Normalität geworden. Zu jener Zeit waren die Menschen größtenteils Barbaren. Vergleicht man die Mittel, die für Rüstung weltweit aufgewendet wurden, im Vergleich zur Forschung, die sich mit den großen Problemen der Menschheit befassten, kann man zu keinem anderen Schluss kommen. Doch wir wissen nun auch, dass die Menschen der damaligen Zeit nicht böse waren, sondern sich viel mehr im Irrtum befanden. Sie verdienen nicht Schelte, sondern unser Mitgefühl.

Uns war klar geworden, dass Wissenschaft längst mehr war, als das Anhäufen und Verknüpfen von Wissen um ihrer selbst willen. Nein, sie wurde zur absoluten Notwendigkeit für alle Nationen und mehr noch für die gesamte Menschheit. Aber eben gerade diese Einsicht ließ noch länger auf sich warten und so vergingen mehr als zwei Jahrzehnte, bis Bildung nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zum Megathema geworden war. Von diesem Zeitpunkt an allerdings ging ein spürbarer Ruck durch die Reihen der Menschen und wir besannen uns auf wesentlichere Dinge. Zudem, und das ist ganz entscheidend, wurde die Wissenschaft zu einer der Leitlinien entlang derer sich die Menschheit von nun an weiter entwickelte. Neben der Wissenschaft gibt es noch zwei weitere Leitlinien, auf die ich sogleich kommen werde. Die Evolution war durch den Menschen aus dem Bereich des Biologischen in den Bereich des Denkens eingetreten und hatte allmählich einen höheren Bewusstseinsstand erreicht. Lange wurde der Mensch noch über seine niederen Instinkte definiert, bis wir unseren ewigen Irrtum erkannten, dass der Mensch nur über schwache Triebe verfügt und mehr über das reflektierende Bewusstsein definiert werden muss, als über seine DNS oder auch das anerzogenen Verhalten (welches seit Menschengedenken immer nur korrupt war). So definieren wir heute den Menschen, als die sich ihrer selbst bewusst gewordene Schöpfung oder Evolution (die beiden sind heute kein Widerspruch mehr, wie sehr unsere Vorfahren auch darum gestritten haben mögen). Wissen bedeutet aber nicht nur mehr zu haben (im geistigen Sinn), sondern vor allem mehr zu sein. Und das ist das Entscheidende. Es gab bereits im 20. Jahrhundert weise Menschen, die forderten zu sein und nicht zu haben. Doch außer anerkennendem Kopfnicken hatte man dafür nicht viel übrig. Erst zwei Generationen später begannen die Menschen endgültig wirklich zu sein. Und ein wesentlicher Punkt dazu ist das Wissen selbst.

Die zweite Linie der Entwicklung ist der Mensch selbst. Er ist das komplexeste Wesen, das flexibelste aller Phänomene im Universum, zumindest so weit wir es bisher wissen können. Kein Studium war zur Erreichung einer neuen geistigen Ordnung auf der Welt notwendiger, als jenes vom Menschen. Es ist uns letztendlich gelungen, nach langen Kämpfen alles Beteiligter (Wissenschaftler aller Fachrichtung, Vertreter von Religionen, Politiker etc.) ein umfassendes Verständnis und eine Metawissenschaft vom Menschen zu errichten. Wir wussten, dass das Verständnis von uns selbst entscheidend für das Überleben von uns allen und der Spezies sein würde. Die Notwendigkeit schweißte uns endlich zusammen. Seit jeher war der Mensch sich selbst das größte Rätsel. Lange glaubte man der Mensch sei im Grunde ein brutales Wesen, der im Kampf ums Dasein ohne weiteres seinen nächsten töten würde. Die Triebe wurden enorm übersteigert dargestellt, übersteigert, weil sie im Grunde alles andere als stark sind, und unsere Wissenschaft, vor allem aber die Philosophie und die Religionen zeichneten ein negatives Menschenbild. Heute haben wir erkannt, dass dem Menschen im Grunde nichts Böses innewohnt, sondern dass sich alle „bösen Handlungen“, aber auch Worte und Gedanken, aus an sich gesunden und berechtigten Grundbedürfnissen ableiten. Das Böse stellte sich als das nicht entwickelte Gute heraus. Diese Ansicht brauchte lange, um sich in der Menschheit durchzusetzen und wir sind noch immer nicht vollständig damit zu allen durchgedrungen.

Zu allen Zeiten gab es ein Ideal des Menschen. Im Mittelalter war es der religiöse Mensch, in der Renaissance der denkende Mensche, im 19. und 20. Jahrhundert der ökonomische Mensch, sowie in manchen totalitären Staaten der heroische Mensch. Dann widersetzte sich die Menschheit weitestgehend einem neuen „Idealtypus“ des Menschen. Die gebrannte Menschheit wollte nichts mehr davon wissen und suchte in der „Selbstverwirklichung“ das Heil, nachdem das Heil in der Gesellschaft so grandios gescheitert war. Eine zeitlang sah es so aus, als ob ein Voranschreiten der Menschheit nicht möglich sei, als ob der Mensch sich nur als Einzelner weiter entwickeln konnte, und dies nur dadurch zu erreichen war, dass jeder mit all seinen Kräften sich nur um sich selbst kümmerte. Endlich stellte sich aber doch heraus, dass „Selbstverwirklichung“ kein brutaler Egoismus sein konnte. Heute wissen wir, dass der Mensch umso mehr er selbst wird, je sozialer er ist. Die Entwicklung des Individuums, wie auch des Kollektivs, läuft nur über eine dichtere Vernetzung der Menschen, über eine intensivere Durchdringung der einzelnen Wesen und ihres Bewusstseins. Das ist das Paradox des Homo Sapiens. Je mehr er dem großen Ganzen dient, je mehr er sich verbindet, dem folgt, was das Christentum „Nächstenliebe“ nennt, desto weiter schreitet er auch voran. Die Entwicklungslinie nach vorne ergibt sich erst, wenn der Mensch zuerst in die „Breite“ gegangen ist und sich mit seinesgleichen zu organisieren hat. Dies konnten unsere Vorfahren lange nicht erkennen. Selbstverwirklichung durch Altruismus, durch Dienst am Menschen, durch Dienst an der Schöpfung? Das schien unmöglich. Es widersprach der historischen Erfahrung. Es sah so aus, als ob gerade die Skrupellosesten, diejenigen, die sich am wenigsten um ihresgleichen kümmerten, am meisten Erfolg hatten.

Endlich rangen wir uns trotz aller Zweifel dazu durch ein neues Ideal zu formulieren. Dabei sahen wir vor das Problem gestellt, dass bisher Ideale meist aus Ideen entstanden, die in der Theorie wunderbar aussahen, aber nur wenig mit dem Menschen selbst zu tun hatten. Wir wollten keinesfalls eine Definition finden, die dem Menschen widersprach. Das Ideal des Menschen sollte aus der Natur des Menschen selbst entnommen werden. Doch was war die Natur des Menschen? Eine ewige Frage, die die Menschen seit jeher beschäftigt hat. Doch welche Irrwege war man dabei gegangen? Aristoteles glaubte etwa, weil er Menschen beobachtete, die Sklaven waren, daraus ableiten zu können, dass es Menschen gäbe, deren Natur es sei Sklaven zu sein. Einen solchen Unsinn würde heute niemand mehr vertreten und doch handelte der alte Grieche nicht unredlich. Konnte man die wahre Natur des Menschen überhaupt erkennen? Lange hatte die Menschheit die Suche danach aufgegeben, die Antworten darauf waren zu widersprüchlich, wie auch bei den Wahrheiten. Deshalb begnügte man sich mit dem Relativismus. Dieser war zwar unbefriedigend, aber er schien doch die beste Herangehensweise zu sein, um den Fortschritt selbst nicht zu gefährden und in gefährliche Dogmen zu verfallen.

Die Forschungsausgaben zur Erkundung der Natur des Menschen wurden sehr stark erhöht und bald stellen sich Erfolge ein. Ein Großteil der Wissenschaften, von der Psychologie, der Soziologie, der Philosophie, bis hin zur Juristerei, trugen wertvolle Beiträge bei, die letztendlich in einem neuen Ideal gipfelten. Dieses sollte der gesunde Mensch sein. Dies hörte sich nicht besonders spektakulär an und manche meinten man hätte Geld zum Fenster hinaus geworfen. Doch zeigte sich bald, welchem Irrtum solche Skeptiker unterlagen. Der gesunde Mensch ist jener, der weder neurotisch, noch psychotisch ist, noch an irgendeiner Persönlichkeitsstörung leidet, beziehungsweise eine Tendenz in eine solche Richtung hat. Er ist ein Mensch der authentisch ist und keine Rolle spielt, der freieste aber zugleich der sozialste aller Menschen ist. Er zeichnet sich durch drei wesentliche Charakterzüge aus: freies und umfassendes Bewusstsein, Spontaneität und die Fähigkeit zu echter und tiefgehender Intimität. Der Mensch wird als grundsätzlich gut aufgefasst. Das heißt nicht, dass das Böse heute verschwunden ist, sondern, dass wir einen anderen Umgang damit pflegen. Wir sehen es nun als Mangel an Erkenntnis und Weisheit an, nicht als die Ursache einer dunklen Kraft, die in der Welt wirkt.

Die dritte Leitlinie, die uns in die Zukunft führte war der Glaube und damit die Religionen. Dies überraschte einige, denn so glaubt man noch im 20. Jahrhundert, dass Glauben für den modernen Menschen gar nicht nötig, ja vielleicht gar nicht mehr möglich sei oder zumindest eine Beleidigung für den Verstand. Die Religion hat seit jeher die Menschen darin organisiert empathisch zu sein und hat dazu beigetragen, dass größere soziale Gruppen entstehen konnten. Freilich wurde sie oft dort zum Problem, wo sie die eigenen Gläubigen enger aneinander schmiedete und ihnen eine Gruppenidentität gab, aber sich von anderen abgrenzte und sogar zum Kampf gegen die Andersgläubigen aufrief. Dies hatte zu viel Kritik an den Religionen geführt und mancher glaubte gar der Weltfriede sei darin zu finden, die Religionen abzuschaffen. Glücklicherweise ist dies nicht gelungen und wir sehen heute, dass gerade diese dritte Leitlinie noch wichtiger ist als die beiden anderen. Wir haben durch tiefere Erkenntnisse auf der Evolution erkannt, dass die allem zugrunde liegende Kraft jene ist, die man seit jeher Gott genannt hat. Wir haben auch herausgefunden, dass das gesamte All auf einen konvergenten Endpunkt zusteuert, das letzte Glied in einer Reihe von Evolutionsstufen, welches selbst außerhalb der Schöpfung selbst steht, aber mit seinem Geist das gesamte Universum seit Anbeginn durchzieht. Wir sahen auch, dass dieser Endpunkt kein theoretischer „kalter“ Punkt ist, sondern eine persönliche Kraft. Wir konnten so die Jahrtausende alte Dichotomie von Gott und Mensch auflösen. Wir sahen, dass wir zwar alle eins mit Gott sind, dass wir selbst aber nicht Gott sind, sondern dieser alles durchdringt und als endgültige absolute Entität in all seiner Herrlichkeit außerhalb des Allseins steht und erst nach Erreichen des Punktes am Ende, indem alles konvergiert, geschaut werden kann. Freilich wissen wir nicht wie die letzte Phase aussehen wird, niemand vermag sich dies auch nur in Ansätzen vorzustellen, doch sind wir uns gewiss, dass diese unsere Phase, die der Noogenese ,die letzte sein wird – das ist jedenfalls der Standpunkt des Jahrs 2050.

Jeder Mensch muss nach seinem Gewissen handeln, deshalb ist eine Gewissensentscheidung auch zu respektieren. Es gibt deshalb heute immer noch Atheisten, wenn ihre Zahl auch viel geringer ist, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Die Welt ist eindeutig religiöser geworden, dabei aber trotzdem offener. Das war kein Widerspruch, denn die Religionen sahen ihren wahren Zweck darin, die Menschen auf dem Weg zum Endpunkt allen Seins zu begleiten, die Sinnfrage nach dem Leben zu beantworten und den Ursprung und das Ende zu erklären, obwohl dies für immer außerhalb der Sphäre des durch die Wissenschaft Erklärbaren bleiben muss. Wir fanden heraus, dass für einen Gläubigen eine psychologische Notwendigkeit besteht zu glauben. Dieses Argument wurde lange von Atheisten verwendet, um den Gläubigen vorzuwerfen, sie machten es sich gemütlich in ihrem Glauben, sie glaubten nur, weil ihnen dass Seelenfrieden gäbe. Das ist zwar richtig, aber trotzdem ein Ad-hominem-Argument, es trägt nichts zur Lösung der Frage nach dem Übernatürlichen selbst bei. Dasselbe gilt aber ebenso für den Atheisten. Auch er glaubt nicht an das Übernatürliche, weil ihm genau dies seinen Seelenfrieden gibt. Somit hätten wir eine Pattsituation. Auch haben wir herausgefunden, dass der Glaube oder Unglaube sehr stark davon abhängt, wie das Verhältnis zum eigenen leiblichen Vater sich gestaltet. Es ist sehr schwer an Gott zu glauben, wenn der eigene Vater mangelhaft war, im Sinne von unzuverlässig, ein Tyrann, Abhängiger, Versager und dergleichen. Oft zeigt sich, dass die Ablehnung Gottes, im Grunde eine Ablehnung des eigenen Vaters darstellt. Die Untersuchung der Lebensgeschichte von bekannten Atheisten (Schopenhauer, Nietzsche, Feuerbach et. al.) zeigt dies deutlich. Doch heute sind die Kämpfe in diesem Bereich kaum mehr vorhanden. Wissenschaft und Glauben respektieren sich gegenseitig und keiner versucht mehr den anderen herabzuwürdigen oder gar „abzulösen“. Im Wesentlichen herrscht zwischen Glauben und Unglauben Frieden. Und ich persönlich bin darüber ganz besonders froh, denn ich bin einerseits gläubiger Christ, andererseits auch begeisterter Wissenschaftler (Evolutionist) und ich wollte nicht gezwungen werden mich zwischen einer der beiden zu entscheiden. Es käme mir vor, als ob mir ein Teil meiner selbst aus der Brust gerissen würde.

Aus der Sicht früherer Jahrzehnte mag es seltsam erscheinen, dass ich hier so wenig über Politik, Umwelt, Soziales und die Wirtschaft schreiben. Sie sind zwar immer noch wichtig, doch weitaus nicht mehr in dem Ausmaß, wie wir es zu Beginn dieses Jahrhunderts noch vorfanden. Das Leben wird heute viel mehr durch Prinzipien, als durch einen überbordenden Wulst an Gesetzen und Vorschriften bestimmt. Die Politik hatte letztendlich doch noch den Mut auf Herrschaft zu verzichten und immer mehr in die private Hand zu legen. Nachdem der Mensch heute hauptsächlich vom Miteinander und von der Sorge für sich und seinen Nächsten motiviert wird, wurden viele Bestimmungen, die den Menschen vor dem anderen schützen sollten, die Versorgung von Benachteiligten und die Sorge für den Nachwuchs regelten, überflüssig oder stark vereinfacht. Als Beispiel könnte man die Kindererziehung nehmen. Diese ist heute Angelegenheit einer größeren Gemeinschaft, nicht nur der Eltern und des Kindergartens. Kein Kind wächst heute in Isolation auf. Auch wurde erkannt, dass weder die traditionelle autoritäre, noch die Lassez-faire-Erziehung (die im deutschsprachigen Raum, als „antiautoritäre Erziehung“ bekannt wurde) die ideale Lösung war. Als endlich eingesehen wurde, wie wichtig eine gute Kindheit für das Leben eines Menschen ist, wurde der Missbrauch von Kindern auf beinahe Null reduziert. Nicht nur die Eltern, sondern jeder, seien es Nachbarn, Freunde oder Bekannte, fühlen sich heute für die Entwicklung jedes Kindes verantwortlich. Und es wäre heute nicht mehr vorstellbar, dass einem Kind eine öffentlich Ohrfeige gegeben würde, ohne, dass sogleich ein Erwachsener, als "helfender Zeuge" eingreifen und sich auf die Seite des Kindes stellte. Autoritäten sind heute nicht verschwunden, auch wenn sich dies einige eine zeitlang wünschten, und es in dem ein oder anderen Staat tatsächlich fast soweit gekommen wäre. Autorität bezieht sich nur auf vorhandene Fähigkeiten und Kenntnisse, niemals mehr auf einen Titel oder eine Position. Es ist dem Menschen von heute beinahe unbegreiflich, wie es sein konnte, dass unseren Vorfahren Ansehen, Ruf und Ehrungen so viel bedeuteten.

Wir lassen es nun nicht mehr zu, dass unsere Gehirne im Lauf der Zeit schwächer werden. Dank neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, können wir für geistige Jugendlichkeit sorgen, bis weit über das 100. Lebensjahr hinaus. Wir haben die ungeheure Leistungsfähigkeit unseres Gehirns nicht nur erkannt, sondern wir haben auch ihre tatsächliche Anwendung ermöglicht und sind nun in der Lage auch schwer degenerierte Gehirne wieder vollständig herzustellen und auf den Stand unserer Zeit zu bringen. So konnten wir auf der einen Seite die Zustände in der Welt verbessern, als uns auch von den Illusionen befreien, die uns so lange gequält hatten. Zwar bildet das menschliche Gehirn immer noch Muster, doch haben wir aufgrund unseres gestiegenen Bewusstseins es geschafft, nicht mehr an diesem Mustern zu kleben, uns selbst nicht über sie zu definieren, und sie jederzeit ohne große Anstrengung und Stress an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Eine interessante Entdeckung wurde erst vor kurzem gemacht: Es gibt konkrete Hinweise darauf, das wir im Bewusstseinsstadium des Menschen (nicht nur des heutigen, sondern auch dem der früheren Jahrhunderte) nach dem Tod weiter leben. Wir wissen, dass das Tier dieses Stadium nicht erreicht und beim Tod wieder zum Materie zurückfällt und zwar auch in Bezug auf seine „Innenseite“. Beim Menschen scheint es sich ganz anders zu verhalten. Wir sind auf Bewusstseinsebene über das Tier hinausgekommen und die höhere Komplexität unseres Geistes scheint ein Fortbestehen über das irdische Dasein hinaus zu haben. Eine Art Geist, der sich von der Materie zu lösen vermag! Wo dieser dann jedoch weiterlebt, darüber haben wir bis dato noch keine Ahnung. Damit könnte sich bald eine teilweise Konvergenz von Religion und Wissenschaft abzeichnen. Vielleicht werden wir Gewissheit über ein Jenseits auch auf wissenschaftlichem Wege noch vor dem Ende aller Tage erhalten?

Im Gesamten kann man sagen, wir haben unsere Sache gut gemacht, auch wenn es oft nicht danach aussah, dass wir wieder Heil aus dem Schlamassel herauskommen würden, in das wir uns selbst hineinmanövriert hatten. Doch die Weiterentwicklung unseres Bewusstseins hat gezeigt, dass heute gerade damit zu rechnen ist, was für unsere Vorfahren noch der unwahrscheinlichste Fall war.

Optimismus ist zur Pflicht geworden, ohne ihn, hätten wir in der Vergangenheit keine Chance gehabt und werden es auch in der Zukunft nicht haben. Pessimismus ist eine Art von Unreife und der Weigerung produktiv an der Schöpfung mitzuwirken. Längst ist der Mensch vom reinen Geschöpf zum Mitschöpfer geworden, ja heute schafft er bereits mehr, als was selbst an ihm an Werk vollbracht wurde. Es ist zwar nicht alles perfekt, doch Vieles ist besser geworden. Die Menschheit hat ein neues Gleichgewicht gefunden und so schreiten wir voran, bis zur nächsten „Geburt“ oder bis zum Ende allen Seins.

Geschrieben am Freitag, den 16. Juli 2010 als hypothetischen Rückblick aus dem Jahr 2050, von einem, der die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts erlebt hat.

Dienstag, 29. Juni 2010

Der Exorzist

In längst vergangenen, fast vergessnen Tagen,
Tief im schönen Bregenzerwald,
Lebte ein bekannter Kapuzinerpater,
„S`Jaköble“ genannt, dem mochte man gern klagen.
Für Ungemach wusst’ er Rat bald,
Diente den Menschen als weiser Geistesvater.

Doch neben dem Benefizieren
Und sehr klugen Kopf in Glaubensfragen,
Hatte er seine große Spezialität,
Half kräftig Menschen und den Tieren.
So hörte man von nah und fern sagen,
`Weh dem Geist, der an den Exorzisten gerät!´

Ein bös’ Geist, der Unwesen trieb in Doren,
Sträubte sich gar fürchterlich,
Gegen des Paters rasch’ Intervention.
Zerkratzte ihm Gesicht und auch die Ohren,
Das Gezänk war schauderlich,
Doch obsiegte der Fromme endlich schon.

Bannte ihn mit mächtiger Gewalt,
Und Autorität durch Jesus Christ,
Nach Schröcken, in das hinterste Tal tief hinein.
So wurde der Sündenpreis bezahlt,
Und solch eine Tat man nicht vergisst.
Noch bekannter war nun das Kapuzinerlein.

Einmal in einem Haus in Bezau,
Schrie und rumort’s im Keller unerträglich,
Der Lärm war bald nicht mehr auszuhalten.
Es grunzte wie eine irre Sau.
Da versagte alles was man tat kläglich.
Und man musst’ sich ans Jaköble halten.

Dieser in der Not schnell herbei gerufen,
Begab sich in das muffig’ Untergeschoß.
Und fand dort eine schrecklich-große Sau.
Die tobte, stampfte wie ein Tier mit Hufen
Und ging sogleich zum Angriff, Satan war los!
Doch der Pater war für sie viel zu schlau.

Die Bewohner waren arg in Sorge,
Ob des wahren Höllengeschrei’,
Fürchteten sie doch um des Paters Leben.
Dann ward es still, Hoffnung man sich borge!
Ein Schrei? Jetzt ist es wohl vorbei!
Der Weinstock trägt jetzt nie mehr seine Reben.

Aber nein, schon vernahm man klobig-schwere Schritte.
Gebadet in Schweiß und mit hochrotem Kopfe,
Kommt s`Jaköble in die Stube herauf.
Man reicht’ ihm Speis und Trank, er hatte viel Verlitte.
Den Dämon packte er hart bei seinem Schopfe,
Schwer geht des guten Mannes heißer Schnauf.

„Gebannt hab ich ihn auf die Kanisfluh“,
Sprach er sich langsam erholend.
„Der treibt niemals sein Unwesen mehr!
Die Sau war schwerer wie eine Kuh.“
Die Kutte war nass und elend,
Innen und außen ebenso sehr.

Nie hatte er so viel Verlitt,
Zeitlebens ginge es derart noch nicht zu.
Wer hatte dem Bösen nur Einlass gegeben?
Denn als er mit dem Dämon stritt,
Erfuhr er Gotteslästerungen, im Nu.
„Lasst das Sündigen, dann wird’s das nicht mehr geben!“

Sprach er und die Leute nahmen sich’s zu Herzen.
Man schwor nun nicht mehr zu fluchen,
Das Wort Gottes auch öfter zu lesen.
Wer will es sich schon mit dem Herrgott verscherzen?
Man will das Seelenheil suchen.
So war das Unheil, Unheil gewesen.

Ein andermal begab es sich in Bürstegg,
Da war es in einem Stalle nicht ganz richtig.
Das Vieh wurde arg geplagt und vor allem die Säue,
Zwang ein Geist rückwärts zu geh’n auf ihrem Weg.
Und kamen sie an eine Wand, das ist wichtig!
So verließ sie allesamt die natürliche Schläue.

Mit den Hinterbeinen zuerst, gingen sie nach oben,
Bis sie sich erbärmlich überschlugen.
Es war nicht mehr mit anzusehen,
So hat der Eigner sich in den `Wald´* hinein geschoben.
Sucht’ den Hexenpater auf, den klugen,
Und bittet ihn mit ihm zu gehen.

Man kommt an bei dem schwer-verhexten Stalle,
Treibt gewandt der Dämonen mehrere aus,
Und alles geht wieder in geordneten Bahnen.
Ratgemäß geht man nicht mehr die Falle,
Flucht nicht mehr und spricht gute Gedanken aus.
Solches musste man einbeziehen in sein Planen,

Dass einst zum Bau des Stalles ohne viel Bedacht,
Steine einer Kapelle genommen waren,
Wo, so meinte der Kapuziner möglicherweise,
Einer habe geistern müssen wohl jede Nacht.
Doch ein Kreuz und gute Worte, die bewahren
Davor dass es spuke auf so erschreckende Weise.

Das Jaköble kam dann später nach Feldkirch hinaus,
Um dort zu tun seinen Dienst im Kloster gut.
Doch kam lange noch aus dem Bregenzerwald,
Viel Volk und suchte ihn im fernen Ordenshaus,
Auf um Rat und, wenn einen verließ der Mut.
So kannte man ihn im ganzen Land gar bald.

* Bregenzerwald

Montag, 7. Juni 2010

Fidelis von Sigmaringen

Zu Sigmaringen ward einem Wirt ein Sohn geboren,
Der zeigte, dass er für Vaters Beruf war verloren.
Es zog ihn schon früh zu den Büchern hin,
Das Licht des Geistes war es, das ihm schien.
Noch kannte jeder ihn als Markus Roy,
Er galt als Menschenfreund, war fromm und treu.

Bald zog es ihn zum Studium der Rechte,
Nach Freiburg hin ins Gelehrtengefechte.
Im Elsass ließ er sich dann nieder,
Als Advokaten sah man ihn nun wieder.
Doch das Fromme zog ihn fort von dieser Profession,
Moral und Tugend vermisste er dort eben schon.

Schon während des Studiums mit großer Herzensfreude,
Bereiste er in Gesellschaft gleich gesinnter Leute,
Die Länder Europas und zeichnete sich aus,
Als von edlem, keuschen Lebenswandel durchaus.
Nun fasste er endgültig den Entschluss,
Mit dem weltlichen Leben sei nun Schluss.

So trat er bei den Kapuzinern ein,
Lässt’s schmutzig’ Advokatendasein sein.
Wird ein Priester ehe er anlegt das Ordensgewand,
In theologischen Dingen blüht bereits sein Verstand.
„Treu bis in den Tod“, das wird sein Lebensspruch,
Ist für ihn nicht, war für andre oft ein Fluch.

Nach vielen gut geführten Ordensstationen,
Kommt er in die österreichischen Nationen.
In Feldkirch lebt er nun im Ordenshaus,
Und zeichnet sich durch Mut und Klugheit aus.
Bekehrt mit flinker Zunge die Fortgerannten,
Die abtrünnig gewordenen Protestanten.

Offen ging er des Volkes Laster an,
Sprach direkt und ganz ohne falsche Scham.
Nicht der Ruf, das Anseh’n der Menschen war ihm teuer,
Nur der Seelen Rettung, dafür brannte sein Feuer.
Sah er doch wie viele lebten ohne Gott,
Und hatten für das Gute nur übrig Spott.

Beten ohn’ Unterlass und die Armenhilfe nur,
Waren es denen er folgte, das war seine Spur.
Bald schon erblickte man in ihm den Gerechten,
Schwer war’s ein Streitgespräch mit ihm auszufechten.
Auch in fernen Rom hörte man von ihm da schon,
Gab ihm die katholische Predigermission.

In die nahe Schweiz wurde er gesandt,
Wo das Volk dem hiesigen zwar verwandt,
Doch sich vom Papst in Rom oftmals hat wegbegeben.
Fidelis sollt’ ihnen bringen den wahren Segen.
Obgleich er sein jähes Ende nahen sah,
Ging er hin und ließ kommen, was dann geschah.

Im Prättigau war er besonders groß, der Hass,
Man wollte Fidelis hingeben dem Volkesfraß.
Hinterlistig und hartherzig wie er ist,
Konspirierte er, der feige Calvinist.
Zu Seewies trafen die Bauernleute auf den guten Mann,
Schlugen auf ihn ein, so dass er nicht mehr weiterleben kann.

Heugabeln, Spieße und der Morgenstern,
Sie blieben Fidelis Körper nicht fern.
Doch zu sterben für den Glauben war ihm beschieden,
Jetzt hatte seine Seele ewig-himmlische’ Frieden.
Heut’ kann man seinen Schädel noch in Feldkirch sehen,
Ins Kapuzinerkloster muss man dazu gehen.

Gedichte IV - Heiliges

Isidor am Brunnen

Ermüdet in der südlich heißen Sonnen,
Setzte sich ein Knabe an einen Ziehebronnen.
Sein Blick fiel auf einen Stein, der hatte der Löcher viele,
Da wunderte er sich ungemeint, was wohl dessen Ziele.
Auch des Brunnen Walze war aus hartem Stein,
Mit vielen Furchen, die schnitten sich darein.

Der muntre Knabe, als Isidor bekannt,
War plötzlich in Erkenntnishunger entbrannt,
Denn bis dahin war er einer, der recht träge,
Ohne Eifer, lieber im Bette läge,
Fragt eine Dienstmagd, die ist herbeigekommen,
Um von dem Wasser etwas abzubekommen.

Sie sprach, des Steines Löcher alleine kämen von dem Nass,
Welches fiel vom vielen Schöpfen und sich in diesen fraß.
Der Walze Rillen endlich haben ihre Ursprung darin,
Dass über die Zeit das Seil sich einschnitte, vom vielen Zieh’n.
Das leuchtete nun dem jungen Burschen ein,
Und er begab sich sinnierend wieder heim.

Dort nach langem hin und her im Geiste,
Wusst’ er, warum er zum Brunnen reiste.
Es ging ihm auf ein helles Licht,
Er wusste nun die Botschaft schlicht:
Steter Tropfen höhlt den Stein, die Mühe macht sich reichlich bezahlt.
Lernt er jeden Tag auch nur wenig und das gut, die Zeit sie mahlt.
Denn wenn das, was er am Brunnen sah, schon kann geschehen,
Um wie viel mehr, kann man beim fleißigen Menschen sehen.


Helene findet das Kreuz

Byzanz hatte einst eine fromme Kaiserin,
Die pilgerte selig nach Jerusalem hin.
Helene hieß sie, und wollte finden das heil’ge Kreuz aus Holz,
An dem Jesus hing, womit gebrochen wurde des Bösen Stolz.
So fragt sie die Juden in der Stadt, doch keiner es weiß,
Bis auf einen, dem treibt es auf die Stirn den kalten Schweiß,
Denn die Prophezeiung will es so, dass wird es gefunden,
Die Juden sind bald völlig aus Jerusalem entschwunden.

Doch Helene lässt sich nicht beirren und droht diesem an,
Bei Hunger stürbe er, lässt er sie nicht ans Geheimnis ran.
In einen trocknen Brunnenschacht wurde er hinab gelassen,
So sollte er von seiner Meinung doch noch letztlich ablassen.
Nach Tagen kam’s so wie erhofft, der Gefangene spricht,
Die Stelle wird genannt, aufs Graben ist man nun erpicht.
Bald findet man , was ward gesucht, es sind der Kreuze drei,
Das des Heilands und jene der zwei von der Räuberei.

Doch die Not ist groß, man weiß sie nicht zu unterscheiden,
Solches mag wer eifrig sucht naturgemäß nicht leiden.
Der Rat kommt zum Schluss, des Jesu Kreuz mache Menschen heil,
Zur Probe leider, brauche man wohl eine ganze Weil'.
Doch da kam mit Geschrei ein Leichenzug daher,
Man legte die Kreuze über den Toten schwer.
Beim rechten Kreuz war er wieder erweckt zum Leben,
Blühte neu auf wie am Weinstock die reifen Reben.
So hat die Welt es am Ende erfahren und war sich gut,
Welch’ Kreuz war rechtens, an dem der Messias vergoss sein Blut.


Sankt Florian

In tiefen Bergen wuchs der fromme Florian heran,
Ein Pfarrer sorgte für ihn, den heranwachsenden Mann.
Einst sollte er Wein vom Grafen holen,
Der seinen Dienern streng hat befohlen,
Für die Kirche wohlan zu sorgen.
So kam der Florian am Morgen.

Er bekam einen Krug vom besten Wein,
Den trug er für den lieben Pfarrer heim.
Doch eine arme Frau auf dem Weg bat um eine Gabe,
Dass ihr kranker Mann in ihrem Hause sich daran labe.
Florian gibt ihr den süßen Traubensaft,
Und kehrt dann zur Burg zurück, mit frischer Kraft.

Damit er bekomme noch einmal den Krug gefüllt,
Doch da hat sich der Diener wahres Wesen enthüllt.
Voller Neid bekam er nur einen Tritt verpasst,
Als hätte Florian das Getränk selbst verprasst.
Traurig kam er an eine Quelle, die am Wegesrand,
Und füllte den steinernen Krug mit dem Nass bis an den Rand.

Er möchte’ beim Priester nicht mit leerem Gefäß erscheinen,
Und denkt sich `es ist zwar keiner von des Grafen Weinen,
Doch besser ist Wasser, als nur leere Luft´,
Er sei doch mitnichten ein gemeiner Schuft.
Doch in der Pfarrerstube später, sah man ganz verwundert,
Das Wasser ward zu bestem Wein geworden – aberhundert!


Bonifaz

Die Heiden beteten einst eine mächtige Eiche an,
Die in ihrer Verblendung ihrem Gotte Donar stand an.
In großer Zahl verteidigten sie den starken Baum,
Dem heil’gen Bonifaz stand vorm Maul der Zornesschaum.
Mit Kreuz und Eisenaxt nähert er sich dem Stamme,
Nahm den Herrn zum Zeugen in heißer Gemütsflamme.
Bloß ein Hieb, der Heidenbaum, er fiel,
Da waren der Heiden nicht mehr viel’.
Sie sahen ein ihr Gott war nur ein Hirngespinst allein,
Von nun ab konnte nur noch der Christengott ihr Herr sein.


Albertus Magnus

Die Philosophie ist sehr tückisch und oft gefährlich,
Denn mancher hielt wegen ihr den Glauben für entbehrlich.
Auch der Gelehrte Albertus wusste um diese Gefahr,
Und bat früh schon die Muttergottes mit ihrer Engelsschar,
Ihn zu bewahren vor dem Abfalle im Glauben,
Nie sollte die Wissenschaft das Wahre ihm rauben.
So geschah es dann auch, Maria sorgte bei seinem heißen Geblüt,
Dass vor dem Tod er erhielt neu sein kindlich’ Gemüt.


Martin von Tours

Im tiefsten kalten Winter ritt ein gar edler Mann,
Der Stadt Amiens entgegen, und traf am Tore an,
Einen frierend- zitternden Bettler bitten,
Dieser hat daselbst fürchterlich gelitten.
Da zerschnitt der Ritter, als Martin ward er ausgewiesen,
Mit dem scharfen Schwerte seinen Mantel entzwei für diesen.
In der Nacht erschien ihm der Gottessohn, bekleidet mit des Bettlers neuem Tuch,
Und sprach, es war ein Ungetaufter, der dies für mich tat, es stand in keinem Buch.
Martin von der Erscheinung tief ergriffen,
Lies sich taufen und hat die Wahrheit begriffen.


Barbara

Ein Heidenkönig wollt’ seine schöne Tochter gut vermählen,
Doch diese, Barbara, wollte sich nicht mit der Ehe quälen.
So sperrte sie der Vater in einem hohen Turm ein,
Zur Meinungsänderung, der Turm hatte der Fenster zwei’n.
Doch ohne Grund war ein drittes Fenster hinzugefügt,
Sowie ein Kruzifix der Wand zur Zierde angefügt.
Barbara erklärte die Symbolik kennend, die Zahl drei,
Stünde für die Dreifaltigkeit der Gottheit, sie sei nun frei.
Die Heidengötter seien Schall und Rauch,
Sterben würd’ sie dafür ohn’ weitres auch.
Der Vater ließ sie foltern mehrere Tage,
Auf dass sie an den Schmerzen endlich verzage.
Doch sie blieb standhaft in ihrem neuen Glauben,
Da legte man ihr an mehr der Daumenschrauben.
Der König nahm ihr mit eigener Hand das Leben,
Doch sie hatte sich auf ewig Christus ergeben.


Heilige Ursula

Ursula von Köln machte einst eine Pilgerreise,
Nach Rom und verteilte an die Armen viele Speise.
11000 Jungfrauen zogen mit ihr gen Süden hin,
Auch so mancher Bischof befand sich im Gefolge drin.
Als sie zurück und vor der Heimatstadt,
Da hielt die Gemeinschaft sehr ernsten Rat,
Denn die Hunnen belagerten die Mauern schwer,
Furchtbar anzusehen, war das Barbarenheer.
Ursula voll Zuversicht,
Bricht durch die Soldatenschicht.
Diese fallen über die Jungfern her,
Schmerzen litten die Unberührten sehr.
Es war ein grausames Dahingemetzel,
Da sieht der Hunnenkönig selbst, der Etzel,
Die schöne Ursula vor sich stehen,
Er möchte’ sie als sein Weib jetzt sehen.
Doch diese weigert sich, bleibt ewig rein,
Da musste sie ihr Leben lassen sein.


Stefan von Ungarn

Ungarn hatte einst einen großen König am Throne,
Der vielen Menschen tat viel Gutes und das ganz ohne,
Gewalt er dabei anzuwenden hatte, in einer Zeit,
Als gewaltsames Streben man täglich sah weit und breit.
Der deutsche Kaiser fiel einst im Magyarenland ein,
Doch Stefan wollte keines Blutbads Zeuge sein.
So bat er die Jungfrau im Gebet,
Sein schön’ Reich zu bewahren, und seht!
Das fremde Ritterheer zog sich ohne Grund zurück,
Zu beklagen gab es an Mensch und Tier nicht ein Stück!


Christina von Bolsena

Heidenpriesterin sollte Christina werden,
Doch sie wollte eher märtyrerhaft sterben,
Als sich dem goldenen Götzen zu weihen.
Das wollte ihr der Vater nicht verzeihen.
So schloss er sie in einem gemauert Bauwerk ein,
Bis ihre Geisteshaltung eine and’re sollte sein.

`Dem Christengott alleine soll der Vater getreu dienen,
Fleißig sei er im Glauben, wie beim Arbeiten die Bienen!´,
Darauf ließ man Christina mit Ruten schlagen,
Tapfer ertrug sie dies, ohne ein Verzagen.
Mit schwerem Mühlsteine um den Hals auf tiefsten Meeresgrund,
Warf man sie, doch ein Engel befreite sie vom Steinesrund.
Giftige Vipern ließ man nun auf sie los, damit sie tödlich werde gebissen,
Doch die zischenden Schlänglein wollten ihr, oh Wunder, nur die baren Füßlein küssen.
Die Zunge riss man ihr heraus, damit sie nichts mehr sage,
Ohne diese sprach noch immer die Christina die Klage.
Nun durchbohrte man ihr Herz mit einem Pfeile, nun sie erst starb,
Nichts gab es in der großen Welt, was ihr reines Herz je verdarb!

Freitag, 4. Juni 2010

Sankt Eusebius

Von alters her ist es bekannt,
Irland hat viel Volk ausgesandt.
Im Glauben felsenstark und reif geworden,
Gedieh `s Mönchstum vor dem Benediktsorden.
Alsdann fanden sich Fromme aus dem Konvent,
Die zogen aus auf den heidnisch’ Kontinent.

Einer dieser irisch’ Mannen,
Kam ins Land der Alemannen.
Eusebius war sein lateinisch’ Name,
Gar schnell entspross um ihn der Geistessame.
Über St. Gallen kam er ins Rheintal herrüber,
Im kalten Winter bei wildestem Schneegestüber.

In Viktorsberg auf schöner Höhe oben,
Wollte er unsern Heiland reichlich loben.
Richtet sich seine Klause ein,
Und lässt das irdisch’ Leben sein.
Mit heil’ger Andacht verbringt er die Tage,
Dazu in allerbester Aussichtslage.

Dreißig Jahr’ bringt er so in Seeligkeit zu,
Erbaut seine Seele, findet liebe Ruh’.
Rät den Menschen in allen Lebenslagen,
Hört sich an die mannigfaltigen Klagen.
Auch beherrschte er die Gabe der Prophetie,
Hält ab die Leute von Übeln, von der Magie.

Eines Tages überkommt ihn die Vision,
Glasklar eröffnet sich ihm die Botschaft schon.
Ein Ende hat die Einsiedelei,
Ein andrer Mann Gottes er nun sei.
Er zieht nun stets hinab ins schöne Tal,
Wo die Menschen größer sind an der Zahl.

So spaziert Eusebius sehr gern und oft,
Über Wiesen, Äcker und dabei er hofft,
Zu sehen frommes Christenleben,
Menschen am Seelenkleide weben.
Dies denkend kommt er zu Bauersleut’.
Die an diesem Tag so gar nichts freut.

Geflucht wird da und noch mehr gesündigt,
Da hat Eusebius angekündigt,
Dass Ungemach des Himmels werde sie ereilen,
Sollten sie sich nicht demütig dereinst beeilen,
Solchem Treiben ein Ende zu setzten nun,
Denn das ist’s, was gute Christen sollten tun.

Die Bauern warn nicht erfreut an jenem Ort,
Und jagten den frommen Klausner schleunigst fort.
Dieser ließ sich nicht beirren,
Oder seinen Geist verwirren.
So predigte er munter wie an jenem Tage,
Wochenlang und versagte sich bei Gott die Klage.

Doch es kam ein Sonntag in der Sommerszeit,
Da Eusebius’ Augen wurden ganz weit.
Denn er traute diesen gar nicht recht,
Was er musst’ sehen, war mehr als schlecht.
Die Bauern schwitzen auf dem Felde,
Dachten nur an Profit, ans Gelde.

„Am Tag des Herrn muss die Arbeit ruhn!“,
Schreit er im Zorn, stampft auf mit den Schuh’n.
Die Bauern schworen, nun sei es aber genug.
Der Heil’ge nähm’ nun seinen letzen Atemzug!
Schon hoben sie die scharfen Sensen an,
Und schlugen den Kopf ab dem edlen Mann.

Eusebius nimmt das abgetrennt’ Haupt untern Arm,
Freilich hatte dieser schaurige Akt recht wenig Charme.
Wandert nach Viktorsberg zu seiner Klause,
Und geht ein in das himmlisches Zuhause.
Doch des Himmels Zorn war nun frei entfacht,
Schrecklich zeigte sich Gottes große Macht!

Schwefelgelb und schwarz wurde nun das weite Firmament,
Blitze zucken, Donner grollt, das verdorbne Volk, es rennt!
Die Bauern zittern, ihnen wird Angst und Bange,
Naturgewalten nehmen sie in die Zange!
Da tut sich auf der Erdenboden, da gab es kein Bewahren,
In die Hölle sind sie alle zu Recht hinab gefahren!

Donnerstag, 3. Juni 2010

Sankt Georg der Drachentöter

In einem See, welcher tief und dunkel,
Wohne ein Untier, ging das Gemunkel.
Doch wer an jenem Ort wohnte, wusst’s genau:
Ein feurig’ Drache lebte in dem feuchten Bau.
Und wie es Drachen so `mal an sich haben,
Bereiten sie den Menschen reichlich Plagen.

Gefräßig war das glitschige Schuppentier,
Sein stinkend’ Atem verdarb der Gegend Zier.
Land und Wasser wurden allesamt zur Gefahr,
Glücklich wer ferne der Stadt und dem See nur war!
Guter Rat schien bald mehr als teuer,
Drückend war dieses Drachen Steuer.

Zwei Schäfchen am Tage warf man dem Drachen,
Voll Widerwillen in den feurig’ Rachen.
Nur so hatten die Menschen ihre Ruh’,
Doch bald schon drückte aufs Neue der Schuh.
Der Schafe waren da endlich keine mehr,
Sie fielen anheim des Tyrannen Verzehr.

Man befragte das alte Orakel,
Mit Brimborium und viel Spektakel.
Es sprach, als Opfer diene nun der Mensch, ob gut ob bos’!
Allein zu entscheiden hätte das altbewährte Los.
So war es nun abgemacht und angewandt,
Es starben viele in jenem traurig’ Land!

Das Schicksal wollt’ dass des Königs Tochter wurd’ auserkoren,
Ihr Leben ward scheinbar gerichtet und jung schon verloren.
Der König weinte ob seinem lieben Kinde,
Er schrie sein bittres Leid in alle vier Winde.
Denn erst als das Volk wollte niederbrennen sein Haus,
Lieferte er sein Töchterchen dem wild’ Pöbel aus.

Die Prinzessin wird vor die Stadt geführt,
Mit Prachtkleidern, als Opferlamm gekürt.
Sie lehnt sich an einen schroffen Felsen an,
Schluchzt und klagt, das Tränenwasser reichlich rann.
Es schien die Jungfrau würd’ gleich verzehrt,
Doch war es grad anders ihr beschert.

Ein edler Ritter auf weißen Pferd hört’ die Klagen,
In strahlend’ Rüstung und zögert nicht es zu wagen,
Die Dame nach dem Grund der Trübsal anzugehen.
Die legt ihr Schicksal dar, wagt nicht ihn anzuflehen.
Er jedoch, als Georg sich hat vorgestellt, redet ihr zu:
Mit diesem Unheil hätte es nun endgültig seine Ruh’.

Noch eh’ er die Worte hat zu Ende gesprochen,
Fängt des Sees Wasser teuflisch-brodelnd an zu kochen.
Ein gewaltig’, abscheulich’ Drachentier,
Steiget aus den Höllengründen herfür.
Es stinket die Luft, es zischt und faucht,
Der Ritter ist da, wie man ihn braucht.

Zwar schreit die Jungfrau fürchterlich,
Doch Georg sagt: „Fürchte dich nich’!“.
Steigt auf sein Ross und bittet Gott um Beistand und Ansporn,
Jetzt schlägt er die Höllenausgeburt in gerechtem Zorn.
Die spitze Lanze wird kraftvoll hoch angehoben,
Und kraftvoll zwischen die Drachenrippen geschoben.

Das schwarze Blut spritzt, getroffen sinkt das Tier danieder,
Streckt schnaubend, keuchend, verwundet seine wehen Glieder.
Georg gebot der Prinzessin den Gürtel zu legen,
Um des Tiers Hals, so könne man’s in die Stadt bewegen.
Im Triumphzug wird der Drache vorgeführt,
Alle jubeln und freuen sich, wie’s gebührt.

„Seht her! Alleine mit Gottes Hilfe tat ich dies!“,
Sprach Georg, dabei er auf den Verletzten verwies.
„Bekehrt euch zu seiner Majestät, entsagt der Götzengier,
So will ich töten den Drachen vor all’ euren Augen hier!“
Beweis war das den Leuten am Ort mehr als genug,
Man bekehrte sich und legte ab den alten Lug.

Als erster ließ sich der König taufen,
Dann kam das Volk zu Jesus gelaufen.
Sein’ reichlich Lohn wollte Georg er nicht behalten,
Gab’s gerne den Armen und den kranken Alten.
Machtvolles Zeugnis legte dort Sankt Georg ab,
Über das, was der Glaubende zu tun vermag!

Mittwoch, 2. Juni 2010

Gedichte III

Nichtvergebene Sünde

Es stiehlt der eine dem anderen sein Gut,
Es schlägt ein weiterer seinem Bruder ins Angesicht.
Da nimmt sich einer eine Frau mit roher Gewalt.
Wieder einer lebt glücklich vom Betrug.
Sein listig’ Nachbar liebt gar heiß den Lug.
Auch sind da jene, die Kriege anzetteln ohn’ Halt,
Die ganze Völker vernichten, bis auf den kleinsten Wicht.
Dies alles erzürnt und macht uns große Wut.

Bei Reue wird vergeben, keiner ist endgültig abgestorben.
Nur eine Sünde ist es, die wird erlassen mitnichten.
Denn keiner ist abscheulicher sowie zutiefst im Mark verdorben,
Als derjenige, der möchte über die Gottheit richten!


Wahre Helden

Einst galt der Götter Liebling als bewundernswert,
In jedem heißen Kampf siegte sein ehern Schwert.
Dem Zeus und seinen Gefährten gefiel es gut,
Wenn einer trug in sich die heiße Kampfesglut.

Dann kam der edle Ritter in Mode, der ohne Scham,
Zu gefallen suchte einer ebenbürtigen Dam’.
Ein tyrannisch Drache war da zu besiegen,
Die Lanze brachte das Untier zum erliegen.

Der heroische Mensch der neuen Zeit,
Brachte es so schien es noch mal so weit.
Ohne Führung, nur aus seiner eigenen Kraft,
Bewunderte er sich selbst, seine Meisterschaft.

Dann trat die moderne große Trübsal ein,
Alles vermeintlich Große entpuppte sich als Schein.
Der Mensch wurd’ zynisch, bestritt alles Heldentum,
Selbst des Begabten Zunge bliebt von nun an stumm.

Doch etwas, bleibt zu allen Zeiten hell im Glanze,
Die einzige wahre goldene Ruhmeslanze,
Die je bestanden hat, ist jene aus dem Glauben alleine,
Die zu halten nur gebührt dem Heiligen mit wahrem Scheine.


Geburtstagsgruß

Der Jahre sind manche vergangen,
Hochs und Tiefs zuweilen sie sangen,
Dir das Lied, so manches man auch vergisst.
Doch bleib nur immer so, wie du grad bist!


Zahnstocher

Ein winzigkleines Stückchen von einem gar feinen Schweineschnitzel,
Verfing sich zwischen zwei Zähnen, nebst Brösel von einem Stanitzel.
Schnell griff der Speisende nach dem Stocher aus Holz,
Bevor er trank als Kenner den Likör von Bols.
Doch oh weh, viel zu eifrig war damit das Knäblein.
Schluckte hinunter das spitzige Stäblein.
Im Magen bohrte es sich in dessen Wand wie ein Span in den Zeh,
Von dem bösen Moment an tat ihm im Leibe alles nur noch weh!


Das Leben als Pflicht

Stolz glaubt der Mensch sein Dasein selbst zu richten,
Jedes Problem ließe sich am Ende schlichten.
Das Ego freut sich stets an sich selbst und lacht,
Sagt man die Wahrheit, es habe keine Macht.
Und geschieht etwas, das lässt sich nicht lösen,
Schreibt man es eben dem Schicksal zu, dem bösen.
Nicht leicht ist es drum einzusehen:
Dass nur dein Wille soll geschehen!
Am Ende bleibt doch schlicht:
Das Leben ist `ne Pflicht!


Regen und Sonnenschein

Den Regen mag man meist nicht leiden,
Versucht durch Flucht ihn oft zu meiden.
Auch wenn die Landwirtschaft ihn kann gut gebrauchen,
Lieber wäre es, er würde schlicht verrauchen.
Doch steht die Sonn’ gar zu lang am Himmel dann,
Fragt der Naturliebhaber sich wo und wann,
Wird der Niederschlag sich nur wieder zeigen?
Die Hitze tut nicht gut des Gartens Zweigen.


Im Schatten

Man stelle das Licht nicht unter den Schemel,
Wirft Perlen nicht vor die Säue.
Warum nur verbirgst du dich in der Katakombe.
Was du zu sagen hast, schlägt ein wie eine Bombe!
Zeige der Welt deine Schläue.
Reif ist die Zeit für dich, mein lieber Demel!


Der Sack in der Ecke

In der Ecke steht ein alter Sack,
Was drin ist, scheint mir ein rostig’ Wrack.
Einst ersoffen darin die jungen Katzen,
Das waren damals so die alten Matzen.
Heute kennt man den Brauch nicht mehr,
Das freut das Miezentier gar sehr.


Almwirtschaft

Auf der Alpe grasen bald wieder die Kühe,
Der Küher* hat Dienstbeginn in aller Frühe.
Schon bei Felder** hieß es, das sei ein gesund’ Ding
Kurierte so manchen bekannten Sonderling.
Heut tut es immer noch sehr gut,
Stärkt Charakter und Lebensmut.

* Ein Kuhhüter auf der Alp
**der Schriftsteller Franz Michael Felder


Sicherheit

Auf Sand soll man sein Leben nicht bauen,
Nur der Wesen Tiefe kann man trauen.
Alles, was vergänglich ist, das dient nur als Baumaterial,
Es ist nur Materie und wird mit der Zeit von selber schal.
Wonach kann man sich denn richten?
Welch’ Ding muss man dazu sichten?
Das Ewige ist uns eingegeben,
Am Weinstock wachsen die süßen Reben.
Wer von dieser Welt, kann niemals völlig sicher sein,
Wer in der Welt aber nicht von ihr, dem winkt Heil allein!

Sonntag, 30. Mai 2010

Der Heilige Fridolin

In uralten Zeiten, als im Dunkeln die Geschichte webte ihr Kleid,
Die Menschen in tiefstem Heidensumpf trugen ihr Leid,
Ward ein gar frommer Mann von Gott berufen,
Werke zu tun, wie sie die Heil’gen schufen.
Mit fränkisch Namen, doch aus Irland, so die Tradition.
Wilde Alemannen zu bekehr’n, war die Mission.

Sein Landsmann Kolumban ging ihm bekehrend voran,
Im Kloster Luxeuil begann Fridolin die Laufbahn.
Auch wohnte er der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig bei,
Der Weg zum Christussieg über die Heiden war damit frei.
Noch in Gallien mit viel Geschick und Enthusiasmus,
Drängte er zurück den lästerlichen-ketz’risch Arianasmus.

Des Fridolins großes Ideal im Bekehrungsfragen,
War der Heilige Hilarius, der es mochte wagen,
Im Disput alle Irrtümer auszuräumen,
Brachte er auch die Gegner zum wilden Schäumen.
So pilgerte der fromme Ire einstmals nach Poitiers gen Westen,
Um zu beten an des Hilarius sterblich’ Überresten.

Doch als er sah dessen Kirche dort in Trümmern liegen,
Gelang es ihm mit Gespür das Volk so weit zu kriegen,
Dass das Gotteshaus von neuem erstand in hellem Glanze,
Im Himmel droben spielten die Englein auf zum Tanze.
Der König schenkte ihm obendrein viel wertvoll Gut,
Fridolin selbst fasste nun noch weitaus größeren Mut.

Einst legte sich der fromme Glaubensmann unter einen Baum und schlief,
Da erschien ihm ein Gesicht Gottes, das seinem Wesen nach sehr tief.
Eine gar liebliche Insel umflossen von einem Strome schnell,
Dort sollt’ er hinziehen, war ihm geboten, das sah er ganz hell.
Aufgewacht, war ihm nun klar, was seine zukünftige Mission.
Denn alles andere, mit Gottvertrauen, das richte sich schon.

So kam er den Rhein entlang bis in die Berge, bis nach Chur,
Wo er den Bischof befragte und so von diesem erfuhr,
Dass die Insel, wie im Traume erschienen, läge im Alpenflusse.
Fridolin findet sie, gründet das Kloster und gönnt sich keine Muße.
Heute kennt man den Ort unter dem Namen Säckingen am Rhein,
Damit lasse ich die Geschichte aber noch mitnichten zu Ende sein.

Denn mehr noch erzählt man sich von dem berühmten Mann.
Wir wollen sehen, was dieser sonst noch alles kann.
Chlodwig der große Frankenkönig, schenkte ihm die Insel, die er gefunden,
Dies alles wurde offiziell und amtlich gemacht mit Siegeln und Urkunden.
Der Kanton Glarus wurde von Fridolin zu Christus gebracht,
Die Hilariuskirchen haben den Kantonsnahmen gemacht.

Auch ein Edelmann mit Namen Ursus schenkte Fridolin reich’ Besitz,
Doch als der Schenker ging von dieser Welt, trat dessen Bruder auf wie ein Blitz,
Bestritt die Schenkung, forderte alles für sich ein.
Da konnte Fridolin nun nicht mehr sanftmütig sein.
Es kam zum Streit vor dem Gerichte zu Rankweil,
Ausgegraben war das rechtliche Kriegsbeil.

Das Gericht konnte den Fall daselbst nicht entscheiden,
Es bräuchte Zeugen, das ließe sich nicht vermeiden.
Landolf der Habsüchtige, sah sich schon als Sieger,
Da hülfe doch nichts mehr dem frommen Gotteskrieger.
Doch dieser vertraut’ auf den Herrn und dessen Gerechtigkeit,
Macht’ sich nach Glarus auf und steht bald vor Ursus Grab bereit.

„Steh auf von den Toten, ich brauche dich noch!“
Gebot er dem Verschied’nen im Grabesloch.
Das Gerippe erhebt sich und folgt ihm zum Richterstuhl,
Auf dass Landolf sich ja nicht in seinem Triumphe suhl’.
Bleich wird dieser, erstarrt ist sein Angstgesicht.
Überzeugt hat des Toten Spruch das Gericht.

Landolf wurde nun ein innerlich Bekehrter und bat ihm zu verzeihn,
Ebenso setzte er nun den Fridolin als rechtmäßig’ Erben ein.
So blieb über Jahrhunderte ein Viertel des Glarus in Säckinger Besitz bestehen,
Bis sich loskaufte der Kanton, das konnte man dann 1395 sehen.
Bis heute sieht man zu Säckingen jährlich eine farbenprächtige Prozession,
Mit Fridolin im Silberschrein, der erhielt von Himmel und Erde so reichen Lohn.

Sonntag, 16. Mai 2010

Der Zelot

Die Schleusen des Himmels hatten sich geschlossen, der aufkommende warme Sommerwind zerriss die grauweißen Wolken und ließ die warmen Strahlen der Sonne wieder auf die Erde fallen. Schon trocknete der Asphalt und verdunstete mit dem ganz eigenen Geruch, der entsteht, wenn Feuchtigkeit in der warmen Luft des Sommers aufsteigt. Die Menschen, die vorher noch drohten in einander zu laufen und sich die Köpfe zu stoßen, da sie mit schnellen Schritten und gesenkten Blicken über den Bürgersteig huschten, um so schnell als möglich ein trockenes Dach über die Köpfe zu bekommen, liefen nun wieder gemächlicher an den bunten Schaufenstern und leuchtend rollenden Plakaten der Einkaufsstraße vorbei.

„Kehret um, bekennt eure Sünden und tut Buße!“, die Worte übertönten die Schritte und den Lärm des zunehmenden Spätnachmittagverkehrs. Der Mann, der sie sprach, stand auf einem umgedrehten Bierkasten. Seine dunklen, schütteren langen Haare hingen in nassen Strähnen herunter, seine Augen blitzten vor Feuereifer und seinen Lippen entsprang eine Stimme, die nicht von dieser Welt zu sein schien. Er hatte sich durch den Regen nicht beirren lassen und stand wie ein wachhabender Soldat fest und verkündete sein Wort. Zu seinen Füßen hatte er ein Schild aufgestellt auf dem „Jesus liebt Euch!“ mit dicken Lettern geschrieben stand.

„Oh ihr Sünder, erkennt ihr nicht, dass nicht errettet wird, wer nicht die Brücke ins Heil betritt! Wer nicht umkehrt, wird verworfen und der Herr gewährt ihm keinen Aufschub! Verdammnis ohne Erleichterung soll dann sein! Da wird Heulen und Zähneknirschen kommen!“
„Halts Maul, alter Spinner!“, schrie ein junger Mann mit Ziegenbart und Baseballmütze.
„Fahr doch selbst zur Hölle!“, kam es von einem älteren Herrn, der einen Hund an der Leine führte. Eine Frau mit Stock und blauem Hut drohte gar dem Prediger eins überzuziehen, wenn er nicht sogleich verschwände.

„Der Weg ist schmal und nur wenige gelangen durch die enge Pforte ins Himmelreich!“, fuhr dieser jedoch unbeirrt fort, immer mehr vom Geschrei der Umherstehenden überschrieen. Doch gerade dieser Umstand stachelte seinen Eifer noch mehr an und ließ ihn zum finalen Schlag ausholen. „Ihr, die ihr Augen habt und nicht sehet, die ihr Ohren habt und nicht höret, werdet in die tiefste Hölle verbannt! Das lodernde Feuer der feurigsten aller Höllen ist für euch bereitet und eine Gnade wird euch nicht zuteil werden, bis in alle Ewigkeit sollt ihr Leid ertragen und euch wünschen zu sterben, doch ihr werdet nicht sterben können, denn ihr seid auferstanden, doch wurdet ihr nicht erlöst! Durch euren eigenen Unwillen habt ihr euch selbst gerichtet und so seid ihr zurecht dem Fürsten der Finsternis zu ewigen Qualen übergeben worden!“

Eine große Menschenmenge hatte sich wie Trauben an der Rebe um den Prediger versammelt und war inzwischen so laut geworden, dass von seinen Worten nichts mehr zu hören war. Nur noch seine bebenden Lippen und sein kirschroter Kopf zeugten von seiner Erregung und davon, dass er immer noch am sprechen war. Da flog plötzlich ein Apfel aus der Menge heraus und erwischte den Mann an seiner Brust, es folgte eine Tomate, die ihn am Kopf traf und dort zerbarst. Unter lauten Beschimpfungen und Erniedrigungen packte er seine wenigen Sachen und machte sich auf und davon. Er flüchtete in eine kleine Seitenstraße und verschwand bald im Eingang einer kleinen Pension, die von Durchreisenden mit kleinen Brieftaschen gerne benutzt wurde.

Der Speisesaal war bis auf den letzten Platz besetzt und das Geklimper von Besteck und Geschirr mischte sich mit dem lauten Stimmengewirr der versammelten Gäste. Nur ganz hinten, in der Ecke, direkt unter einem alten Kruzifix, saß ein Mann alleine an einem kleinen Tisch, den Kopf über tief seine Speise geneigt. Sein Blick würdigte keinen anderen, seine Miene alleine sicherte ihm seine Einsamkeit. Da trat ein Gast ein, ein Mann von etwa vierzig Jahren, groß von Statur, die den Sportsmann in ihm verriet. Nachdem er sich umgeblickt hatte und keinen freien Platz mehr finden konnte, drängt er sich zwischen den Reihen der Speisenden hindurch zum Tisch des Mannes in der Ecke. „Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze?“, frage er nun den dort sitzenden Sonderling. Dieser blickte langsam auf, ohne ein Anzeichen von einer Mimik erkennen zu lassen und nickte kaum merklich. Der athletische Mann setzte sich und bestellte bim Wirt das „Menü Nummer zwei“, die Rindsroulade mit Eierspätzle und Salat.

„Nun, gestatten Sie, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist Heiser, Rudi Heiser“, sagte der Mann und reichte seinem Gegenüber die Hand. Dieser ließ zögernd das Besteck in den Teller gleiten und kaute seinen Bissen Fisch, den er noch im Mund hatte, zu Ende. „Toni“, sagte er und zog nach einem kurzen Händedruck sofort seine Hand wieder zurück. Er wollte sogleich mit dem essen fortfahren, doch Rudi versuchte nun eine Gespräch zu beginnen: „Was für eine schöne Stadt? Woher kommen sie?“. „Heute ist Freitag!“, sagte Toni und deutete damit auf die Rindsroulade, die gerade serviert wurde. „Allerdings! Für mich heißt das, dass ich das ganze Wochenende zur freien Verfügung habe. Ich möchte mir die Stadt ansehen.“

„Ich meine das Fleisch!“, entgegnete Toni und seine Stimme hatte nun deutlich an Schärfe gewonnen. „Was ist damit?“, fragte Rudi ganz unschuldig, denn er konnte sich nicht vorstellen, was Toni meinte. „Herrgott noch mal! Man isst am Freitag kein Fleisch!“
Da kam eine laute Stimme vom Nebentisch, die einem wohl genährten Herrn gehörte, der gerade seinen Maßkrug kraftvoll auf den hölzernen Tisch stellte: „Bei dem sind Hopfen und Malz verloren, lassen Sie sich von ihm nicht den Appetit verderben!“
Toni warf dem Dicken einen stechenden Blick zu, beherrschte sich aber etwas zu sagen.
„Sehen Sie, das ist unser Prediger. Den ganzen Tag über geht er der Welt auf die Nerven und selbst am Abend kann er nicht Ruhe halten und reibt es jedem unter die Nase, wie heilig er doch ist. “Noch immer beherrschte sich Toni, doch sein Gesicht zeigte eine zunehmende Zornesröte, die Spannung in ihm war nicht zu übersehen. Doch der Dicke fuhr munter fort, er hatte so recht seinen Spaß an der Provokation. „Diese Gestalten sterben nie aus, ich sag es Ihnen, wo man auch hinkommt. Ich weiß ein Lied davon zu singen, schließlich ist man ja ein Mann von Welt und hat so ziemlich alles gesehen, was es zu sehen gibt.“

`Darum steigst du auch in so einer Herberge wie dieser hier ab!´, dachte sich Rudi, lächelte freundlich und wandte sich dann wieder seinem Gegenüber zu. Dieser jedoch war inzwischen derart wütend geworden, dass er seine Zunge nicht mehr im Zaum halten konnte: „Ihr Sünder, ihr verlorenen Schafe, den Gerechten könnt ihr nicht einmal in Ruhe sein Mahl zu sich nehmen lassen. Oh Herr, was muss ich doch für eine schwere Last tragen?!“
So fuhr er noch mit einige alttestamentarischen Redewendungen fort, erntete jedoch nur Hohn und Spott dafür. Rudi hingegen, war jetzt richtig interessiert an dem Sonderling, der von allen nur verlacht wurde und wollte unbedingt näher mit ihm ins Gespräch kommen. Die außergewöhnliche Persönlichkeit hatte ihn seit jeher gereizt und so bat er den Prediger nach dem Essen noch zu bleiben. Dieser war zuerst unwillig und wollte früh in seiner Kammer verschwinden, um für den nächsten Tag gerüstet zu sein, sein Missionswerk konnte schließlich nicht von unausgeruhten Kräften betrieben werden, doch als Rudi das Gespräch auf die Religion und den Glauben brachte, da entbrannte er sogleich für die Konversation und willige ein noch zu bleiben.

Die anderen Gäste waren nach und nach aus dem Speisesaal verschwunden, so dass sie jetzt die einzigen Gäste waren, die noch zurück geblieben waren. Rudi lud Toni auf eine gute Flasche Wein ein und so begann das Gespräch, nachdem die beiden sich das Duwort angetragen hatten, intensiver zu werden. .„Du bist also ein Prediger?“, fing Rudi an. „Ja, man muss doch etwas tun! Schau dir doch die Welt an! Überall nur Verfall, Sitte und Moral bedeuten heute nichts mehr. Die Menschen laufen nur noch dem Geld hinterher, der Mammon wurde zum Götzen. Und doch sind die Herzen der Menschen auf der Suche, aber sie wissen nicht wonach sie eigentlich suchen.“ „Ich denke nach dem Glück!“, warf Rudi ein. „Ja sicher nach dem Glück, aber damit gehen sie Satan leicht auf den Leim. Glück heißt für sie Sinneslust, Befriedigung der niedersten Begierden. Sie merken es nicht einmal. Das Fleisch ist ihnen wichtiger als die Seele geworden.“„Ich glaube, du hast nicht Unrecht, doch glaubst du deine Art zu sprechen ändert irgendetwas daran?“„Was soll man denn sonst tun? Ich habe mich selbst jahrelang nicht um solche Dinge gekümmert, ich dachte die Welt sei eben wie sie ist, man könne eben nichts tun. Dann ergriff mich eines Tages die Stimme des Herrn und mir war klar, dass ich eine Mission im Leben hatte, dass ich zu einem bestimmten Zweck geboren wurden und dass ich diesen Zweck auch erfüllen musste.“„Und du glaubst dieser Zweck liegt darin, Menschen zu belehren?“

„Natürlich. Sie müssen einsehen, dass sie Sünder sind! Ohne Eingeständnis der Sünde, kein Heil, darin war Jesus ganz klar! Da gibt es keinen Kompromiss. Aber die Menschen wollen davon nichts wissen, ihr Ego regiert ihr Leben, sie glauben alles selbst machen zu können, meinen es gäbe keine höhere Instanz. So ist es kein Wunder, dass es so aussieht, als ob Unrecht Gut eben doch gedeihe, wenn man nur schlau sei und sich nicht erwischen ließe, dann käme man auch davon. Ohne höchste Instanz wäre dem ja wirklich so.“ „Menschen wollen sich nicht beschimpfen lassen, zudem verstehen die meisten nicht, was unter Sünde zu verstehen ist. Man glaubt im allgemeinen Sünde sie sei eine Art von Verbrechen. Stell dir vor, jemand kommt auf dich zu und sagt dir, dass du ein Verbrecher bist. Wie würdest du darauf reagieren?“

Toni schlug kurz die Augen nieder, kratzte sich hinter dem Ohr und blickte dann Rudi wieder an. „So habe ich die Sache noch nie betrachtet. “Rudi nahm genüsslich einen Schluck aus seinem Glas, er schien sich zu freuen, dass er Toni für einen kurzen Moment lang nachdenklich gemacht hatte, denn bisher sprach er wie ein Wasserfall ohne Unterlass und in seiner Stimme lag eine Kompromisslosigkeit, die es sehr schwer machte nicht bald in Streit mit ihm zu geraten, wenn man nicht völlig mit ihm übereinstimmte.
„Ja aber, wie soll ich die Sünde dann erklären?“, fragte nun Toni.
„Erkläre, was sie wirklich ist. Der Graben, der den Menschen von Gott trennt, kommt das Wort ja selbst vom Germanischen „Sund“, dem Graben. Dass dieser Graben existiert, das werden ohnehin die wenigsten bestreiten, die sich einmal damit befasst haben.“
„Ja eben, aber wie bekomme ich die Menschen dazu, dass sie sich überhaupt dem Glauben zuwenden?“ „Der Glaube kann nicht von einem Menschen im anderen bewirkt werden. Niemand kann glaubend gemacht werden. Hab einfach vertrauen. Gott beruft den Menschen schon, nur er kann es bewirken, dass einer glauben kann. Glauben ist ein Geschenk, vergiss das nicht.“

„Wozu predigte ich dann überhaupt? es ist doch mein Auftrag!“„Vielleicht ist er das, vielleicht aber auch nicht. Was bist du eigentlich von Beruf?“ Toni war etwas verwirrt, dass nun das Gespräch eine andere Richtung nehmen sollte, doch er ging vorerst darauf ein, unter der Voraussetzung, dass er das Thema wieder auf den Glauben zurückbringen konnte.
„Ich? Ich war Anwalt.“ „Ein schöner Beruf. Aber warum war?“ „Ich habe mich ganz der Mission verschrieben. Und ich glaube, dass nirgendwo die Mission mehr gebraucht wird als hier in Europa. Ich konnte einfach keine Verbindung zwischen meinem Beruf und meiner Berufung herstellen. Als ich meine Berufung durch Gott wahrnahm, da war es für mich klar, dass ich einen neuen Weg einschlagen musste, ich konnte unmöglich so weiter machen wie bisher.“ „Was war dein Spezialgebiet als Anwalt?“ „Ich war Partner einer gut gehenden Kanzlei in Basel. Ich war für Gesellschaftsrecht zuständig.“

„Warst du erfolgreich?“, Rudi bereute schon diese Frage gestellt zu haben, denn sie schien ihm jetzt nicht nur zu direkt zu sein, sondern er sah auch den nachdenklichen Gesichtsausdruck seines Gegenübers. Doch dieser antwortete ganz offen: „Oh ja, sehr, allzu sehr sogar. Ich hatte Klienten, die zu den reichsten Menschen der Welt gehörten. Verstehst du? Da ging es nicht um Millionen, sondern um Milliarden!“ „Dann hast du sicher einiges gesehen?“ „Natürlich. Und das war dann auch der Grund, warum ich nicht mehr als Anwalt arbeiten konnte. Ich wachte eines Morgens auf, sah in den Spiegel und was ich da sah, das konnte ich nicht mehr als mich selbst erkennen. Mir wurde schlecht! Ich fragte mich, was aus meinen Idealen geworden war. Hatte ich mich tatsächlich in das verwandelt, was ich nie werden wollte? Ein geldgieriger Hai, der keine Skrupel mehr kannte! Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass es genau so war.“
Jetzt setzte Toni ab und seine Augen wurden etwas feucht. Er nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas und leerte es damit. Rudi schenkte ihm noch einmal von dem herrlichen Rotwein nach.
„Und die Menschen, zu denen du jetzt sprichst, wie kommen die dir vor?“
Toni war erstaunt über diese Frage. „Nun, sie sind mir zu „verweltlicht“, ich sehe in ihnen vieles von dem, was ich selbst verabscheue, ja was ich auf das tiefste verdamme."
„Du meinst, so, wie du früher warst?“ Toni wich etwas zurück, diese Worte trafen ihn wie unvorbereitete Pfeile. Es war zu spät noch einen Schutzschild dagegen anzulegen. Er wurde ganz still und gab dann kleinlaut zu: „Da hast du nicht Unrecht.“ Leicht schüttelte er den Kopf vor sich hin und blickte dabei auf den massiven Eichentisch, auf dem er seine Arme aufgestützt hatte. „Ja, du hast Recht, so ist es, ich sehe in der Welt das, was ich nicht sehen will, ich sehe mich selbst, wie ich vor meiner Verwandlung, vor meiner Wiedergeburt im Geiste war.“

Rudi legte ihm die Hand auf die Schulter: „Wir alle stehen einmal vor der Welt und erkennen, dass wir darin uns selbst erblicken können. Und das erschreckt uns dann, weil wir sehen, dass der Kampf, den wir im Äußeren führen seinen Ursprung im Inneren hat.“ Die beiden schwiegen für ein paar Augenblicke, dann begann Toni: „Bist du Psychologe oder noch schlimmer, ein Psychiater?“ „Ich muss dich enttäuschen, ich bin nur ein Mensch, ein ganz einfacher Mensch, mein Freund.“ „Weißt du, was ich tue, das tue ich im Grunde aus Liebe zu den Menschen“, setzte Toni fort. „Ich weiß, aber Liebe ist mehr als nur Gutes für andere zu wollen. Wenn wir Gutes tun wollen, dann müssen wir es auch so tun, dass dem anderen etwas gegeben wird, was er auch gebrauchen kann. Nicht umsonst heißt es ja, dass das Gegenteil von Gut nicht Böse sei sondern `gut gemeint´“ „Du hast Recht, meine Erfolge waren bisher auch nicht allzu groß. Ein paar Leute konnte ich bekehren, einer arbeitet nun mit mir zusammen, er ist gerade in Hamburg und Bremen unterwegs, um dort Leute zu gewinnen.“ „Das beste Zeugnis für den Glauben ist das Leben des Gläubigen selbst.“ „Ja, aber wer sieht es denn?“ „Das sieht man schon, hab einfach Vertrauen. Die Menschen sind verunsichert, sie haben viel zu lange von anderen gehört, wie sie leben sollen. Es ist verständlich, dass sich das heute Menschen nicht mehr gefallen lassen wollen. Und damit haben sie völlig Recht. Freiheit ist doch das, was dem Menschen gebührt. Dass dabei viele Menschen sich irren und falsche Wege gehen, dass die Freiheit nicht in der Willenserfüllung, sondern in der Erfüllung der eigenen Mission liegt, das zu verstehen, ist nicht leicht. Frei wird der Mensch ja gerade dadurch, dass er sich unterordnet, aber nicht einem Menschen, einer Idee, eine Ideologie, nein nur dem, was in ihm selbst von Gott angelegt wurde. Wenn das den Menschen klar wird, dann können sie auch wahre Freiheit finden, aber das erreicht man nicht dadurch, dass man indoktriniert oder Befehle erteilt. Das sind die alten Methoden, die die Menschen heute zu Recht ablehnen. Das Christentum ist die Botschaft der Liebe, aber Liebe heißt Dinge auch sein lassen zu können, nicht einzugreifen, selbst wenn einer fehl geht." „Du meinst, ich soll mein Vorgehen ändern?“, kam es von Toni. „Das weiß ich nicht zu sagen, die Antwort darauf liegt in dir selbst. Mag sein, dass dem so ist. Aber vergiss niemals die Liebe zu den Mitmenschen. Deine Predigten haben Feuer und du hast eine flinke Zunge und weiß aufzutreten, doch verhärtest du die Herzen der anderen durch die Art, wie du dies machst. Andere Zeiten erfordern anderes Vorgehen. Die Botschaft bleibt die gleiche, doch das Gefäß indem das `Wasser des Lebens´ gereicht wird ändert sich müssen.“ Toni war ganz still geworden. Je länger das Gespräch gedauert hatte, desto weniger hatte er und desto mehr hatte Rudi gesprochen. Etwas, das Toni nicht gewohnt war, weder in seinem alten Beruf als Anwalt noch jetzt in seiner neuen Profession als Prediger.

Der Abend war spät geworden und es war bereits kurz vor Mitternacht, als Rudi und Toni sich trennten und in ihren Zimmern verschwanden. In dieser Nacht schlief Toni äußerst unruhig und wachte alle zwei Stunden wieder auf. Das Gespräch des Abends ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, die Gedanken rumorten in seinem Gehirn und trieben ihm den Schweiß auf die Stirn. Am Morgen, als die ersten Strahlen der hellen Morgensonne durch die Gardinen ins Zimmer fielen, stand Toni auf und begab sich nach der Toilette in den Speisesaal im Parterre. Es war noch kein Mensch anwesend, da es noch sehr früh war und das Personal gerade erst, frische Semmeln, Kaffee und Milch aufzutischen. Da trat der Wirt und der dicke Herr von gestern Abend in den Raum und Toni grüßte sie sehr freundlich. Dieser leibgewaltige Herr setzte sich sogar zu Toni an den Tisch und sie unterhielten sich zum ersten Mal hervorragend miteinander. Das Gespräch kam nie auf die heiklen Themen des Vorabends. Etwas zögerlich fragte Toni den Herrn, der sich als Alfons G. aus Gütersloh vorstellte, ob er etwas über Rudi Heiser wisse, der gestern mit ihm am Tisch gesessen hatte. Da wunderte sich Alfons, da er keinen Mann an seinem Tisch bemerkt habe. Zuerst glaubte Toni, er wolle einen üblen Scherz mit ihm treiben, unterließ es dann jedoch weiter darüber zu sprechen.

Als die beiden das Frühstück zu sich genommen hatten, stand Toni auf und trat auf den Flur hinaus. Dort begegnete ihm der Wirt und er fragte diesen, ob er wisse, wie lange Herr Heiser noch in der Stadt weilen würde. Der Wirt entgegnete, dass es keinen Herrn Heiser als Gast in seiner Pension gäbe. Als Toni ihm die Zimmernummer nannte, da versicherte ihm der Wirt, dass dieses Zimmer leer stünde und heute Nacht unmöglich ein Gast dort übernachtet hätte. Auf Drängen von Toni gingen die beiden nach oben und schlossen die Tür zu dem besagten Zimmer auf. Doch zur großen Überraschung Tonis war das Bett unbenutzt, auch die Nasszelle wies keine Spuren eines Gebrauchs auf. Er glaubte verrückt zu werden und schlich sich etwas beschämt am Wirten vorbei, der ihn mitleidig ansah. Noch am selben Tag verließ Toni die Pension und die Stadt.

Einige Monate später sah man Toni als Anwalt für Menschenrechte in seiner schweizerischen Heimat arbeiten. Er hatte endlich seine wahre Berufung gefunden. Zwar predigte er immer noch gerne, seine Eloquenz kam ihm bei seinem Beruf ja sehr entgegen, doch zog er nun die Tat dem bloßen Wort vor. Er wurde zum moralischen Vorbild für viele Menschen und genoss bald großes Ansehen bei sämtlichen Kreisen der Gesellschaft. Wann immer es einer hören wollte, so offenbarte er das Fundament seiner Stärke, den lebendigen Glauben in seinem Leben, doch rieb es dies, anders als es früher seine Gewohnheit war, niemandem mehr unter die Nase. Von dem geheimnisvollen Rudi Heiser jedoch, hat er niemals mehr etwas gehört.