Donnerstag, 22. April 2010

Küachlesonntag

Die folgende Geschichte ist eine freie Fassung der Legende der Jahre 1405/1406, als die Bauern in Vorarlberg angeblich die Burgen ihrer Zwingherren stürmten und in Brand setzen. Demzufolge geht der einheimische Brauch des Funkenabbrennens (eine Art hoher Turm aus aufgeschichtetem Holz, der in jeder Gemeinde des Landes errichtet wird) und des Backens von „Küachle“ am ersten Sonntag nach dem Aschermittwoch auf dieses Ereignis zurück. Historisch wahrscheinlicher sind jedoch kriegerische Auseinadersetzung mit den Appenzellern. Die Tostnerburg wurde jedenfalls von diesen im Jahre 1405 mit Hilfe von damals modernstem Belagerungsgerät angegriffen und zerstört.
Die hier vorliegende Geschichte ist eine freie Schöpfung des Autors und dient der humorvollen Unterhaltung. In diesem Sinne sollte der nun folgende Text auch gelesen werden.


Ein strenger, schneereicher aber kurzer Winter hatte sich dem Ende zu geneigt und war in einen milden, zartgrünen Lenz übergegangen, der die jungen Triebe bald sprießen und frisches neues Leben auf Wald und Flur prächtig sich entfalten ließ. Die Bauern schwitzten wieder auf den Feldern und tief grub sich der Pflug, vom Ochsen gezogen, in den feuchten Ackerboden. Die Saat wurde der Erde übergeben und die braven und fleißigen Bewohner des breiten, vom Rhein durchzogenen Tales, gaben ihrer Hoffnung auf eine reiche Ernte Ausdruck. Arbeitsam waren sie die Menschen dieses Landstriches, und es gelang ihnen mehr aus dem Boden heraus zu holen, als dies die größten Optimisten erwarten konnten, denn durch übergroße Fruchtbarkeit zeichnete sich die Gegend am Ausgang der Alpen, die sich zum Bodensee hin öffnet, nicht gerade aus. Ganz anders als im Schwabenland, mit seinen üppigen Obstgärten und Getreidefeldern, mussten die Bauern im Vorarlbergerischen schwer arbeiten, um es zu bescheidenem Wohlstand zu bringen. Und doch gelang es ihnen Scheffel auf Scheffel anzuhäufen und die Kornkammern waren bald bis zum Rand gefüllt mit dem Gold des Landes.

Nun war es aber in diesem Lande so, dass auf den Anhöhen, die sich teils an den Ausläufern der Berge, teils auf selbständigen Erhöhungen in der Ebene erhoben, Zwingherrn in ihren düsteren, dick bemauerten Burgen hausten und das Volk mit schweren Steuern belasteten. Was der Bauer im Schweiße seines Angesichts buchstäblich aus dem Boden heraus gestampft hatte, wurde von diesen noblen Herren abgepresst, und wer sich nicht unterwarf, dem wurde die eiserne Faust bald zum bitteren Verhängnis. Als die Last zu Beginn des fünfzehnten Jahrhundert gar zu groß wurde, kochte der Volkszorn derart hoch, dass sich die Bauern aus dem ganzen Land in einem Wirtshaus in Rankweil trafen, um dort zu beratschlagen, was man denn tun konnte, um sich der drückenden Herrschaft zu entledigen. Bald kristallisierten sich zwei Lager heraus. Das eine, angeführt von den Bauern des unteren Rheintales, plädierte für eine vermittelnde Lösung. Sie hielten es für das Klügste mit den Burgherren in Verhandlungen zu treten und an deren Verstand zu appellieren. Und sollte damit kein Erfolg zu erzielen sein, so würde man noch immer zum letzen Mittel, dem Gefühl für die christliche Nächstenliebe, greifen können. Die andere Partei, angeführt vom Schoppernauer Bauern Jodok Moosbrugger, hielt von derartigem Vorgehen nichts. Die „großkopferten“ Grundherren seien noch nie auf solches Betteln und Flehen eingegangen und überhaupt hätte man ja auch als einfacher Bauersmann seinen Stolz und deshalb sei die Axt einem in solchen Angelegenheit auch allemal näher als der Olivenzweig. Auch der Pfarrer von Frastanz, Severin Wasserträger, sprach sich für die radikalere Lösung aus und hielt eine Brandrede, die ihresgleichen suchte. „Dürfen wir es zulassen, dass der gute und fromme Bauer, der keusch lebt, zu allen seinen Heiligen betet, reichlich Opfergaben darbringt und schwer sich sein Leben verdienen muss, von den gottlosen Grundherren, die alles verprassen und dem Teufel in den Rachen werfen, bis aufs Blut aussaugen zu lassen?! Wir dürfen es nicht! Drum lehnt euch auf ihr guten Leute! Die Flamme der Empörung wird diese Schande hinweg brennen!“ So sprach er, und die Anhänger der moderaten Partei liefen scharenweise zu den Radikalen über. Doch ein kleiner Teil blieb dennoch ihrer Sache treu.

Das Bier floss reichlich an jenem Frühjahrsabend und beinahe wäre es noch zu einer handfesten Kabbelei zwischen den beiden Parteien gekommen. Nur der vermittelnden Rede eines Kapuzinerpaters war es zu verdanken, dass den herben Worten keine ebensolchen Taten folgten. Man schickte die wenigen Unterländer Bauern, die nicht zu den Waffen greifen wollten heim auf ihre Höfe. Die anderen blieben zu Rankweil und die Pläne wurden nun endgültig geschmiedet. Es war beschlossene Sache, die Bauern aus dem ganzen Lande sollten am kommenden Freitag nach vollbrachtem Tagwerk, sich auf den öffentlichen Plätzen der Orte sammeln, sich mit Feuer, Spaten und Heugabeln bewaffnen und gemeinsam die Burgen der Zwingherren stürmen und jene mit Geschrei und viel Tamtam zum Teufel jagen.

Die Woche brach an und ohne, dass ein Sterbenswörtchen zur Obrigkeit durchdrang, schien alles den gewohnten Gang zu gehen. Die Bauern schienen noch schwerer zu schwitzen als sonst. Fast glaubte man, sie wäre mit dem Teufel im Bunde, denn eine geheimnisvolle Kraft schien sich ihrer bemächtigt und sie mit Kräften ausgestattet zu haben, die manchem gar unheimlich erschienen. Ein frommer Heiliger aus dem fernen Irland wanderte in jenen Tagen durch den schönen Walgau und als er gerade unterhalb der Burg Jagdberg, fromm betend im Wald sich hingekniet hatte, erschien ihm der Erzengel Michael und teilte ihm die üblen Pläne er örtlichen Bauern mit. Sogleich sprang der fromme Fremdling auf und eilte schnurstracks auf den Hügel zur Burg hinauf, um den dortigen Burgherrn vor dem bevorstehenden Übel zu warnen. Dieser jedoch jagte den guten Mann mit einem Fußtritt von seinem Hof und wäre der Heilige nicht dank seiner Frömmigkeit (und des vielen Fastens) so leichtfüßig gewesen, so hätten ihn die wilden Hunde des Burgherrn zu fassen bekommen. Doch der gute Ire ließ sich nicht beirren, musste man doch als frommer Heiliger gute Werke vollbringen, und so eilte er auf die andere Talseite zur Burg Ramschwag. Doch auch dort, ebenso wie auf Blumenegg, war die Spitze eines Stiefels noch das Mindeste, das er zu spüren bekam. So konnte der Heilige kein gutes Werk vollbringen, zog sich in eine Höhle oberhalb von Bludenz zurück und wollte von dort aus das Kommende beobachten.

Der Freitag kam mit Riesenschritten und als es drei Uhr Nachmittags vorbei war und nach dem Gedenken an den Heiland, da die Bauern ihr Tagwerk beendet hatten, sammelten sie sich auf den Gemeindeplätzen allerorts. Ganz wild war es in Frastanz, wo Pfarrer Wasserträger, seine Leute in der Pfarrkirche selbst antreten ließ, sie dort, wenn nötig bewaffnete, und ihnen letzte Instruktionen gab. Der gute Pfarrer ließ sogar das Fleischverbot am Freitag unter den Tisch fallen und verteilte eben höchstpersönlich Kraftsuppe und Fleisch an seine wackeren Kämpfer, damit sie auch genug Kraft hätten, das vom Himmel gewollte Werk zu vollenden. „Gott will es!“ schrie der Geistliche, voller heißem Enthusiasmus, von der Kanzel herab und versprach Vergebung aller Sünden für jeden, der am Kampf teilnahm. Er selbst führte die Frastanzer Bauern mit Weihwasser und Kreuz bewaffnet gegen die Zwingherren an.

Als es am zunachten war, stürmten nun im ganzen Land zur selben Zeit die Bauern die Burgen und steckten alles in Brand, was auch nur irgendwie zum Brennen zu bringen war. Wie zu Zeiten, als Nero Rom nieder brannte, sah es aus, nur noch viel heller, so schien es, war der Nachthimmel erleuchtet vom Schein der lodernden Feuer, die sich nun überall auf den Anhöhen erhoben. In Tosters wurde der alte Burgherr mit samt seinen fünf Frauen den Hügel hinunter nach Sankt Corneli und dann über die Egg hinüber ins Liechtensteinische gejagt. Man ließ ihm außer dem dünnen Nachtgewand, das er am Leib trug, nur das nackte Leben. Und auch dieses konnte er nur mit knapper Müh’ und Not retten.

Völlig überrascht und deshalb unvorbereitete wurden die Burgleute aus ihren Behausungen getrieben und die meisten Wehrbauten wurden im Anschluss daran zu Ruinen. Die Bauern hatten so ihre rechte Freude mit ihrer Tat und feierten, was das Zeug hielt. Meist machte man sich nicht die Mühle in den Ort zurück zu kehren, sondern fraß sich satt an den Köstlichkeiten, die auf den Burgen erbeutet wurden. Das Bier und der süße Wein flossen in Strömen in die ausgetrockneten rauen Kehlen der Bauersleute. So kam es, dass die meisten Bauern über das ganze Wochenende auf dem Burgruinen verweilten und aus dem Feiern gar nicht mehr herauskamen. Sage uns schreibe drei Tage lang wurden Orgien gefeiert, die wilder waren, als alles, was man je in dieser Gegend gesehen oder gehört hatte. Erst als alles verzehrt und jedes Fass geleert worden war, torkelten die glücklichen Bauern wieder zu ihren Gehöften ins Tal hinunter.

Als die tapferen „Krieger“ wieder auf ihren Höfen ankamen und von ihren Heldentaten berichten konnten, waren die Frauen über die Tat ihrer Männer derart entzückt, dass sie ihnen besondere Küachle buken. Von dieser Zeit an wurden am ersten Sonntag in der Fastenzeit zum Gedenken an dieses glorreiche Ereignis Küachle gebacken. Dieser Brauch hat sich bis heute, zur Freude aller, erhalten.

Dienstag, 13. April 2010

Der Hauskater

Es schläft im schönsten Sonnenschein,
Auf einem weichen Deckchen fein,
Friedvoll ein rotbepelzter Kater,
Wie ein fleiß’ger Familienvater.

Nichts stört das Tier in seinem Schlummer,
Ferne liegt aller Weltenkummer.
Des Menschen Sorgen sind ihm fremd,
Braucht weder Geld noch schönes Hemd.

Steht das Fressen nur bereit,
Kann er schlafen in der Zeit,
Dann ist das Tier im siebten Himmel,
Was stört ihn da das Weltgewimmel?

Nur eines kann er nicht ertragen,
Mag einer es so frech gar wagen,
Ihn zu stören in seiner Ruh,
Dann wischt er mürrisch fort im Nu.

Sei es nun das Geknister von Papier,
Plastikfolie oder and’re Zier,
Dann kriecht er schnell und ohne viel Wehweh,
Ins sich’re Versteck unterm Kanapee.

Schlimmer noch ist der Lärm aus der Maschine,
Für ihn ist es wie eine Dampfturbine.
Der Erzfeind im eigenen Zuhause,
Ist der Staubsauger mit dem Gesause.

Doch dies alles ist noch zu ertragen,
Erlebt man’s doch nicht an allen Tagen.
Die dann folgende Streichelei,
Entschädigt ihn für so mancherlei.

Doch heute ist ein ganz besonderer Tag,
Der Kater weiß nichts von der kommenden Plag.
Drum schnurrt er noch so lieblich froh,
Doch das Unglück bahnt sich an, oho!

Was ist das? Ein Hecheln und laut’ Getrampel!
Wer stört die liebe Ruh, wer ist der Kampel?
„Wuff, wuff“ die feuchte Schlabberzunge überall,
Ein wilder Teufel springt herbei, das ist der Fall!

Schon nähert er sich grob dem Königsthrone,
Wo der Kater legt ab der Ruhe Krone.
Mieze reagiert ohne Zaudern,
Das Fell sträubt sich vor lauter Schaudern.

Und schwups, schon ist sie im Verstecke,
Ganz hinter in der letzten Ecke,
Wo der Hund, das Ungetier,
Bleibt fern mit der Schlabbergier.

Verächtlich rümpft der Kater die Nase,
Fast haut der Hund um die schöne Vase.
Jetzt ist es doch wieder einmal so weit,
Lange geht’s bis die Katze ist befreit.

Begibt man sich zum Sofa, um nach ihr zu seh’n,
Helfen auch kein Bitten und kein inständig Fleh’n.
Nur das Gefauche des Raubtiers in seinem Zorn,
Schlägt einem dann wild mit Macht entgegen von vorn.

Die Zeit vergeht und der Kater leidet sehr,
Dann wird es still und man hört lange nichts mehr.
Ist der schwarze Hund gar schon fortgezogen?
Oder erheben sich nochmals die Wogen?

Ganz langsam und mit viel Gespür,
Kommt der stolze Kater herfür.
Er würdigt keinen eines Blickes gar,
Gebiert sich wie einst der russische Zar.

Doch auch sein Herz lässt sich dann bald erweichen,
Jetzt will er bei den Leuten `was erreichen.
Vermehrtes Streicheln hilft da immer sehr,
Gutes Zureden meist sogar noch mehr.

Eines ist bei uns ja doch stets klar,
Kater Dusty bleibt König fürwahr.
Herrscht gütig ganz nach seiner Wahl,
Bis der Hund kommt zum nächsten Mal.

Sonntag, 11. April 2010

Der unerkannte Prinz

Einst lebte ein Prinz in einem kleinen aber überaus ruhmreichen Königreich, das eine lange Tradition des Friedens und Wohlstandes hatte. Einst waren die Vorfahren des Prinzen Kriegerfürsten gewesen, die das Land erobert hatten und dem Volk Recht und Ordnung gaben. Da sie auch sehr weise und tüchtig waren, blühte das Reich bald auf und es wurde gesagte, dass es auf dem ganzen Erdball kein prächtigeres gäbe und in keinem die Rechtschaffenheit mehr geehrt würde. Doch in diesem Reich gab es eine alte Hexe, die sich darauf verstand sich in die verführerische Gestalt einer jungen Frau zu verwandeln. In dieser Gestalt brachte sie es fertig den Großvater des Prinzen dazu zu bringen sie zu heiraten. Bald wurde dem Königspaar ein Kind geboren, das der Vater des Prinzen werden sollte. Der Großvater erkannte bald nach der Geburt des Kindes, dass die Mutter eine Hexe war und wollte sie aus dem Palast verbannen. Da sie sich weigerte, ließ der König seine Wachen rufen und warf die Hexe in den tiefsten Kerker seines Schlosses, wo sie elendiglich an Hunger starb. Doch bevor das Lebenslicht in ihr endgültig erlosch, sprach sie einen Fluch über ihr Kind, den Prinzen, und alle dessen Nachkommen aus.

Der Großvater starb einige Jahre später und sein Sohn übernahm den Thron. Doch auch der Sohn starb bald am Fluch seiner Mutter und nun war der Prinz es, der das Reich alleine regierte. Er war schön von Gestalt und klug im Geiste, doch er fühlte sich einsam und wollte sich deshalb verheiraten. Nachdem er sehr mutig war, wollte der die Tochter des Königs der Könige heiraten, des mächtigsten Herrschers auf dem ganzen weiten Erdenrund. Als Zeichen seiner Aufrichtigkeit wollte er der Königstochter ein wertvolles Geschenk machen. Im Wald des Schlosses gab es eine Gruppe von stolzen und schönen Hirschen, die nur schwer zu erlegen waren. Viele hatten es versucht und keinem war es bis dahin gelungen. Es hatte mit den Hirschen aber auch noch eine andere Besonderheit auf sich. Alle sieben Jahre wurde ein junger weißer Hirsch geboren, der alle anderen an Stärke und Klugheit übertraf. Diesen Hirsch wollte der Prinz nun erlegen. Er begab sich also in den Wald, spürte dem Rudel nach und als er die Hirsche endlich erspähte, spannte er seinen Bogen und schoss einen Pfeil dem weißen Hirschen mitten ins Herz hinein. Aus dem Fell des Hirsches ließ der Prinz einen wunderbaren Mantel anfertigen, den er der Königstocher als Geschenk schicken ließ.

Als das Geschenk in Goldfolie verpackt im Palast des Königs ankam, war die Aufregung groß und alle freuten sich darauf, wenn die Prinzessin das Paket öffnen sollte. Auch der Vater, der alte König, kam herbei und sah seiner Tochter dabei zu. Als sie den Mantel sah, strahlten ihre Augen und sie warf sich ihn sich sogleich um die Schultern und stolzierte damit vor dem ganzen Hofstaat herum. Doch als eine der Hofdamen den Mantel berührte, sagte sie, dass dieser sicher von einem echten Hirsch käme, da sich die Haut genau so anfühlte. Da war die Enttäuschung groß, denn niemand am Hofe liebte das Natürliche. Der Mantel wurde daraufhin auch sogleich weggeschmissen.

Als der Prinz davon erfuhr, war er nicht allzu traurig, denn er ließ sich so schnell nicht entmutigen. Er machte sich persönlich auf ins fremde Königreich. Jedoch wusste er nun, dass er nicht einfach so ohne weiteres vorstellig werden konnte, um den König um eine Audienz zu bitten. So verkleidete er sich als Gärtner und fragte den König um eine Stellung, da er gehört hatte, dass der alte Gärtner des Schlosses vor kurzem gestorben und dessen Stelle deshalb vakant geworden war. Der König stellte ihn ein und gab ihm eine Unterkunft im Hause des verstorbenen Gärtners. Der Gärtner pflegte nun die Sträucher und Beete des Palastes. Alles musste symmetrisch sein, keine Blume durfte die falsche Farbe habe und alle Pflanzen waren nach strengen geometrischen Formen geschnitten, denn gerade darauf legte der König besonderen wert. Wann immer der Gärtner jedoch Zeit hatte, setzte er sich unter einen Baum und schrieb die herrlichsten Gedichte, die man je gehört hatte. So kam es, dass die Prinzessin von dieser außerordentlichen Gabe hörte und sich mit ihren Hofdamen aufmachte den Gärtner zu besuchen, um seine Gedichte zu hören. Der Gärtner war damit einverstanden unter der Bedingung, dass er eine Haarlocke der Prinzessin bekam. Dazu war diese jedoch anfangs nicht bereits, denn es war unter ihrer Würde einem Gärtner etwas so Wertvolles zu geben. Doch ihre Sehnsucht die Gedichte zu hören war so groß, dass sie endlich einwilligte und sich eine kleine Locke abschnitt, die der junge Gärtner haben sollte. Das Haar wurde also überreicht. Dann trug er ihr die schönsten Balladen vor, die man im Königreich je gehört hatte und die Prinzessin war vollkommen hingerissen.

Der Gärtner hatte aber noch weitere Talente. So malte er in seiner Freizeit auch wunderbare Bilder vom Schloss, von den Pflanzen und anderen Gebilden der lebendigen Natur. Wieder kam die Prinzessin und wollte dieses Mal eines dieser Bilder habe. Doch der Gärtner war nur bereit es ihr unter der Bedingung zu überlassen, dass sie ihm den goldenen Armreif gäbe, den sie einst von ihrer Mutter erhalten hatte, als sie noch ein junges Mädchen war. Die Prinzessin dachte sich, dies sei doch eine Unverschämtheit und weigerte sich, die Nase hoch in die Lüfte hebend. Doch als sie das schöne Bild, das es ihr besonders angetan hatte, erneut betrachtete, konnte sie nicht mehr umhin; sie musste es einfach haben und so überreichte sie dem Gärtner ihren Armreif.

Wieder verging einige Zeit und der Gärtner spielte in seiner freien Zeit die Geige mit derartiger Hingabe, dass er ihr die lieblichsten Töne zu entlocken vermochten. Wenn man diese hörte, so vergaß man sogleich all seine Sorgen und wurde wieder munter und froh. Die Prinzessin kam dieses Mal ohne ihre Hofdamen zum Prinzen und bat ihn für sie alleine zu spielen. Der Gärtner wollte dies tun, wenn sie bereit wäre ihm sieben Küsse zu geben. Die Prinzessin erschrak, eine solche Dreistigkeit war ihr noch nicht untergekommen. Sie schnaubte und kniff die Augen zu, doch als sie die Violine sah und sich daran erinnerte, wie herrlich die Melodien geklungen hatten, ergab sie sich und versprach ihm die Küsse zu geben. Dazu sollten sie jedoch hinter den Stamm einer großen Eiche gehen, damit sie niemand sehen konnte. Als der Gärtner sie bereits drei Mal geküsst hatte, ertönte ein entsetzlicher Schrei vom Tor her, durch das man den Garten des Schlosses betrat. Der König kam gerade mit seinem Gefolge von der Jagd zurück, als er seine Tochter dabei sah, wie sie den Gärtner küsste. Er hielt eine strenge Predigt und verbannte wutentbrannt sein Töchterchen und den Gärtner für immer aus seinem Reich.

Vor dem Palast legte der Gärtner sein schmutziges Gewand ab und trat als strahlender Prinz vor die Prinzessin hin. Diese verneigte sich und wurde rot vor Scham, seine Pracht verschlug ihr die Sprache und sie konnte nicht anders, als ihn um Verzeihung zu bitten. Er jedoch wies sie ab und sprach, sie wollte ihn als Gärtner nicht haben, nun soll sie ihn auch als Prinzen nicht haben. Da sank die Prinzessin auf die Knie und weinte bitterlich, doch der Prinz zog davon, zurück in sein Reich.

Die Prinzessin litt nun furchtbare Qualen. Einsam, alleine wanderte sie durch den Wald, wo sie fast von wilden Tieren gefressen wurde, Räuber stahlen ihr alles was sie noch bei sich trug. Ihr Kleid war bald zerrissen und ihre Gesundheit wurde immer schlechter. Bald sah sie wie eine Bettlerin aus. Der Prinz aber hatte nun von der Geschichte der Hexe erfahren, denn als Kind hatte man ihm nie etwas davon erzählt. Als er zurück in sein Schloss kam, ließ er das Verließ öffnen, in dem die Hexe elendiglich verhungert war. Es war schrecklich anzusehen, nur noch ein Skelett lag ausgestreckt am Boden. Doch daneben, fast hätte man es übersehen, lag ein kleines Amulett aus Silber mit dem Bild eines Kindes darin. Es war ein Portrait des Vaters des Prinzen. Doch das Kind auf dem Bild war krank und hatte fürchterliche Gesichtszüge. Der Prinz nahm das Schmuckstück an sich und ließ die sterblichen Überreste seiner Großmutter in der Familiengruft begraben. In diesem Augenblick verwandelte sich das Bild im Amulett, das Kind war gesund geworden und strahlte vor Lebenskraft und Gesundheit, seine Bäckchen waren rot und ein Lächeln zeigte sich auf seinem Antlitz.

Nun begab es sich, dass die zur Bettlerin gewordene Prinzessin auch an das Tor des Palastes des Prinzen kam und in ihrer Verzweiflung anklopfte. Zuerst wollte sie niemand hereinlassen, doch als der Prinz an das Tor trat, warf sich die Bettlerin zu seinen Füßen und bat weinend um Verzeihung. Sie versprach dem Prinzen lebenslang treu zu dienen und alles zu tun, was er von ihr verlangte. Da hatte der Prinz Mitleid mit ihr und nahm sie in seinem Schloss auf. Ihr wurde eine winzige Kammer zugeteilt, sie bekam aber reichlich zu essen und so wurde sie bald wieder gesund. Nun musste sie hart arbeiten, wie sie es noch nie zuvor in ihrem Leben getan hatte, doch sie beklagte sich nicht und war nur froh am Leben zu sein. Der Prinz aber fand nun wieder Gefallen an ihr, und ließ ihr eine bessere Kammer geben und sie durfte nun öfters bei ihm sein und ihn unterhalten. Nach drei Jahren hatte sie drei Söhne geboren, von denen der Prinz jedoch nichts wusste. Als sie nun diese seine Kinder dem Prinzen vorführte, nahm er sie in seine Arme und erkannte sie als die seinen. Dann stand er auf und schloss seine Dienerin in die Arme und sprach die Worte: „Nun bist du nicht mehr meine Sklavin, nun bis du meine Frau! Jetzt bist du wahrhaft von edlem Wesen“. Damit küsste er sie und bald darauf wurde Hochzeit gefeiert. So regierte das Paar als König und Königin gütig und weise und das Königreich blühte auf, wie man es auf der Welt noch nie gesehen hatte. Und wenn sie nicht gestorben sind, so lieben sie sich noch heute.