Freitag, 30. Dezember 2011

Gedichte VIII

Irrtum
Leicht fällt es den Irrtum zu bewahren
Und zu sichern wie eine feste Burg.
Höheren Geist braucht’s zur Wahrheit,
Wenig Volk kann man so um sich scharen.
Ist doch keiner von uns wie ein Demiurg,
Und Geist fördert die Eitelkeit.
Kritisier nicht, was als gewöhnlich erkannt,
S’besteht zu der Zeit in jedem Land.

Natur und Kultur
Jean Jacques Rousseau, der war ein kluger Mann,
Der auf des Menschen Natur sich besann.
Die Kultur war ihm ein Graus,
Verdirbt uns alle, die Laus.
Gesellig sei der Mensch, sagt man heut.
Wenn man diesen Satz mal nur nicht bereut.
Es ist alles eine Frage der Weltsicht allein.
Wer wollte hier schon letztgültiger Richter sein?

Zufriedenheit
Zufriedenheit, wozu soll sie nützlich sein?
Sollen wir uns begnügen, bescheiden sein?
Nein, es ist doch gut, wie die Welt uns begießt.
Harmonie zerstört mehr, als sie fördernd ist.

New-Age-Geschwafel
Erleuchtung ist ein Irrweg, geh ihn nicht!
Am Ende bist du nichts, nicht mal ein Wicht!
Erfüll die Dinge, die du brauchst voll und ganz,
Lasse die Energie nicht verloren gehen,
Bleib hungrig, lass deine Augen alles sehen,
Glaub nicht an Karma und Seelenwanderungstanz!

Unfall
Es steht Herr Bommelmann,
An der Ampel dann.
Sieht `nen Kasperl im Mönchsgewand,
Der da in Trance ums Eck verschwand.
Krabumm, Krabumm! Was war das für ein Lärm?
Bommelmann steigt aus, so was sieht er gern.
Der Hare-Krishna liegt dort plattgefahren,
Herbeigelaufen kommen Menschenscharen.
Bommelmann, der fröhlich lacht,
Hat sich dabei bloß gedacht:
„Ja, ja, das kommt vom vielen, vielen Beten,
Rauchwerk, Gemüsekost und Geisterfeten.
Ja Gott sei Dank, ich bin nicht so,
Bin glücklich und auch lebensfroh!“

Freitag, 30. September 2011

Der Goldmacher vom Hinterwald

Zwischen den Bregzenzerwälder Gemeinden Au und Schnepfau erhebt sich einer der markantesten Berge Vorarlbergs – es ist die über 2000 Meter hohe wuchtige Kanisfluh, die den Hinteren vom Mittleren Bregenzerwald trennt und seit jeher auch ein Berg war, der die Fantasie der Menschen angeregt hat. Es begab sich nun vor vielen Jahrhunderten, dass ein „Goldmacher“ auf der Flucht in das abgelegene, damals noch schwer zugängliche Tal kam. Es heißt er sei aus Venedig gewesen, habe dort dem Dogen und dem hohen Rat Versprechungen gemacht, er könne den Niedergang der Stadt aufhalten und ihr zu neuem Reichtum verhelfen. Mit der Entdeckung Amerikas und dem Verlust der Levante, war Venedig nämlich allmählich seiner herausragenden Stellung verlustig geworden, auch der Reichtum war nicht mehr jener der alten Tage, und die aufwendig lebenden Bewohner der Lagunenstadt sehnten sich nach leicht verdientem Geld. Dieser „Goldmacher“ versprach nun für solches zu sorgen. Er ließ sich auf Kosten der Stadt eine ganze Zeit lang auf das Aufwändigste aushalten, doch als er seinen Worten Taten folgen lassen sollte, war es damit nicht weit her und er konnte gerade noch sein nacktes Leben retten, als der wilde Pöbel und an seiner Spitz die Stadtwache versuchten ihn in Bande zu legen und in die gefürchteten „Bleikammern“ zu sperren.
Dieser weit gereiste seltsam aussehende Mann, kam nun mit einem Gespann von vier Rappen und einer Equipage im Hinterwald an. Es versteht sich von selbst, dass er bald das Gespräch der einfachen und weniger einfachen Leute des Tales wurde. Die einen hielten ihn für den Leibhaftigen persönlich, andere konnten sich ob seines farbenfrohen Aussehens und seiner extravaganten Kleider vor Lachen nicht mehr halten. Am Dorfplatz zu Schoppernau gab nun dieser seltsame Mann eine „Zaubervorstellung“, er spielte seine Taschenspielertricks aus und bald glaubten die meisten, es handle sich um einen großen Magier, einen berühmten Mann aus der Ferne. Kaum einer glaubte, dass es sich dabei nur um Geschicklichkeit und gute Menschenkenntnis handeln konnte. Keinen Hehl machte er auch daraus, dass es ihm ein Leichtes sei, jedes beliebige unedle Metall in pures Gold zu verwandeln. Nachdem der Mann im besten Wirtshaus des Orts abgestiegen war und allerlei Gerüchte über seine magischen Fähigkeiten in Umlauf gebracht hatte, traf ein kaiserlicher Bote aus Bezau ein, der die Nachricht brachte ein Scharlatan habe sich in den Hinterwald begeben und werde nun von höchster Stelle gesucht. Es war eine hohe Belohnung auf den Gesuchten ausgesetzt. Die Bauern des Ortes drangen nun wütend mit Mistgabeln und Sensen bewaffnet zum Wirtshaus vor und verlangten, dass der „Goldmacher“ sich zeigte. Dieser war zuerst erschrocken, trat dann aber im ersten Stock auf den Balkon seines Zimmers und versuchte die Leute zu beruhigen. Diese waren jedoch mehr al außer sich vor Wut und verlangten, dass ihnen eine Kostprobe des „Goldmachens“ gegeben werde, sonst würden sie den „Welschen“ sogleich an die strenge Obrigkeit ausliefern. Der Scharlatan wusste nun freilich weder ein noch aus, bisher war er immer schneller als seine Verfolger gewesen und hatte die Stätte seines jeweiligen Wirkens immer noch rechtzeitig zu verlassen vermocht. Und gerade hier in dieser abgelegenen Gegend sollte man ihm nun sein Handwerk legen?! Die Bauern drangen nun in wildem Geschrei in des Mannes Stube ein und zwangen ihn mit ihnen zum Vorsteher zu kommen. Dort wurde er sogleich in den feuchten Gemeindekarzer gesperrt. Er hätte nun drei Tage Zeit, um den kleinen Raum mit Gold zu füllen, sonst würde er der strengen Justiz übergeben, hieß man ihn. Man gab ihm genügend Alteisen in seine Zelle, damit er die „Verwandlung“ vornehmen könne, wenn er denn dazu in der Lage sei.
Der erste Tag ging vorüber und dem Goldmacher wollte nichts einfallen. Des Nachts konnte er nicht schlafen, sinnierte wie wild mit sich selbst herum, doch es war zum Verrückt werden, er fand keine Lösung für seine Misere. Am zweiten Tag begann er zu beten, vielleicht würde sich der Himmel seiner erbarmen. Doch vergeblich – der Himmel wollte heute nicht auf ihn hören. In letzter Anstrengung rief er dann doch den Widersacher Gottes, den Teufel, an, ob er ihm denn nicht helfen möge. Und siehe da, kaum war er dreimal gerufen, erschien der Fürst der Hölle in schwarzem Frack, Spitzbärtchen und obligatorischem infernalen Grinsen. „Ihr habt mich gerufen?“, begann er ganz harmlos. „Ihr wisst, um was ich euch bitte“, kam die Antwort des Verzweifelten. „Gewiss, so ihr mir eure Seelen nach eurem irdischen Ableben geben wollt, so sollt ihr nun die Fähigkeit besitzen Unedles in Edles zu verwandeln“. Trotz seiner Schlechtigkeit hatte der Mann anfangs Skrupel so seine Seele für die Ewigkeit zu verkaufen, denn auch er hatte einst eine Unterweisung in der christlichen Religion erhalten, wenn sie auch schon lange in Vergessenheit geraten war. „Nun gut“, sagte er nun, „so soll es denn sein!“. Der Packt wurde schriftlich gemacht und mit Blut unterfertigt, wie es sich für einen ordentlichen Höllenbund gehört. In einer Rauchwolke verschwand der Teufel und als nun der Mann, der sich wieder gesammelt hatte, denn er war ordentlich erschrocken über die Erscheinung und wusste nicht Recht, ob er gewacht oder geträumt hatte, nahm er eine alte gusseiserne Pfanne, sprach die vom Teufel übermittelte Formel und siehe da, in purem Gold glänzte das gute Stück. Sogleich wurden alle ehernen Gegenstände der Gefängniszelle in Gold verwandelt und den erstaunten Leuten des Dorfes übergeben. Nun war der Goldmacher der Held der Gegend! Die Menschen kamen von überall her, um ihn zu sehen und sich von ihm das eine oder andere Stück vergolden zu lassen.
So vergingen die Jahre, der Goldmacher lebte in Saus und Braus und genoss gewaltiges Ansehen, wenn er auch den meisten nicht geheuer war, so wurde er doch nicht gemieden, sondern von jedem freundlich gegrüßt und oftmals eingeladen. Als der Mann alt geworden war, sein Körper nicht mehr so wollte, wie in seiner Jugend, spürte er die kalte Hand des Todes auf seiner Schulter. Erschrocken wachte er in dieser Nacht noch rechtzeitig auf, begab sich in Windeseile zum Herrn Pfarrer, der nicht schlecht schaute, diesen „Welschen“ vor seinem Haus zu finden und das mitten in der Nacht! Der Pfarrer hatte das Volk immer vor dem Goldmacher gewarnt, wenn auch vergeblich, es ginge nicht mit rechten Dingen zu und des Himmels Segen läge nicht auf diesem. Kreidebleich bat der Goldmacher um die Beichte. Der Gottesmann hörte sich nun die ganze Lebensgeschichte und kam so hinter das Geheimnis des fremden Mannes. Nun, er erteilte ihm die Absolution, meinte aber dies reiche nicht, der Bund mit dem Satan sei gültig. Es gäbe jedoch eine Möglichkeit, dass er die Ewigkeit zwar nicht im Himmel, so doch auch nicht in der Hölle verbringen müsse. Begierig ließ sich der Goldmacher von Hochwürden unterweisen, dass wenn er viele Messen lesen ließe, das Goldmachen ließe, alles, was er besaß den Armen geben würde und dazu seinen Kopf vor dem Schlafengehen mit Weihwasser wüsche, dann könne er der Gnade teilhaftig werden als Geist die Ewigkeit zu verbringen, oben auf der Kanisfluh, wo man im Wald die Geister hin zu bannen pflegte, wie im Walgau in den Lünersee.
Dies alles tat nun der Goldmacher, er wurde der beste Christenmensch, den man sich nur vorstellen konnte, besuchte eifrig die Messe, gab alles den Armen und wusch sich den Kopf des Abends mit Weihwasser. Als nun in einer dunklen Nacht bei Blitz und Donner der Gevatter Tod an sein Bett kam, um sein irdisches Dasein zu beenden, hauchte der Goldmacher seinen Geist aus. Sogleich wollten zwei Gehilfen des Satans diesen mit sich in die Unterwelt nehmen, doch zwei Englein bewachten ihn und geleiteten ihn sicher auf die hohe Kahnisfluh, wo es ohnehin schon wild um diese Zeit zuging, da allerlei Geistervolk, seit Urzeiten auf diese gebannt, bereits ihren Spuk dort trieben.
Noch lange gingen im ganzen Hinterwald Anekdoten des „Goldmachers aus Venedig“ um, der nun als Geist auf der Kanisfluh sein Dasein fristet, bis er vielleicht doch noch eines Tages seine Erlösung findet.

Montag, 25. Juli 2011

Sprichwörtliches

Wenn jemand uns das Blaue vom Himmel erzählt,
Und uns einen Bären aufbindet,
Uns über den Tisch zieht,
Und das Fell über die Ohren zieht,
Dann wird der Hund in der Pfanne verrückt.

Dann will man nichts schuldig bleiben,
Sich kein Blatt vor den Mund nehmen,
Demjenigen die „Wadln fiere drahn“,
Die Leviten lesen und ihm zeigen,
Wo der Bartl den Most holt.

Legt der andere jedoch einen Zahn zu,
Setzt der Sache die Krone auf,
Überspannt er den Bogen und
Setzt ein teuflisches Grinsen auf,
Dann schlägt das dem Fass den Boden aus.

Steckt dann Sand im Getriebe,
Läuft die Sache nicht mehr rund.
Doch schießen wir nicht mit Kanonen auf Spatzen,
Und drücken ein Auge zu,
Dann sind wir wieder gut.

Donnerstag, 30. Juni 2011

Gedichte VII

Was ist dir die Wahrheit?

Wie hältst du’s mit der Wahrheit? Sprich!
Wenn all die Welt steht gegen dich?
Wenn keiner mag mehr zu dir stehen,
Und plötzlich siehst dein Glück vergehen?

Es spricht sich leicht von der Moral,
Im Denken zeigt sich oft wenig Qual.
Im Tun allein, liegt wahres Sein,
Rechtes Handeln bringt oft Seelenpein.

Mag Wahrheit sein dein höchstes Gut.
Bedarf besteht nach hohem Mut,
Wenn andrer Wert steht ihr entgegen.
Wer besteht dann, wer bleibt verwegen?


Was ist mein?

Ich weiß nichts gehört mir auf Erden
Als meine Gedanken,
Die ein liebes Geschick ließ mich denken
Und machtvoll und ohnmächtig ließ mich werden.


Sei ruhig Welt

Geschundene Welt magst ruhig schlafen,
Die Pfeile, die dich lange trafen
Werden nicht auf ewig in dir stecken bleiben.
Schon seh ich Wasserquellen und saftge Weiden.
So wie es vor langer Zeit
Weise haben prophezeit.


Heuschrecke

Auf einem Stein im rauschenden Gebirgsbach
Saß eine Heuschrecke.
Sie schaute voller Erstaunen, doch da ach!
Von der Himmelsdecke
Kommt ein knorriger Ast geflogen.
Da hat sie sich dem Ort entzogen.


Ein Trost

Im Sommer, wenn ich nicht mehr hier,
In fernem Lande weile, wo schlecht das Bier,
Trösten mich Natur und des Meeres Zier,
Und ganz gewiss der Mund von dir.

Donnerstag, 3. März 2011

Ein glücklicher Menschen

Erkenne, was redlich, ehrlich, echt und wahr,
Enthalte dich der Ansicht der Weltenschar.
Frei von allem, erkennst der Dinge Sein,
Das unschuldig‘ Auge sieht frei von Schein.

Mache nur Fehler, lerne und tu es nicht wieder.
Akzeptanz der Welt und von sich selbst, macht nicht bieder.
Was unvollkommen, soll doch nach dem Höchsten streben,
Ohn‘ Bedauern, erspart‘s Frust und bringt reichlich Segen.

Ein Mensch, der nach einer Formel lebt,
Wer nach fremden Belohnungen strebt,
Ist weder frei noch spontan und nicht natürlich,
Ist für sich und die Welt allemal gefährlich.
In der spontanen Einfachheit,
Liegt, was dich ausschließlich befreit.

Trenne den Menschen vom Problem,
Ist’s auch nicht gerade bequem.
Sieh, dass nicht der andere ist die Last,
Schwierigkeit‘ hat uns alle angefasst.
Dehne den Rahmen der Betrachtung aus,
Diene dem Ganzen darüber hinaus.

Steh überm Kampf, sei objektiv.
Lass dich nicht herab derart tief,
Dass du bist beherrscht vom Umstand der Welt,
Der freie Wille, der alleine gefällt.
Auch sei dir immer teuer die Privatheit,
Von unnütz’ Beachtung bis du dann gefeit.

Sei auch motiviert vom Bestreben stets zu waschen,
Sonst treiben Bedürfnisse mit dir ihre Faxen.
Du bist dann befreit von Umwelt und Kultur,
Folgst nur dir selbst und deiner eigenen Uhr.

Erkenne stets neu, was dir zeigt das pralle Leben,
Die Wertschätzung sei nie verbraucht, bereits vergeben.

Übersteig‘ die sinnlich‘ Erfahrung ohn‘ sie zu meiden.
Und ebenso was der teure Verstand kann dir zeigen.
Tauch in das Mystisch-Göttliche ein,
Lebe in der Welt des wahren Sein‘.

Fühle die Verbundenheit mit allen Menschen an jedem Ort,
Eine Familie ist das Erdenvolk, liebe jegliche Sort’.

Innig sei dein Verhältnis zu den deinen,
Lass Fürsorge, Verbundenheit nur scheinen.

Fern sei dir aller Despotismus,
Gerechtigkeit schlägt Egoismus.

Das Mittel zählt ebenso wie der Zweck,
Denke grade und nicht um die Eck’.

Lache nie über eines anderen Schwäche,
Auf dass es sich nicht einmal an dir räche.
Philosophisch’ Humor ist anzustreben,
Auf Spötter mag kein Edler etwas geben.
Schallendes Gelächter sei dir fern,
Ernstfreundlich’ Lächeln, das habe gern.

Kreativität des Seins, wie sie Kinder haben,
Das gehöre stets zu deinen gebräuchlich Gaben.

Passe dich nicht an. Was verbiegt dein Wesen,
Halte dich nicht auf mit zu vielem Lesen.
Sieht über die Kultur und Welt hinaus,
Treibe nicht mit den anderen Geister aus.

Unterlieg‘ nicht der Illusion,
Dem Streben nach der Perfektion.
Habe dich lieb mit allen Fehlern,
Dann brauchst du nichts zu verhehlern.

Sei dir deiner Werte bewusst, halte dich an sie,
Verrate nur keinen Teil von dir, das mache nie.

Am End‘, lös die Dichotomien auf,
Schau Gott und trink ein gutes Gläschen drauf.

Dienstag, 1. März 2011

Mundartgedichte I

(Gedichte in Vorarlberger Mundart)

Am Rhi

Wenn i stand am Rhi
Und ume schau id Schwiez,
Denk i all a di
Und a din markant Witz.
Mir hond so manche Stund döt vrbrocht,
Und manch Sach heat im Geist döt ahgfocht.

Wenn du denna vom Kriag vrzelt heascht,
Vo harta aber herzlicha Zitta,
Wiad usghoba heascht a Feindesneascht,
Und doch net könna heascht s‘ verlitta,
Sie gfanga z’nia in an sichera Tod.
All‘ sind darvo, durch di mit knappa Not.

Du heascht mir zoagt, was as hoast an Mensch z’si,
Zur Moanig sto mit Globa und Muat:
`Vertrau uf an Herrgott und oh uf di!´
Vor dir, do züch i immer da Huat.
Koa Angscht vor irgendoanam andra,
So ka ma guat durchs Leaba wandra.

Jetzt bischt o lang scho untr dr Erd,
Und schauascht uf d’Wealt vo oba acha.
An End heat alls, und doch an Wert.
Amol wör`mr widr zemma lacha!
Bin dankbar, d’Zit mit dir isch schöa gsi,
Si kut mir all in Sinn, dun am Rhi.

Käsknöpfle

Was duftat so herrlich us da Kuche?
Es rinnt mr s’Wasser glei zemma im Mund.
Gleich isch’s vorbei mit da wundrig Suche,
Im Ofa stot da Hafa, der isch rund.

Goldig geal und glänzig, lachen sie mia a,
Druf da Käs, d‘Mischig us mild sur und räß,
Am End kunnt noch an Schöpf druf voll mit Zwibla,
Und schwarza Pfeaffr vollendat das Häs.

Dazua Grumparasalot und guata Moscht,
S’isch an Hochgenuss für das G’müat und für an Maga.
Was des isch? Mine allerliabschte Leibkoscht,
Käsknöpfle, a deana möchte i mit ständig laba!

Narrazitt

Die füft Johreszitt isch jetzt do,
Isch närrisch is Land icha ko,
Heat vrkleidat si, ma kennt se guat,
Mancher tret jetzt gär an bunta Huat.

Manchs Rǻthus kriagt an neua Herr,
S’fallat dr Bürgrschaft net schwer.
Denn wo d’ Narra hond übrnoh da Stadtschlüssel,
Döta regiert da Humor us vollr Schüssel.

Am Umzug freun si Jung und Alt,
Koa oanzigs G’müat bliebt dabei kalt.
D’Guggamusig und o d’Mäschgalar,
Triebn’s ghörig wild in großr Schar.

Gǻt si denna o amol zu End,
Und sind mr scho i d’Faschtazitt grennt,
Warta mr gschpannt, bis as erneut isch so wiet,
Bis sie widr kunnt dia mögig‘ Narrazitt.

Sonntag, 20. Februar 2011

Da Früalig kunt bald

(das folgende Gedicht ist in Vorarlberger Mundart gehalten)

Da Früalig kunt bald

Jetzt kunt dr Früalig denn go bald,
Neu’s Leaba find’scht uf Feald und Wald.
Noch oanam langa, kalta Wianter, dinn im Hus,
Freut oanan di schöane zartgrüane Natur duss.

Ob z’Breagaz dunn am himmelblaua See,
Ob am Karra doba bin am Kaffee,
Am Känzele odr am Hoha Frasa doba,
Im „Wald“ odr Muntafu mit da Frau und Goba.

Wenn’s frisch blüaht und herrlich bluamig duftat,
Wenn d’ Vögel geand s’earscht Konzert als Wohltat,
Denn halt’n mi koa zeha Rössr me zruck, es juckt,
I muas oafach usse, sus wür i no ganz varuckt!

Montag, 17. Januar 2011

Bayer und Preuß

„Das eine sage ich euch: Zu meiner Zeit hätte es so etwas nicht gegeben. Da hätte man mit der ganzen Bagage anderes verfahren. Das kann ich euch sagen!“. Der alte Mann mit dem spitzen grauen Schnauzbart nahm einen kräftigen Schluck aus einem Steinkrug, der mit dunklen bayrischen Bier gefüllt war. Sein gegenüber nickte zustimmend und meinte, dass derlei heutzutage anderes gehandhabt würde und die Leute keine „Schneid“ mehr hätten. „Ja, ja, zu meiner Zeit waren die Kerls aus Stahl und die Rollstühle aus Holz, heutzutage ist es genau umgekehrt“, warf der glatzköpfige Adlerwirt ein, der seit einem Unfall vor drei Jahren an den Rollstuhl gefesselt war. „Aber die Madln san immer no hübsch“, entgegnete ein kleiner verschmitz dreinblickende Bauer, der ganz in der Ecke saß.
Wir befinden uns in einer urigen Wirtschaft auf dem Lande, wo die Uhren noch etwas langsamer gehen, die Menschen noch jeden Sonntag geschlossen in die Heilige Messe besuchen und wo nach Ansicht der braven Bewohner die „Welt noch in Ordnung“ ist. Denn in der Stadt drinnen, da habe die Unmoral Einzug gehalten und das nicht erst seit gestern. Mehr als einer der anwesenden Herrn konnte dies bestätigen und sogleich folgte meist eine Anekdote, die allen vor Augen führen sollte, wie recht es doch damals zu Großvaters, Gott hab ihn selig, Zeiten, zugegangen sei und wie heute Sitte und Moral zu unbekannten Begriffen geworden seien. Grad aus den großen Städten, da käme die Unmoral über das Land geschwappt, wie eine Epidemie, die sich rasend schnell ausbreite. Früher wäre München ja noch bayrisch gewesen, aber heute sei es, wie einstmals Preußen gewesen sei, geworden. Kurz, einfach nicht zum aushalten! Drum vermied es der anständige Bauer auch sich in das Sündenbabel zu begeben, wenn es denn nicht unbedingt sein musste, um etwa auf ein Amt zu gehen, um notwendige Geschäfte zu erledigen, oder gar auf einer Messe für landwirtschaftliche Güter sich anzuschauen, was es denn so für neue technische Errungenschaften gab. Und natürlich das Oktoberfest, darüber ließ niemand etwas kommen. Außer über die gesalzenen Preise, wenn die Maß schon zehn Euro und mehr kosten würde, darüber ließ sich leidlich klagen. Aber hingehen musste man trotzdem und heim führte man dann einen ordentlichen Rausch, wie es sich eben für einen ordentlichen Wiesnbesuch gehörte.
„Was sogst du dazu, Braudauer? Sog a amol wos!“. Der Brandauer war ein stiller alter Bauer mit einem struppigen Bart und einer langen Pfeife. Alles an ihm war alt und die Falten zeugten von vielen Jahren der harten Arbeit und der Lebenserfahrung Doch die Augen funkelten immer noch in ihrem hellen Blau und erzählten dem Gegenüber eine Geschichte, auch wenn der Bauer gar nicht sprach. Brandauer also nahm die Pfeife aus dem Munde und blickte in die gespannt wartende Runde. Er ließ sich Zeit, denn davon schien er mehr als genug zu haben. Dann umspielte ein Schmunzeln seine Lippen. „Ha, wos wissts denn ihr von friehr? Ihr seid alle zam no junge Hupfer. Es kennts gor nix wissen von de alten Zeit und wia des alles wor.“
„Na drum frog ma jo di!“, sagte der Adlerwirt, der schon leicht zu schwitzen begann, da er sich vorhin so erregt hatte. Alle starrten auf den alten Bauer, die nun begann zu erzählen.

(Die Geschichte, wird hier im Hochdeutschen wiedergegeben. Nicht, weil ich meinen Lesern nicht zutraue den bayrischen Dialekt zu verstehen. Nein, sondern, weil der Dialekt nicht über Rechtschreibregeln verfügt und es recht beschwerlich ist ihn zu lesen, da man in der Regeln ihn nur hört und nicht liest. Zumal man auch keine Übung darin hätte.)

„Alsdann, die Geschichte hat sich so zugetragen. Es war im Winter `28 oder `29. Ich weiß es nicht mehr ganz genau. Da hat mein Großvater einen Wagen gekauft, es war der erste im ganzen Ort und das wollte was heißen. Den Führerschein hatte er im Sommer gemacht, aber Übung auf Eis und Schnee hatte er natürlich noch keine und so kann man sich vorstellen, was für ein Himmelfahrtskommando es jedes Mal war, wenn er in den Nachbarort oder gar in die Stadt hinein fuhr. Die Leute sprangen immer davon, wenn sie ihn kommen sahen, denn er brauchte die ganze Straße für sich alleine. Zum Glück war damals noch nicht so viel Verkehr auf den Straßen wie heute und so schaffte er es, wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund der vielen Gebete, die meine Großmutter zum Himmel schickte, ein Leben lang unfallfrei zu fahren. Ihm selbst machte sein Fahrstil allerdings gar nichts aus. Auch wenn er „wie eine gesengte Sau“, wie es aller Orten hieß, durch die Gegend sauste, hatte er die größte Gaudi dabei. Dazu müsst ihr wissen, dass mein Großvater ein wilder Kerl war, der hatte vor gar nichts Angst. Im 70/71er-Krieg hatte er sich freiwillig gemeldet und der Franzos sei schon davon gelaufen, wenn er ihn nur gesehen hätte. Aber mehr noch, mein Großvater war sehr freigiebig und obwohl er mehr Geld ausgegeben hat als der ganze Ort zusammen, hatte er oder die Familie nie Mangel gelitten. Immer war genug da, ja mehr noch, wir hatte oft als einzige im ganzen Dort Überfluss und das in den schwersten Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg.
Jetzt war das aber einmal so, dass sich ein Preuße zu uns verirrt hatte. Es war im Herbst gewesen und wie es die Herrn, vor allem wenn sie Geld haben, und zu Hause eine gut gehende Firma ihnen gehört, dann eben glauben, dass sie erfolgreich wären in allen Belangen des Lebens, so wollte er unbedingt etwas Besonderes erleben. Der Preuß also ist beim Herrn Baron, der einige Kilometer weiter auf dem Schloss wohnte, eingeladen gewesen. Zur Jagd wollten sie gehen, die edlen Herrn. Mein Großvater hatte ja selbst die Jagd und nachdem der Herr Baron ja bereits wusste, was der Preuße für ein miserabler Schütze war, er hatte ihn selbst einmal droben in Berlin besucht, bat er Großvater, ob er nicht dafür sorgen könnte, dass dem Berliner ein kapitaler Hirsch vor die Büchse lief. Ja, und so sollte es gemacht werden. Die lokalen Jäger nahmen einen ausgestopften Zwölfender aus dem Dorfmuseum, stellten ihn auf eine kleines Wägelchen und zogen dieses in einigen hundert Meter Entfernung an dem Schießstand des Preußen vorbei, wo dieser mit seinem Gewehr auf Beute wartete. Der Baron war selbst bei ihm. Der Wagen wurde durch ein Seil von einem Burschen, der sich in einem Gebüsch versteckt hatte, gezogen. Es war wirklich gut gemacht, man hatte ja auch die passende Stelle ausgesucht, und als der Preuße anlegte und feuerte, fiel der Hirsch genau im richtigen Moment um und der Schütze war zufrieden. Später präsentierte man ihm einen anderen Hirschen, den ein Jäger am gleichen Tag im Nachbarort geschossen hatte. Um viel Geld musste man ihn ihm abkaufen. Der Mann hatte dabei ein gutes Geschäft gemacht. Jedenfalls war der Preuße sehr zufrieden und zeigte sich überaus spendabel. Das ganze Dorf profitierte davon und der Herr Baron danke meinem Großvater persönlich.
Dann aber ging etwas schief. Die Feierlichkeiten wurden recht lustig und das Bier floss in Strömen. So kam es, dass ein berauschter Geselle sich nicht mehr halten konnte und dem Preußen, mit dem er bereits fast per du geworden war, unter scherzhaftem Lachen mitteilte, dass er ein lausiger Schütze sei und nie und nimmer einen Zwölfender geschossen habe. Die ganze Geschichte flog auf. Und noch in derselben Nacht reiste der Gast aus dem Norden wutentbrannt nach Berlin ab.
Es verging einige Zeit und zwei Wochen vor Weihnachten kam beim Herrn Baron ein Brief des Preußen an, der immer noch nicht seine Gemütsruhe wieder gefunden hatte. Doch wollte er seine Ehre wieder herstellen. Er forderte darin den besten Automobilfahrer der Gegend auf, sich mit ihm zu messen und verschärften Bedingungen. Er wollte eine „Silvesterrennen“ abhalten und auf den eisigen Straßen und über die Hügel unserer schönen bayrischen Heimat. Eine Bayern müsse man in Bayern schlagen meine er und forderte umgehend Antwort. Der Baron trug dies alles der versammelten Gemeinde vor. Nachdem niemand außer meinem Großvater und dem Baron einen Wagen besaß, wurde die Wahl sehr eng. Der Baron hatte einen Chauffeur und fuhr nicht selbst. Es wäre auch unter seiner Würde gewesen, sich selbst der Herausforderung zu stellen, einerseits aufgrund seiner sozialen Stellung auf der anderen Seite aber auch, aufgrund seines fortgeschrittenen Alters. Es blieb nur Großvater, der ja auch nicht mehr der jüngste war, übrig, dem die ganze Sache allerdings mehr als Recht kam, denn einem Preußen eins auszuwischen, das hatte ihm immer schon Freude bereitet. Und es bedurfte keines Pokals, um ihn dazu zu bewegen mitzumachen.
Es war also ausgemacht und drei Wochen später, als der letzte Tag des Jahres angebrochen war, stellte sich der Preuße örtlich ein. Er trug eine moderne Lederjacke mit Handschuhen und einer getönten Brille, wie sie die Rennfahrer trugen. Der ganze Ort lachte, als die skurrile Erscheinung aus der „Post“ heraus kam, in der er Quartier genommen hatte. Nichtsdestotrotz bewahrte er seine Würde und bestieg sein Automobil. Es war ein nagelneuer Mercedes mit dunkelblauer Farbe und vergoldeten Metallteilen. Der Wagen sah überaus nobel aus und ein eigener Aufpasser musste dafür sorgen, dass keiner das Goldstück berührte, denn das konnte der Preuße gar nicht aushalten. Dann fuhr mein Großvater vor. Er hatte einen knallroten Horch, der aus dem Auspuff furchtbar rauchte und einen Höllenlärm machte. Aber schnell war der Wagen, das konnten alle bestätigen und niemand hatte Zweifel daran, dass er das Rennen gewinnen würde. Der Preuße wusste nicht auf was er sich eingelassen hatte. Wie es sich gehörte erschien mein Großvater in bayrischer Tracht, bis auf den Hut, den hätte es ihm bei der Fahrt vom Kopfe geweht, deshalb trug er eine braune Lederkappe.
Der Baron wurde zum Schiedsrichter erkoren und ermahnte die Kontrahenten zur Fairness. Dann schüttelten sich die beiden Fahrer die Hände und bestiegen ihre Boliden. Eine hübsche Maid gab das Startzeichen und sogleich düste der Preuße davon und gewann einen Vorsprung von ein paar Wagenlängen. Mein Großvater jedoch setzte ihm nach, die Stärke seines Wagens lag nicht in der Beschleunigung vom Start an, sondern in den Kurven, die er etwas enger nehmen konnte als der Mercedes des Preußen. Als die beiden aus dem Ort hinaus kamen und an der großen Ulme in Richtung Dillendorf abbogen, hatte Großvater schon aufgeholt. Dann sah man vom Kirchplatz aus, auf dem sich die gesamte Dorfbevölkerung versammelt hatte, nichts mehr. Dazu muss gesagt werden, dass das Rennen bereits überregionale Bekanntheit erlangt hatte. Ganz Südostbayern war auf den Beinen und auch in der „Münchner Zeitung“ gab es eine Ankündigung des Automobilwettstreits. In den Nachbardörfern hatten sich ebenso alle Bewohner versammelt und schauten gebannt auf die daher kommenden Wagen.
In Dillendorf lag Großvater vorne und blau-weiße Fahnen wurden von der Bevölkerung zum Empfang geschwungen. Als Sekunden später auch der Preuße an der Kirche und dem Rathaus vorbei rauschte, gab es Pfiffe und Buhrufe, die der Fahrer aber aufgrund des enormen Tempos und des ohrenbetäubenden Lärms nicht gehört haben dürfte. Es war ein bitterkalter, aber sehr schöner sonniger Tag. Die Straßen waren mit einer Eisschicht bedeckt, über die sich der lockere Pulverschnee, der in der Nacht gefallen war, gelegt hatte.
Dann kam Ansbach auf der Strecke, ein lang gezogenes Dorf, dessen Häuser alle entlang der einzigen Straße durch den Ort standen. Die Menschen drängten sich so dicht am Straßenrand, dass keine zwei Wagen mehr aneinander vorbei kommen konnten. Nun führte der Preuße wieder, doch gleich darauf kam auch mein Großvater, dessen Wagen an diesem Tag besser lief, als jemals zuvor. Die Einwohner bemerkten anerkennend, dass er nun nicht mehr in Schlangenlinien, sondern pfeilgerade und zielbewusst unterwegs war. Vielleicht lernte er nun endlich ordentlich Autofahren, meinte mancher schmunzelnd. Alle waren sehr stolz darauf, dass einer aus der Gegend ein derart mutiger Kerl war, der auch noch etwas drauf hatte.
Nun ging es Richtung Süden und das Gelände wurde hügeliger. Die Straßen wurden kurvenreicher und leichter Wind von der Seite setzte ein. An manchen Stellen hatte er den leichten Pulverschnee der Oberfläche weggefegt, so dass das blanke Eis zum Vorschein kam. Und dann geschah es. Der Wagen des Preußen, der in Führung lag, rutschte in der Kurve aus, kam ins Schleudern, überschlug sich und blieb im Schnee stecken, glücklicherweise aber gerade zwischen zwei Bäumen. Böse hätte die Sache ausgehen können, hätte der Wagen auch nur ein paar Meter früher oder später das Schleudern begonnen. Jedenfalls war dem Fahrer nichts passiert. Er stieg aus seinem Auto, welches zufälligerweise wieder auf den Rädern zum Stehen gekommen war, fluchte auf fremdländisch, für bayrische Ohren jedenfalls, blickte sich um, sah in einiger Entfernung einen Mann, der auf einem Feldweg mit einem Pferd und Wagen daher kam. Zuerst wollte der gute Bayer dem Mann ja gar nicht helfen. Doch dann entsann er sich, denn man wollte ja der Fairness genüge tun und einem Preußen nicht die Genugtuung geben, ein Bayer hätte das Rennen nur deshalb gewonnen, weil die einheimische Bevölkerung so ungastlich gewesen wäre. Im selben Moment brauste mein Großvater vorbei, wobei er seinem Kontrahenten freundlich zuwinkte.
Kurz darauf lag des Preußen Wagen auch wieder sicher auf der Straße und er nahm mit doppeltem Enthusiasmus die Verfolgung auf. Seine Augen glühten, der Kampfgeist war vollends neu entfacht. Der Motor heulte auf und der Bolide stob davon. Der Bauer, der ihm aus dem Schneefeld geholfen hatte, schüttelte nur den Kopf und sah der weißen Wolke nach, die durch den Mercedes aufgeworfen wurde. Großvater lag weit in Führung, doch auch sein Wagen drehte sich in einer Kurve, wurde jedoch von einem hohen Schneehaufen daran gehindert ins Feld zu fallen. Nichtsdestotrotz kostete ihn der Zwischenfall einiges an Zeit, und zu allem Übel wollte der Wagen nicht mehr anspringen. Schon sah er den Gegner im Rückspiegel daherkommen, als der Wagen mithilfe von zwei jungen Männern, die mit aller Kraft anschoben, doch noch ansprang. Doch es war zu spät, der Preuße übernahm wieder die Führung. Schon kamen die letzten Kilometer ins Sichtfeld. Am Horizont war schon unsere Gemeinde mit dem Kirchturm zu sehen, wo sich nicht nur der Start, sondern auch das Ziel befand. Nun galt es alles aus dem Wagen und aus dem Fahrer heraus zu holen. Großvater klebte bald wieder an der Stoßstange seines Kontrahenten. Er setzte zum Überholen an, doch der Preuß, der in seinem Rückspiegel alles sah und immer wieder ein hämisches Lachen nach hinten warf, ließ ihn nicht überholen. Da rammte Großvater den Berliner und schubste ihn derart, dass dieser sich nicht mehr wohl fühlen konnte.
Daraufhin kam schon der Hof des „Riegler-Bauern“, der das erste Haus am Ortseingang war hatte, in den Blick. Großvater schaffte es mit letzter Motorkraft doch noch am Preußen vorbei zu gelangen und auf den letzten zweihundert Metern zog er diesem endgültig davon. Mit zwei Längen Vorsprung durchfuhr er das Ziel und wurde von einer begeisterten Menge umringt und gefeiert. Bayern hatte gesiegt. Der Preuße stieg verbittert aus dem Wagen. Doch er wollte sich so gut es ging seinen Gram nicht anmerken lassen und gratulierte mit zusammengepressten Lippen seinem Gegner. Ein Kranz wurde dem Sieger um den Hals gehängt, der Pokal überreicht und eine Champagner-Flasche geköpft. Der Baron lud alle zum „Adler“ ein, wo der ganz Ort freudig den ganzen Tag, bis weit in die Nacht hinein feierte. Und nachdem Silvester war, hatte man noch einen weiteren Grund ausgelassen zu sein und das Bier und den Wein in Strömen fließen zu lassen. Selbst den Preußen ließ man nicht im Regen stehen und bald schon war die Gegnerschaft vergessen. Eine Entschuldigung für die Jagd im Herbst wurde angenommen und gegen Mitternacht sogar Brüderschaft getrunken.“
Der alte Brandauer setzte seine Pfeife wieder ab, nahm einen großen Schluck aus seiner Maß und sah in die staunenden Gesichter seiner Zuhörer. „So etwas gibt es heute gar nicht mehr. Auch kann sich keiner mehr an dieses berühmte Rennen erinnern, in dem Bayern Preußen besiegt hat.“ Keiner konnte ihm widersprechen und alle schwiegen, ob der Geschichte, die sie gerade gehört hatten.