Mittwoch, 15. Februar 2012

Spuk in Bürstegg

Es war zu der Zeit, als Bürstegg zwischen Lech und Warth noch eine ganzjährig bewohnte Siedlung war. Da soll, so wird erzählt, sich Folgendes zugetragen haben:

Einem Bauern, der ob der schweren Arbeit, besonders im Sommer, wenn viel und beschwerlich zu Heuen war, sich nicht selten dazu hinreißen ließ seinem Argwohn Luft zu machen, geriet sein Vieh nicht mehr ganz richtig. Wenn er denn müde und geschunden nach einem langen Arbeitstag noch in den Stall musste, dann fluchte er wie ein Pirat und sakramentierte dabei auch nicht gar schlecht. Allmählich wurde das Vieh immer unruhiger. Die Euter der Kühe schwollen mächtig an, als ob sie seit Tagen nicht gemolken worden wären, obwohl kein Tröpfchen Milch in ihnen war. Die Schafe drehten sich wild im Kreis und der Hofhund getraute sich nicht mehr in den Stall, wo er doch ansonsten der mutigste aller Hunde im ganzen Dorf war. Am schlimmsten jedoch erwischte es die Schweine. Die armen Kreaturen wurden von vielen Dämonen, die in ihre Leiber hineingefahren waren, regelrecht gepackt und mussten gegen ihren Willen rückwärtsgehen. Wie sehr sie sich auch dagegen sträubten und grunzten, als ob es zur Schlachtbank ginge; es half alles nichts. Kamen sie dann an eine Wand, so liefen sie dieser mit den Hinterbeinen voran entlang nach oben bis sie sich jämmerlich überschlugen. Es war ein gar übles Schauspiel, das mit den armen Tieren aufgeführt wurde. Anfangs trieben die Dämonen nur des Nachts ihre Unwesen, doch mit der Zeit war es auch am Tag zu jeder Zeit zu erleben. Die Leute des Ortes machten bereits einen großen Bogen um den Stall, wenn sie an diesem vorbeigehen mussten. „So kann es nicht weitergehen!“, sagte der Bauer zu seiner Familie eines Abends, als alle zum Nachtmahl, einem „körigen Riebl“, beisammensaßen.

Am nächsten Morgen läutete der Landwirt beim Gemeindepfarrer an und bat ihn um Rat, denn als der klügste Mann weit und breit würde er wohl wissen, was in solchen Fällen zu tun war. Hochwürden kannte seine Schäfchen und ihm war das Fluchen und Sakramentieren des Bauern wohlbekannt. Nachdem er ihm einige eindringliche Fragen gestellt hatte, meinte der Pfarrer hier seien höhere Mächte im Spiel, solche aus der unsichtbaren Welt. Die Kirche habe für solche Fälle ausgesprochene Spezialisten zur Hand. Ein solcher wohne unten im Bregenzerwald, in Bezau. Es handle sich um den weitum bekannten Kapuzinerpater, der von allen nur „Jaköble“ genannt wurde und sich mit Dämonen, Hexen und allerlei Teufelsbrut auskenne.

So begab sich der Bauer so bald als es ihm ausging über das Auenfeld und Schröcken in den „Wald“ hinunter, um den Pater aufzusuchen. Dieser erkannte bereits an der Erscheinung des Hilfesuchenden, um was für eine Art von Mensch es sich bei ihm handelte und das geschilderte Problem schien ihn auch nicht im Geringsten zu überraschen. „Gehn wir! Ich habe meine Sachen dabei!“ Mit diesen Worten packte der Mönch eine Tasche, die er sich umhängte und dann ging es los, hinauf in die hohen Berge des Tannberggebietes. Am Hof des Bauern angekommen begab sich der Pater sogleich in den Stall, um sich einen Überblick über die dortige Dämonenlage zu verschaffen.

„Aha, die Schweine. Das wundert mich nicht! Böse Geister haben eine Vorliebe für solche. Hat unser Herr ja auch eine Legion Dämonen aus einem Leidenden ausgetrieben und ihr gestatten in die Leiber einer großen Schweineherde zu fahren, die sich dann selbstmörderisch in den See Genezareth gestürzt hatte.“ Als gutem Kirchgänger war auch dem Bauern das fünfte Kapitel des Markusevangeliums bekannt, in dem dieses erstaunliche Ereignis geschildet wird. Das „Jaköble“ öffnete nun seine Tasche, holte einige spezielle Werkzeuge hervor und begann mit seiner Arbeit. Die Stalltüre wurde geschlossen und der Kapuziner war nun mit dem Getier und den in diesem tobenden Geistern alleine. Man hörte Getrampel und Gekreisch, die Balken bogen sich und mehrmals wurden große Gegenstände gegen die Bretterwände geworfen, so dass bald eine ganze Schar an Menschen sich um den Stall versammelt hatte. Es war das Spektakel des Sommers und keiner wollte sich dieses entgehen lassen, geschah doch in einer so abgelegenen Berggegend wenig genug. Verschwitzt aber zufrieden trat nach einer ganzen Weile der Mönch aus der Türe und meinte es sei nun Schluss mit dem Spuk. Den Stalleigentümer nahm er sich nun aber unter vier Augen vor. Der Bauer beichtete reumütig seinen Hang zum bösen Fluchen und zur „Sakramentiererei“, die ja geradezu ein Einlasstor für die Geisterwelt unliebsamer Art sei, wie das „Jaköble“ streng bemerkte. Der Bauer versprach Besserung. Im Kampf mit den Dämonen habe er, der Mönch, erfahren, dass an dieser Stelle früher eine Kapelle gestanden habe, bei der eine arme Seele habe geistern müssen. Einige Steine davon seien wohl für den Bau des Stalles verwendet worden. Kein Wunder, dass es da nicht mehr viel brauchte, um alle möglichen Gestalten aus der Geisterwelt anzulocken. Daraufhin errichtete der Bauer ein Kreuz neben dem Stall und jedes Mal, wenn er nun zu seinem Vieh ginge, spräche er einen guten Gedanken bei dem Kreuz aus. Der Kapuziner blieb noch über Nacht, da die hereinbrechende Dunkelheit den Heimmarsch nicht ratsam erscheinen ließ.

Wohin habe er denn die Dämonen gebannt, wollte die Bauersfrau am nächsten Morgen wissen, als das „Jaköble“ sich auf den Weg machte. „Dorthin wo man in dieser Gegend alle Geister hinzubannen pflegt – auf die Kanisfluh hinauf!“, gab dieser zur Antwort und verschwand bald hinter einer Kehre des Weges unterhalb des mächtigen Karhorns, das in den Strahlen der hellen Morgensonne einen herrlichen Anblick bot. In dem Stall in Bürstegg hat es von da an niemals mehr gespukt.