Sonntag, 31. März 2013

Ist die Realität säkular?

         Wenn der Mensch geboren wird, stellt das Leben an ihn eine Frage. Der Beantwortung dieser Frage kann er sich nicht entziehen, wie sehr er sich auch dagegen sträuben, wie sehr er sie auch immer verdrängen mag, ob er sie auf später verschiebt oder sich durch mannigfaltige Ablenkungen vorübergehende Erleichterung zu verschaffen versucht. Die Unerbittlichkeit der Realität zwingt in jedem Fall zu einer Antwort. Wie nun diese Antwort ausfällt, entscheidet über des Menschen Schicksal, über Wohl und Wehe, Sinn oder Unsinn, Sein oder Nicht-Sein. Die Antwort kann nun entweder richtig oder falsch sein und in der säkularen, postmodernen Welt, wie sie heute an vielen Orten auf dem Planeten anzutreffen ist, geben die Menschen in der Regel falsche Antworten. Diese alles entscheidende Frage ist nun jene nach der Wahrheit.

Bereits Sokrates wusste, dass ein nicht überprüftes, nicht reflektiertes Leben nicht wert ist gelebt zu werden. Ja es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass ein Leben, das nicht aus der Wahrheit heraus gelebt wird nicht wert ist gelebt zu werden. Man wird sich nun fragen, wie es sein kann, dass so viele Menschen über diese Frage nicht oder nur unzureichend nachdenken. Die Antwort darauf wurde oben bereits gegeben: Verdrängung und Verschiebung auf später und durch Ablenkungen aller Art. Ein denkender Mensch jedoch kann sich damit nicht zufrieden geben und ein Mensch, der nicht den Mut aufbringt sich der Realität zu stellen, kann wohl kaum im vollsten Sinne des Wortes als verantwortungsvoller Bürger irgendeines Staates oder Gemeinwesens angesehen werden, gerade dann nicht, wenn er sich in einer Position befindet, die es ihm erlaubt in größerem Maße Einfluss auf das Lebern anderer zu nehmen. Was wollte man auch von jemandem halten, dessen Position in Bezug auf die Wahrheit nicht eindeutig gefestigt ist? Wer wollte einem solchen Menschen Vertrauen entgegen bringen?

Die Frage nach der Wahrheit führt unweigerlich weiter zu jener nach den Werten und nach dem Charakter. Eine  Gesellschaft, deren führende Personen sich in ihrem Kern nicht durch einen herausragenden Charakter auszeichnen, sinkt bald zu einer  herab, in der bloße Kompetenz ausschlaggebend wird und in weiterer Folge erniedrigt sie sich selbst bis zur völliger Beliebigkeit, in der der Populismus des Augenblicks über Sein und Nicht-Sein entscheidet - jener Sumpf, in dem kein Blühen der Kultur mehr möglich ist und das Hässliche dem Schönen vorgezogen wird. Eine solche Gesellschaft steht aufgrund der Dekadenz und überall sichtbar werdenden Verfallserscheinungen vor dem Ruin. Die größten Reiche der Welt sind am Niedergang der Fundamente, auf denen sie beruhte, vom Angesicht der Erde verschwunden.

Lassen wir uns nicht täuschen! Auch nicht durch Technologie und den schönen Schein: Die Basis eines Staates und seiner Gesellschaft ist immer geistiger Natur. Das liegt in der Natur der Sache selbst und bezieht sich auf alle bedeutenden Dinge im Leben. Es ist deshalb eine Frage des Gedeihens von ganzen Kulturen, wie die Grundfragen des Lebens beantwortete werden. Es ist dies eine sogar noch entscheidendere Frage als die Verbindung der Bevölkerung oder zumindest seiner Denker und Führer mit den Werten, auf denen sie beruht. "Eine neue Generation ist wie ein neues Volk", meinte einst Alexis de Tocqueville. Damit verbunden ist die Notwendigkeit der Tradierung von Werten, sowie die Weitergabe der Fackel des Lebensgeistes einer Nation. Unberührt davon bleibt freilich die Weiterentwicklung und die Offenheit für das Neue, ohne das keine Gesellschaft eine Zukunft haben kann.
 
Im Verhalten einer Nation, sowie an ihren Früchten, die sie hervorbringt, erkennt man ihre wahren Werte, ihre  Sinngebung und ihre Mission. Dasselbe trifft auch auf das Individuum zu. Unweigerlich zeigt sich einem, dass all diese Dinge nicht möglich wären, hätte der Mensch nicht eine Theorie über die Wirklichkeit. Ohne eine solche zu leben ist nicht möglich, denn dann könnte einer keine bewussten Entscheidungen treffen und die fundamentalen Bedürfnisse des menschlichen Lebens wären unerfüllbar. Der Mensch müsste buchstäblich zugrunde gehen.

Das hier angesprochene Problem ist jenes der Weltanschauungen. Jeder verfügt über eine solche und ist sich in  der Regel über diesen Umstand wenig bewusst, da die Weltanschauung die Gedanken und Handlungen eines Menschen determiniert, ungeachtet ob man sich ihrer bewusst ist oder nicht. Weltanschauungen werden indirekt vermittelt und gehen größtenteils am Bewusstsein vorbei, deshalb sind sie auch so machtvoll. Schon Sokrates fiel auf, dass Menschen zwar bewusste Überzeugungen haben aber nicht danach handeln, dass sie meist nicht im Geringsten wissen, warum sie tun, was sie tun, aber sehr erfinderisch darin sind sich allerhand Geschichten einfallen zu lassen, um ihr Tun vernünftig und gerechtfertigt aussehen zu lassen. Dies faszinierte den Philosophen und er nahm sich vor die Wirklichkeit des Menschen zu untersuchen und Theorien darüber aufzustellen, was mit dem Menschen  "los ist". Weltanschauungen beantworten die großen Fragen des Menschen. Sokrates gab Antworten auf solche aber auch Freud, Buddha, Nietzsche und Jesus Christus. Sie alle vermittelten Weltanschauungen und versuchten der Wirklichkeit gerecht zu werden - bis auf einen der oben genannten blieben ihre Erklärungen mangelhaft, wenngleich sie ohne Ausnahme alle tiefe Denker waren und sich nicht feige vor der Realität gedrückt hatten.

Wie tauglich nun ein Weltbild ist, bemisst sich im Wesentlichen daran, wie gut es die großen Fragen des Menschen beantwortet, wie sehr es der Vernunft und er Erfahrung entspricht, aber darüber hinaus ob es das ganze Wesen des Menschen zu erfassen vermag. Entscheidende ist an einer Weltanschauung, wie auch beim Glauben, ob sie trägt, ob man darauf bauen kann. Es wird deshalb auch ersichtlich, dass ein Weltbild eines Individuums oder einer Gruppe von Menschen, geschweige denn eines ganzen Volkes, eine objektive und zutiefst öffentliche Angelegenheit ist und ein Versuch ein solches in den privaten Bereich zu verdrängen vom ethischen Standpunkt her, sofern man die Wahrheit auch nur halbwegs wertschätzt, nicht vertretbar ist. Der Erfolg einer Gesellschaft hängt wesentlich davon ab, wie gut sie mit der Realität verbunden ist.

Die frage, die sich uns nun stellt ist, ob wir den Mut und die Integrität haben uns den harten Realitäten zu stellen, die sich uns, gerade in einer Welt, in der auch die Postmoderne ihrem Ende zuneigt, wo erkannt wird, dass  radikaler Skeptizismus nicht lebbar ist, stellt? Vergessen wir nicht: Realität ist oft das, was uns widerfährt, wenn wir uns im Irrtum befinden.



I. DAS PROBLEM

"Daran erkenn` ich den gelehrten Herrn:
Was Ihr nicht tastet, bleibt Euch meilenfern;
was Ihr nicht fasst, das fehlt Euch ganz und gar;
was Ihr nicht rechnet, glaubt Ihr, sei nicht wahr;
was Ihr nicht wägt, hat für Euch kein Gewicht;
was Ihr nicht münzt, das, meint Ihr, gelte nicht."

- Johann Wolfgang von Goethe -


Das gegenwärtige Weltbild in der westlichen Welt, vor allem in den Kreisen von Bildung, Erziehung, Medien und Politik, ist durch einen orthodoxen Säkularismus gekennzeichnet, der Weltbilder, die etwas über die bloße sinnliche Wahrnehmung Hinausgehendes beinhalten, ausschließt. Dieser Ausschluss hat jedoch keine rationale Grundlage, sondern ist das Ergebnis einer sozialen Konvention, die über einen relativ langen Zeitraum hinweg, größtenteils unbewusst, "verhandelt" wurde und die heutige Realität der Menschen darstellt, die im Wesentlichen die westliche Welt formen. Doch je weiter wir fortschreiten, desto mehr Zweifel, gerade auch aus dem Bereich der Wissenschaft, tauchen an dem bestehenden Naturalismus auf; immer weniger stimmt dieses theoretische  Modell mit der tatsächlichen Lebenserfahrung überein, ebenso lassen Forschungsergebnisse an ihm große Zweifel aufkommen. Auch vom Standpunkt der Vernunft her, ist ein radikal naturalistisches Weltbild (nur auf die Naturgesetze kommt es an) nicht mehr aufrecht zu erhalten. Drei Thesen sollen hier aufgestellt werden, die zeigen, dass der Naturalismus und die Realität miteinander kollidieren und nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sind.


1. DAS NATURALISTISCHE WELTBILD WIRD DER LEBENSREALITÄT NICHT GERECHT

Sieht man sich das naturalistische Weltbild an, so fallen zwei entscheidende Punkte auf:

a.) Der Naturalismus ist nicht in der Lage Dinge zu behandeln und zu erklären, die qualitativ über das Vermögen des menschlichen Verstandes hinausgehen.
b.) Er ist ebenso außerstande die Frage nach den Werten, nach dem richtigen und falschen Handeln zu beantworten. Dieses Weltbild gibt uns folglich nur eingeschränkte Antworten auf die Frage "Was kann ich wissen?". Keinerlei Antworten auf die Frage gibt es ebenso auf die Frage "Was darf ich hoffen?" Dieses Weltbild bleibt uns darüber hinaus auch Antworten auf die Frage "Was soll ich tun?" schuldig. Das sind die drei Fragen, die nach Immanuel Kant die letztgültigen sind, aus denen sich alle weiteren Fragen des Lebens ableiten, stellen die entscheidende Anforderung an ein Weltbild, damit es als einigermaßen akzeptabel betrachtet werden kann. Der Naturalismus hingegen ist eine radikale Verkrüppelung, nicht nur der außermenschlichen Wirklichkeit, sondern ebenso der Lebensrealität des Menschen selbst. Bedenkt man, dass lediglich etwa vier Prozent der Weltbevölkerung aus Atheisten besteht und etwa gleich viele Agnostiker existieren, so bedeutet ein naturalistisches Weltbild eine  willentliche Missachtung des allergrößten Teils der Menschheit und dessen, was diese für die Wirklichkeit ansieht. Freilich macht die Mehrheit nicht die Wahrheit, doch ohne rationale Grundlage nicht-säkulare Weltbilder aus der Diskussion über die Wirklichkeit auszuschließen, ist in höchstem Maße anmaßend und unethisch. Die Forderung die großen Fragen des Menschen jeden für sich alleine behandelt zu lassen, ist eine Verhöhnung der wahren Bedürfnisse der Menschen. Solche Antworten müssen Teil des Weltbildes sein, das die Sinnfrage objektiv und absolut beantwortet, alles andere ist ein schwammiges Stückwerk, das nach Feigheit riecht und das anzunehmen einem denkenden Menschen nicht zugemutet werden kann.

Was sind nun die für den Menschen entscheidenden Fragen?

* Woher komme ich?
* Wohin gehe ich?
* Was ist der Sinn meines Lebens?

Die ersten beiden Fragen weisen direkt auf die Transzendenz hin, denn nur aus dieser können sie beantwortet werden; Frage drei behandelt daneben auch jenen Bereich, der in unsere sinnliche wahrnehmbare Welt fällt. Diese Fragen stellen das Leben in einen größeren, ja unendlichen, Zusammenhang und schneiden nicht einen Teil davon heraus und machen nicht künstlich ein Ganzes daraus. Das Leben beginnt nach dem naturalistischen Weltbild plötzlich und endet ebenso, unvollständig, es reißt abrupt ab, wenn der Tod uns ereilt. Die einzig konsequente Schlussfolgerung daraus ist, dass das Leben objektiv gesehen absurd, sinnlos sein muss. Diese Ansicht ist bestechend und völlig zutreffend, sofern es außer dem Materiellen nichts gibt.

Nur ein Narr würde auf eine Reise gehen, ohne vorher sicherzustellen wohin die Reise geht, es lediglich angenehm auf der Reise zu haben, ist kein vernünftiges Ziel und der Würde des Menschen nicht zugetan. Chateaubriand konnte noch schreiben der Mensch seiner Zeit wohne mit einem vollen Herzen in einer leeren Welt; heute jedoch müssen wir sagen: "Wir wohnen mit einem leeren Herzen, in einer leeren Welt." Doch noch ist das Licht des Wahren, Guten und Schönen in den Herzen einiger am Leben erhalten geblieben, sei es durch eine vorteilhafte Erziehung, durch eine  intakte Gemeinschaft, die der Werte noch nicht entsagt hat oder durch andere glückliche Umstände. Je intensiver man über die Natur des Menschen nachdenkt, desto mehr erschließt sich einem, dass etwa die Existenz und das Wesen in Bezug auf das Vermögen seiner Liebe, seiner Freiheit und Vernunft als Ausdruck nach Bedürfnisbefriedigung nicht vom materiellen Mechanismus her verstanden werden kann. Ein Riss geht durch den modernen Menschen , nur ein Ignorant könnte diesen Umstand übersehen - der Mensch ist nicht zufrieden und diese Unzufriedenheit ist existentieller Natur und hat nichts mit den Schwierigkeiten des Augenblicks zu tun, sondern mit dem Dasein selbst. Solange einer nicht weiß warum er lebt und was es anzustreben gilt, solange bleibt er nicht im Frieden mit sich selbst und der Welt.

Wer nicht mit dem großen Ganzen, besonders mit der Quelle allen Daseins, verbunden ist, ist allem entfremdet, allem voran sich selbst. Und im Bewusstsein dieses existentiellen Unbehagens erfährt der suchende Mensch, dass für die Arbeit, die Mitmenschen oder sonst eine irdische Sache zu leben niemals die völlige Befriedigung verschaffen kann. Es ist deshalb die These angebracht, dass der Mensch in seiner Natur nicht Frieden und Erfüllung zu erlangen vermag,  solange er nur mit der sinnlich wahrnehmbaren Welt rechnet. Der Materialist mag trotzig behaupten: "Die Welt ist genug!" Doch ehrlich betrachtet, kann die Überzeugung nur lauten: "Die Welt ist nicht genug!" Das letztendliche Glück ist in der Erfahrungswelt nicht zu finden. Unzweifelhaft ist der Mensch für eine andere Welt geschaffen, sowohl sein Ursprung, als auch sein Schicksal können nicht in dieser Welt zu finden sein, der Mensch ist Reisender, Besucher dieses Universums aber es ist nicht seine Heimat. Was liegt hier näher als die Annahme, dass wir das Ziel unseres Daseins in dieser Welt nicht finden können?

Die fundamentale Erfahrung des Bösen, des Leids und letztlich des größten Ärgernis` des diesseitigen Menschen, des Todes, bleiben im Naturalismus unbeantwortbar, alles was dazu angeboten wird ist ein unbefriedigendes Stückwerk, Scheinerklärungen, die die allem zugrunde liegende Sinnlosigkeit nicht zu überdecken vermögen. Aber nicht nur die Frage nach dem Bösen, sondern auch jene nach der Würde des Menschen bleibt unbeantwortbar bei einer rein materialistischen Weltsicht. Wenn der Mensch durch reinen Zufall entstanden ist, ein Produkt von Materie, Zufall und langen Zeitabläufen, dann ist nicht zu rechtfertigen, warum er mit Würde ausgestattet sein sollte. Freilich könnten wir Menschen durch Konvention festlegen, dass dem eben so sei (rechtspositivistisch), doch hätte eine solche Konvention keine Rechtfertigung; sie müsste nicht befolgt werden, denn wie kann ein Mensch oder eine Menschengruppe ihresgleichen zu etwas verpflichten? Dies wäre reine Arroganz, Anmaßung, etwas Empörendes. Menschenwürde wäre demnach nichts anderes als eine pragmatische Lösung, um gesellschaftliches Zusammenleben überhaupt erst zu ermöglichen. Die stabile Basis, die letztgültige Rechtfertigung dafür fehlt jedoch; vom Standpunkt der Wahrheit her kann die Würde des  Menschen dergestalt nicht hergeleitet oder inkraft gesetzt werden. Wenn die materielle Welt letztlich für das  Moralempfinden des Menschen verantwortlich wäre, verfügten wir Menschen überhaupt über kein wahres Recht, keine wahren Normen, alles hinge von den Umständen der jeweiligen Zeit ab und je nach Machtkonstellation könnte alles Recht oder Unrecht sein. Eine Würde an sich, ebenso wie ein Recht an sich, gäbe es nicht und sie wären deshalb beide ständig in Gefahr.

Nun wissen wir aber, dass von der Wahrheit her gefragt - einen höheren Bewertungsmaßstab kann es nicht geben - es nicht bejaht werden kann, dass die Würde des Menschen Ergebnis der Materie sein kann. Sollen entspringt nicht dem Sein. Solches anzunehmen wäre letztendlich doch wieder ein Versuch  Sollen und Sein verschmelzen zu lassen, denn auch die Natur des Menschen ist ein Sein und wenn sich daraus unsere Normen entspringen, dann ist das Sein die eigentliche Ursache für das Sollen und damit eine Ableitung derselben. Wenn das Sollen aber nicht aus dem Sein stammt, woher entstammt es dann? Wer an die Relativität des Rechts glaubt, hat keine Beweise dafür, es ist eine reine Annahme, wie alles  Positivistische! Es ist Teil des Weltbildes, aber nicht der Wahrheit. Bemerkenswert ist, dass die UNO etwa die Menschenwürde auf Glauben stützt; sie ist fair genug dies zuzugeben und dass sie keine Beweise für ihren Glauben hat. Gerade die wichtigsten Dinge im Leben können nicht bewiesen werden und doch gehen wir von ihrer absoluten  Richtigkeit aus - und wir tun Recht damit. Moral ist weder aus der Logik, noch aus der natürlichen Welt (auch keinem Gefühl) ableitbar, aber sie ist trotzdem real. Die Realität der Frage nach den Werten beweist die Unvollkommenheit des naturalistischen Weltbildes. Eine Orientierung aufgrund des säkularen Weltbildes bleibt im besten Fall unvollständig, im schlimmsten Fall ist sie überhaupt nicht möglich.


2. DER NATURALISMUS GERÄT UNWEIGERLICH IN KONFLIKT MIT DER WAHRHEIT

Nicht genug damit, dass der Naturalismus den Menschen verstümmelt und unbefriedigt lässt, er kann auch nicht vor dem höchsten aller Prüfsteine, der Wahrheit, bestehen. Die vernünftigste Frage, die ein Mensch stellen kann, wenn er mit diversen Informationen, Gedanken und Vorstellungen konfrontiert wird, lautet: "Ist es wahr?" Niemand möchte falsche Vorstellungen von der Wirklichkeit hegen und schon gar nicht liebt es der Mensch mit Illusionen zu leben, deshalb ist das Leben in der Wahrheit eine fundamentale Angelegenheit, um frei und selbstbestimmt leben zu können, um ein stabiles und gerechtfertigtes Gefühl der Selbstachtung zu haben. Ohne Wahrheit gibt es nur Manipulation und Unfreiheit. Was ist nun die Definition von Wahrheit? Eine Aussage oder ein Gedanke ist dann wahr, wenn das, was sie aussagt, mit dem übereinstimmt, wie die Sache sich tatsächlich verhält. Wahrheit ist also eine Übereinstimmung einer Vorstellung mit einem Sachverhalt. Von Wahrheit im eigentlichen Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn diese Deckungsgleiche vollkommen ist, demnach zu hundert Prozent besteht. Wenn etwa wahr ist, dann muss es für alle Menschen, zu allen Zeiten, an allen Orten wahr sein, sonst kann von vorne herein nicht von Wahrheit gesprochen werden.

Was nun heute anzutreffen ist und worauf unsere Welt baut, dem Common Sense, ist nicht die Wahrheit, sondern ein auf reine Sinne und Verstand zurechtgehauenes Weltbild, das wie ein Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses wirkt und niemandem je die Entlassung und Durchbrechung der Mauern gestattet. Denn die Ansicht, dass die Wirklichkeit die sinnliche Welt, und zwar ausschließlich, sei, wurde niemals bewiesen, sondern selbstherrlich festgelegt. Man hat sich eben darauf verständigt, doch die Wahrheit wurde dadurch  verraten! Nun lässt sich jedoch die Wahrheit nicht völlig verdrängen, denn ohne sie ist ein Leben nicht möglich. So braucht man etwas die Wahrheit, um Wissen zu können. Wissen befähigt uns Dinge so darzustellen, wie sie auf Grundlage einer angemessenen Basis der Gedanken und Erfahrung sind. Um wissen zu können, bedürfen wir also eines Wertes (der Wahrheit) und dieser kann selbst nicht aus der materiellen Welt abgeleitet werden. Mit anderen Worten: Wissen ist im ausschließlich materiellen Weltbild nicht möglich, folglich  muss es zumindest unvollständig sein. Wird die Wahrheit aus einem Weltbild entfernt oder relativiert, dann ist die Wissenschaft in Gefahr! Gerade wer die Wissenschaft schätzt, muss an der Wahrheit Interesse haben.

Ein fundamentales Spannungsfeld des Menschen ist jenes, das zwischen Wünschen und Wollen einerseits und der Realität auf der anderen Seite besteht. Der Mensch ist nie frei von Motiven und diese wirken sich immer auf die Wahrnehmung aus. Die einzige Möglichkeit, dass der Mensch überhaupt die Wahrheit möglichst rein erkennen kann (Sinneswahrnehmungstäuschungen und Verstandesungenauigkeit einmal beiseite gelassen), besteht darin, dass der Wille selbst auf der Liebe zur Wahrheit beruht. Das setzt jedoch voraus, dass kein bereits vorgefertigtes Bild oder ein solcher Wunsch in Bezug auf die Realität vorhanden ist, sondern jedes Ergebnis der Wirklichkeit als gleich aufgefasst wird - völlig unabhängig davon, ob sie das Wohlwollen findet oder nicht. Aus der Ansicht der Realität hat sich dann das Für-Wahr-Halten abzuleiten und nicht jene aus dieser. Wir glauben etwas, weil es so ist und nicht umgekehrt: es ist so, weil wir es so glauben. Erkennen und Erschaffen dürfen nicht miteinander verwechselt werden; auch dieses Spannungsfeldes sei man sich bewusst. Bei der Wahrheit geht es nur um das  Erkennen, niemals um das Erschaffen, denn soll jene tatsächlich existieren und diesen Namen verdienen, so muss sie an sich existieren, unabhängig vom Menschen und seiner Beobachtung. Die Wahrheit ist das, was für sich alleine steht und nicht von einer anderen Sache abgeleitet werden kann oder gar von einer solchen abhängig ist.

Wie sieht es nun mit der Erkenntnis der Wahrheit, mit Kants großer Frage "Was kann ich wissen?" aus? Der renommierte Historiker der Universität Oxford Sir Isaiah Berlin sieht drei große Kategorien des Für-Wahr-Haltens:

* Dinge, die wir für wahr halten, aufgrund logischer Begründungen
* Dinge, die wir durch Beobachtung und Erfahrung für wahr halten
* "Alles andere"

Das naturalistische Weltbild anerkennt im Wesentlichen die ersten beiden Kategorien, schließt jedoch die dritte aus. Es hat jedoch eine große Schwäche, eben auch in den beiden ersten Kategorien. Erstens übergeht es oft selbst die Logik, wo diese das sinnliche Weltbild nicht stützt. Es ist beispielsweise sehr bezeichnend, wie wenig auf logisches Denken an heutigen Universitäten Wert gelegt wird und allerhand säkulare Dogmen gepredigt aber nicht akademisch gerechtfertigt werden, so etwa alles das, was das Übernatürliche ausschließen möchte. Das Vorhandensein einer übernatürlichen Welt ist durch die Logik nicht zu widerlegen. Auch der Glaube an das Eingreifen einer "höheren", absoluten Welt in diese materielle Welt hinein, kann nicht widerlegt werden, auch ist etwa ein Wunder nicht unlogisch, es entspricht lediglich nicht der  Erfahrung der meisten Menschen. Daraus aber zu schließen, es gäbe solche nicht, ist intellektuell nicht ehrlich und keinesfalls vernünftig. So hört man etwa zuweilen Aussagen wie dass die Naturgesetze zeigen würden, dass es Wunder nicht gäbe. Diese Aussage ist eine glatte Lüge, so einen "Beweis" gibt es nicht. Und es kann ihn überhaupt nicht geben - niemals! Denn es hießt eine transzendente Welt, der immanente Welt und ihren Regeln zu unterwerfen, ein Widerspruch in sich. Das wäre nämlich in Wirklichkeit unlogisch! Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach dem Tod. Gibt es einen Beweis dafür, dass der Mensch (oder seine Seele) nicht weiterlebt, wenn der Hirntod eingetreten ist? Einen solchen Beweis gibt es ganz und gar nicht und viele (naturalistische) Wissenschaftler haben eine Heidenangst davor sich solchen Fragen zu stellen - sie müssen deshalb verdrängt werden. Wer allerdings radikal nach der Wahrheit sucht, kann solche Gedanken nicht lapidar abtun mit der feigen, unreflektierten Begründung, solches Denken sei eine Illusion, Humbug oder dergleichen. Vom Standpunkt des Naturalismus her haben wir schlicht und einfach keine Ahnung über solche Dinge, das ist die Wirklichkeit, der wir uns zu stellen haben. Was wäre, wenn  der Mensch nicht aufhören könnte zu existieren? Welche Folgen hätte das für unsere Weltbild und unser Verhalten?

Aus der Nicht-Beobachtung einer Sache kann nicht auf ein "Nein" geschlossen werden. Es ist Verrat an der Wissenschaft und an ihren Methoden, wenn bei Fehlen von Beweisen die Antwort "Nein" gegeben wird - solches ist unethisch und ein Bruch mit der wissenschaftlichen Methode, denn ein "Nein" ist auch bei Fehlen von Beweisen nicht zulässig. Das "Nein" zu einer Sache muss ebenso wie das "Ja" bewiesen werden, ansonsten ist die Antwort des Nichtwissens zu geben - das ist die einzige Vorgehensweise, die ehrlich und richtig in solchen Angelegenheiten ist.

Wenn einer ein authentisches, wertvolles Leben führen möchte, dann ist es seine Pflicht die Wahrheit in seiner Werteskala ganz oben zu führen. Daraus folgt auch, dass die Frage nach der Wahrheit eine öffentliche Angelegenheit zu sein hat und damit der Privatisierung der Frage nach der Transzendenz und den Werten eine klare Absage erteilt werden muss. Die Frage nach der Metaphysik ist eine objektive Angelegenheit, im Prinzip wie  etwas die Frage nach dem Vorhandensein der Sonne oder des Mondes. Keiner von uns würde diese Fragen privatisieren wollen - nur ein Narr würde solches tun. Bei Transzendenz handelt es sich um eine Frage nach der Wirklichkeit, nicht nach persönlichen Vorstellungen, ebenso wie die Frage nach den Werten in den öffentlichen Raum und gerade auch in den Bereich der Schule und Universitäten gehört, darüber hinaus auch jene nach der Metaphysik und zwar auch in den Bereich der Naturwissenschaft, nicht bloß in jenen des Religions-, Ethik- oder Philosophieunterrichts. Die Wirklichkeit muss gezeigt werden, sie muss in den Köpfen der Menschen wirklich gemacht werden, weil sie auch außerhalb dieser existiert, nur dadurch verfügt der einzelne über einen wirksamen Schutz in einer Welt, in der es ohne Wahrheit bloße das Streben nach Macht, Ansehen und Vorteilen geht; nur die Wahrheit kann davor schützen manipuliert zu werden. Wahrheitsvermittlung und das Lehren der Suche nach der Wahrheit sind ein Dienst am Menschen, ein Akt der Befreiung, entsprungen gerade auch aus der Liebe zum Menschen.

Zur zweiten Kategorie von Isaiah Berlin ist noch zu erwähnen, dass Erfahrung uns lehren kann wie etwas funktioniert oder nicht funktioniert, sie kann uns jedoch nichts darüber sagen, dass es nicht auch anders sein könnte. Beste Beispiele dafür liefern Erfindungen aller Art. Eine bestimmte Aufgabe wird über lange Zeit hinweg auf eine bestimmte Weise erledigt, man glaubt, meist unhinterfragt, daran bis ein "Unorthodoxer" erscheint und einen neuen Weg findet, dasselbe auf eine andere Art zu erledigen.

Zur dritten Kategorie kommend fällt auf, dass in sie alle wichtigen Fragen des Leben gehören, gerade auch jene, die bereits bei Nummer eins besprochen wurden. Die Vernunft ist sehr beschränkt und beruht dazu auf eine Menge von bloßen Annahmen, die nie bewiesen werden können, ebenso alles, was in die Erfahrung fällt, die Kategorie 3 "Alles andere" ist natürlich auch die Mutter der ersten beiden Kategorien. Vernunft und Erfahrung basieren auf geglaubten, nicht bewiesenen Überzeugungen. Ich komme darauf im Abschnitt III (Über Weltbilder) genauer zurück. Wir sehen, dass für die dritte Kategorie eine absolute Notwendigkeit besteht, dass wir ihrer bedürfen. Es wäre also ignorant sie gering zu schätzen, denn wir verachteten damit auch die Ratio und unsere Sinneswahrnehmungen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir als mutige, aufrichtige Wahrheitssucher sie annehmen und ihr zunächst die Möglichkeit zugestehen, dass sie uns etwas über die Wahrheit zu sagen hat. Ein Beispiel für Kategorie 3 wäre etwa Folgendes: Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, dass Menschen das Recht auf persönliche Freiheit haben sollen und dass Sklaverei Unrecht ist. Sollte ich jedoch solches beweisen müssen, wäre weder ich noch sonst jemand dazu in der Lage. Und trotzdem ist dies heute die Überzeugung der Mehrzahl der Menschen, nicht nur in der westlichen Welt.

Der Wahrheit können wir nicht entkommen, alles deutet am Ende auf sie hin. Eine Welt sich vorzustellen, die letztendlich nicht in das Absolute und Ewige übergeht und in ihnen wurzelt, ist für uns unvorstellbar. Stets wählen wir einen Rahmen der Weltbetrachtung und setzen ihn absolut - wir haben keine andere Wahl - was dann relativ ist, ist das, was sich innerhalb dieses Rahmens ereignet. Doch Wahrheit ist nicht das Absolutsetzen des Menschen, das dieser seinem Weltbild zugrunde legt, sondern jene, was an sich, außerhalb des Menschen und unbedingt absolut ist und selbst in keinen Rahmen mehr gebracht werden kann. Das ist die Wahrheit, die wir anstreben müssen! "Wahrheit oder nichts!" vertrag Max Weber. Sein Wort sei auch uns Leitstern im Dschungel der Weltanschauungen und mannigfaltigen Verirrungen des Zeitgeistes.



3. DER NATURALISMUS IST UNETHISCH, REDUKTIONISTISCH, FEIGE UND ARROGANT

Der Naturalismus ist unethisch, weil er, obwohl er erkennen muss, dass die Wahrheit absolut existieren muss, diese nicht anerkennt und die Realität "hirngerecht" zusammenstutzt und damit die Lebenswirklichkeit der Menschen zu einem großen Teil ausschließt. Selbst der simple, seinem Wesen nach sehr fragwürdige Humanismus, erkennt, dass das säkulare Weltbild schon der condition humana widerspricht. Ein Weltbild, das für sich in Anspruch nimmt Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, muss umfassende Antworten auf alle Fragen des Menschen geben. Tut es dies nicht, ist sein Kurs auf dem Marktplatz der Weltanschauungen nicht allzu hoch anzusetzen. Nachdem wir uns eingestehen müssen, dass wir keinen Beweis für das Nicht-Vorhandensein der Metaphysik besitzen, diese jedoch sowohl durch Vernunft möglich, durch Erfahrung nicht widerlegt und durch das Für-Wahr-Halten möglich ist, sowie die Probleme der Werte und all dessen, was die menschliche Vernunft übersteigt, sind wir gezwungen uns der Möglichkeit des Übernatürlichen zu öffnen und keinen "Grenzausweise" an den Zollstationen der Vernunft zu verlangen, um eine Ausweitung des Weltbildes zu ermöglichen. Die Möglichkeit, dass Glauben ein Erkenntnisakt sein könnte, muss ernsthaft in Betracht gezogen werden. Freilich versucht jedes Weltbild sein eigenes Bestehen nicht zu gefährden, doch wenn Überlegungen vom Standpunkt der Wahrheit her solches gebieten, hat das alte ersetzt zu werden. Es geht dabei keineswegs um die Verdrängung des Naturalismus, sondern um dessen Erweiterung.

Der Naturalismus ist nicht falsch, doch er umfasst nur einen Teil der Wirklichkeit und diesen Teil für ein Ganzes zu nehmen, kann niemandem zugemutet werden. Werte, Sinn, die umfassende Realität, sind Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft, kurz der Öffentlichkeit und dürfen nicht in den privaten Bereich abgeschoben werden, solches wäre eine überaus feige Vorgehensweise. Im Ergebnis ist der Naturalismus intellektuell nicht ehrlich und moralisch suspekt und unbefriedigend. Die Schädigungen der Menschen durch einen strickten Naturalismus sind überall beobachtbar und eine Folge davon ist, dass Menschen in alle möglichen pseudowissenschaftlichen Bereiche abdriften, Irr- und Aberglauben verfallen, weil ihre großen Fragen einer Beantwortung harren. In diesem Bereich hat der Naturalismus völlig versagt und ein großer Teil des Irrationalismus in der Welt ist eine Folge des naturalistischen Weltbildes selbst. Man ist Menschen ihre Antworten schuldig geblieben, deshalb fallen sie in die Hände aller möglicher Gestalten, die ihrer habhaft werden können und Trost und Sinngebung anbieten. Wer nicht von der Wahrheit geleitet wird, glaubt nicht nichts, sondern er glaubt alles mögliche. Gerade auch dem Rationalisten, als Freund der Wissenschaft und vor allem als denkendem Menschen, kann es nicht gleichgültig sein, wenn Menschen Absurditäten für wahr halten, wenn Fatalismus und Nihilismus um sich greifen und überall seelische Wracks und leere Herzen zurücklassen. Lassen wir uns nicht täuschen, solche Dinge haben eine direkte Wirkung auf das rationale Denken der Menschen; um vernünftig denken zu können, muss auch die Seele in einen gesunden Zustand gebracht werden. Es gibt keinen optimal funktionierenden Verstand ohne gesundes Herz, ohne die Möglichkeit der Vernunftsaffekte, Liebe und Freude, sind Topleistungen auch im Bereich der Ratio nicht möglich. Wir müssen damit aufhören die Lebensrealität des größten Teils der Menschheit zu ignorieren. Ebenso müssen wir, vor allem die Universitäten, uns wieder zu unseren ursprünglichen Werten bekennen, zu der die Suche nach der Wahrheit gehört. Kein Wert kommt in den Mottos der Universitäten weltweit öfters vor, als jener der Wahrheit. Es ist erstaunlich, dass gerade dieser zentrale Wert von so vielen Campussen verschwunden ist. Hier sind Authentizität und akademischer Mut gefragt. Des weiteren muss der Wert der Pluralität nicht nur hochgehalten, sondern auch gelebt werden. Dies geschieht im Augenblick gerade nicht, denn man lebt keine Pluralität, indem man Weltanschauungen von der akademischen Diskussion ausschließt. Genau das geschieht aber heute in Bezug auf nicht-säkulare, nicht-materialistische, vor allem aber in Bezug auf die religiösen Weltbilder. Pluralismus heißt, dass diese Weltbilder wieder Teil der Lehre und der Diskussion an den Universitäten, und zwar auch an den säkularen Universitäten, werden, nicht weil diese dadurch zu religiösen Organisationen würden, sondern weil sie sich der Suche nach der Wahrheit verpflichtet haben. Die Möglichkeit, das Religionen etwas zum Verständnis der objektiven Wirklichkeit betragen können, kann nicht ausgeschlossen werden, weshalb selbst ein atheistischer Wahrheitssucher sich mit diesen Weltbildern ernsthaft auseinandersetzen muss, wenn er ehrliches Interesse daran hat, was "da draußen" (das Universum; die Realität als Ganzes) vor sich geht.

Natürlich sind wir Menschen unserer Natur nach begrenzt; dass diese Natur aber die Erkenntnis der absoluten Wahrheit ausschließt, konnte nie bewiesen werden, wir müssen deshalb die Türe zu absolut gültigen Aussagen offen halten. Der Mensch ist zwar der Ausgangspunkt, doch ihn als Zentrum des Weltbildes festzulegen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Solches beruht lediglich auf einer Übereinkunft, nicht auf Vernunft oder Erfahrung. Wir wissen nicht, dass es richtig ist einen Anthropozentrismus zu vertreten. Die Metaphysik darf nicht auf den Bereiche der Tugend und der Sittlichkeit begrenzt werden, sondern letztlich ist sie eine Frage nach der objektiven Realität, eine Frage nach der wirklichen Existenz, nach den Sein, also nicht nur der Moral, sondern der Erkenntnis. Der Relativismus des Materialismus ist abzulehnen, sowohl intellektuell, als auch aus ethischer Sicht. In eine ethische Diskussion kann man überhaupt erst eintreten, wenn man Werte aus dem Absoluten abgeleitet hat, weshalb ethische Relativisten an Ethikdiskussionen überhaupt nicht teilnehmen dürfen, denn sie besitzen überhaupt nicht, was es braucht, um solches zu dürfen: Ethik.

Denkt man alles bis zum Ende durch, kann man dem derzeit dominierenden Weltbild nicht zustimmen, an ihm kann nicht mehr festgehalten werden. Der Mensch ist seinem Wesen nach ein Wahrheitssucher, aber ebenso neigt er dazu die Wahrheit zu verdrehen. Das Verhältnis des Menschen zur Transzendenz, zu dem, was seinen Verstand übersteigt, könnte man am Beispiel einer Gruppe von Hunden aufzeigen, die gehört hat, dass es  etwas gäbe, das sich "Physik" nennt. Nun möchte die Gruppe feststellen, ob Physik real ist und beschließt dazu den "Schnüffeltest" anzuwenden. Durch Schnüffeln kann Physik freilich nicht gefunden werden, also beschließt die Hundegruppe, dass Physik nicht existiere. Wir Menschen sind in Bezug auf das Metaphysische in der gleichen Lage wie diese Hunde: Wir nehmen das, was wir haben und gewohnt sind, Sinne und Verstand, und kommen so nicht zur eindeutigen Überzeugung, dass es Transzendentes überhaupt gäbe. Daraus folgern wir, dass sie nicht existiere. So sieht man, wie man die Realität verfehlen kann. Wirklich ist nicht das vom Menschen Fassbare, sondern das an sich Existierende. Es ist feige zu behaupten der Mensch sei eben einer, der zur Wahrheitserkenntnis nicht geschaffen sei, sein Geist habe in der Vergangenheit nie dazu gedient objektive Wahrheiten zu finden, sondern hätte die Aufgabe gehabt das Überleben zu sichern. Solches zu sagen entspricht selbst dem Weltbild, das dem eben so sei, eine bloße Annahme, nichts weiter. Ein Wissen über diese Ansicht haben wir nicht. Dass wir Metaphysisches überhaupt nicht erkennen können, wissen  wir schlicht und einfach nicht. Sind wir also ehrlich und gehen nicht darüber hinaus, solange wir nicht über besseres Wissen oder bessere Gründe zur Hand haben.

Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard schrieb in seinem Werk "Entweder/Oder": "Wenn man Philosophen von der Wirklichkeit reden hört, so ist das oft ebenso irreführend, wie wenn man im Schaufenster eines Trödelladens auf einem Schild die Worte liest: hier wird gerollt. Wollte man  mit seiner Wäsche kommen um sie rollen zu lassen, so wäre man angeführt. Das Schild hängt nur zum Verkauf da." Scharfsinniger könnte man das Verhältnis der meisten Philosophen zur Wahrheit nicht ausdrücken und zwar sowohl was die historischen, als auch die gegenwärtigen Philosophen betrifft.

Tatsächlich ist es so, dass den meisten denkenden Naturalisten durchaus klar ist, dass ihr Weltbild Schwierigkeiten aufwirft, die nicht gelöst werden können, doch meinen sie nichts Besseres finden zu können; man müsse sich eben arrangieren und was den Rest betrifft fünf schon einmal gerade sein lassen. Es zeigt sich hier eine Feigheit des Systems, das vor den Konsequenzen zurückschreckt, die entstehen, wenn Weltbilder, die Übernatürliches beinhalten zugelassen werden. Kaum verholen zeigt sich dahinter die Angst vor allem vor den Religionen. Der Säkularismus  kämpfte lange Zeit um die Befreiung von religiösen Vorstellungen, die nicht hinterfragt werden durften, und ist nun selbst strikt orthodox geworden in der Abwehr solcher Einflüsse. So sehr es richtig ist sich von den Fesseln des Geistes zu befreien, so sehr darf man doch nicht das Kind mit dem Bade ausgießen. Befreiung ist gut, aber nicht auf Kosten der Wahrheit. Die Wahrheit versklavt nicht, sie ist ja gerade die einzig wahre  Freiheit, nach der sich führende Denker des Säkularismus so sehr sehnen - dafür gebührt ihnen Respekt und Dank, sie haben zweifellos vieles für die Menschheit geleistet. Doch nun ist es Zeit für ein neues Verhältnis zum Glauben und zur Metaphysik, es braucht eine Versöhnung und  eine neue Offenheit gegenüber jenen, die man aus der Vergangenheit oft als Gegner der Offenheit und Toleranz kennengelernt hat.

Was nach außen hin als Arroganz des Säkularismus erscheint, ist im Kern nicht selten eine große Sorge um den Verlust errungener Freiheiten und Erkenntnisse. Es steckt ein gerütteltes Maß an Misstrauen darin, das historisch erklärbar ist, aber allmählich teilweise zu einer Verachtung geworden ist, die sich in Ironie und beißendem Spott (Kennzeichen der ästhetischen Phase nach Kierkegaard; siehe dazu weiter unten) jenen gegenüber äußert, die nicht  auf dem säkularen Weltgrund stehen. Übersteigerte Egos, bis hin zum Narzissmus, können an vielen Stellen beobachtet werden. Es wird eine Aufgabe des 21. Jahrhunderts sein sich der umfassenden Wirklichkeit zu öffnen und auch in jenem Bereich Ausschau zu halten, wo man bisher überzeugt war nichts finden zu können. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Gutes und Wahres oft gerade dort gefunden wird, wo sich nicht die "sensiblen" Bereiche befinden, um neues und/oder besseres Wissen zu finden. Wir brauchen ein Weltbild, das es uns ermöglicht über das naturalistische hinauszugehen, ein Weltbild, das umfassend und befriedigend ist. Verschließen wir uns nicht dem, was wir Glauben nennen, denn zu glauben ist ein ganz normales menschliches Phänomen und findet sich bei ausnahmslos allen Menschen, nicht nur bei jenen, die als religiös bezeichnet werden, wie naiverweise oftmals angenommen wird. Möglicherweise beruht der Glaube an eine Sache auch darauf, dass die Sache oder Person deren Existenz konstatiert wird, auf deren tatsächlicher Existenz.



II. ÜBER WELTBILDER

Jedem menschlichen Leben liegt ein Weltbild zugrunde. Die Tatsache, dass wir über ein Bewusstsein verfügen, folglich uns selbst beobachten können, uns beurteilen und rechtfertigen, macht es notwendig Theorien darüber zu entwickeln, was da "vor sich geht" und warum. Eine Weltanschauung ist ein Sammelsurium solcher Theorien, sie ist die Summe der Annahmen über die Realität und Werte, die unserem Leben und dem Leben überhaupt zugrunde liegen und es bestimmen. Das Weltbild ist eine biologische Realität, in der Haltung und Reaktionen eines Menschen eingebaut sind.

Der Leser dieser Zeilen etwa braucht eine bestimmte Lebensanschauung, um sie lesen zu können. Er muss zum Beispiel davon ausgehen, dass die Worte dieses Textes sein Gehirn nicht dazu bringen werden seine Funktion einzustellen und so den Tod des Lesers herbeizuführen. Es ist eine Weltanschauung solches anzunehmen. Die Weltanschauung ist das, was das Leben eines Menschen bestimmt, auch wenn er sich dessen überhaupt nicht bewusst ist. Welche Weltanschauung ein Mensch hegt, erkennt man weniger daran, was jemand über sich selbst  aussagt, als viel mehr an der tatsächlichen Art und Weise, wie er sein Leben lebt. Gerade das war ja die Suche großer Denker wie Sokrates oder Freud; es war das Bestreben zur menschlichen Wirklichkeit vorzudringen. Was ist der Mensch und was lässt ihn sein Leben auf eben seine ganz spezifische Weise leben? Weltbilder müssen immer Dinge unterdrücken, mit allem, was alleine sinnlich auf uns einströmt, sind wir heillos überfordert, so dass eine Reduktion notwendig ist und wie die Erfahrung zeigt, kommt meist nicht allzu viel davon im Bewusstsein an. Es ist deshalb leicht einzusehen, dass je mehr man sich selbst reflektiert, man erkennt, dass man nicht so sehr "Herr im eigenen Haus" ist, wie man das ursprünglich gedacht hatte. Ein Großteil der "Verlorenheit" des Menschen kommt wahrscheinlich daher, dass er das Bewusstsein für ein Ganzes hält und glaubt alleine damit sein Leben zu bewältigen habe. Die meisten spüren nicht die Kraft des Unbewussten, die uns durchs Leben trägt.

Jeder Mensch hat nicht-überprüfbare oder bestenfalls nicht-überprüfte Annahmen, die seinem Leben zugrunde liegen. Es ist der bloße Glaube mit dem das geistige Leben des Menschen beginnt. Man muss glauben, um wissen zu können, denn eine ganze Reihe von Annahmen bemächtigen uns erst zu denken. Ohne diesen Grundglauben kann man nicht leben, selbst radikaler Skeptizismus beruht auf dem Glauben;  bis zur letzten Konsequenz skeptisch zu leben ist für einen Menschen nicht möglich. Wenn einer ernsthaft meint, alles sei relativ, so  widerspricht er sich selbst; relativ kann etwas nicht an sich sein, sondern nur innerhalb von etwas Absolutem - dieses Faktum wird meist, bewusst oder unbewusst, unterschlagen. Relativiert man den Relativismus, erkennt man seine Untauglichkeit, ja seine Unmöglichkeit als grundlegendes Weltbild und Lebenssystem. Die psychischen Auswirkungen, maligner Art, eines radikalen Skeptizismus seien hier einmal völlig dahingestellt.

Was ist nun die Ausgangslage des Menschen? Der Mensch öffnet die Augen, seinen Geist, und versucht herauszufinden, was Wirklichkeit ist. Die erste Entscheidung, die von den meisten unbewusst getroffen wird, ist die Bejahung der eigenen Existenz. Es ist dies das berühmte "Cogito-ergo-sum" Descartes. Ich kann ja an allem zweifeln, auch an der Richtigkeit meiner Gedanken, sowie an allen Sinneswahrnehmungen, doch am Zweifel selbst kann ich nicht zweifeln, so dass ich die Überzeugung meiner Existenz zurecht hege (sprachliche Probleme, die sich ergeben, da Denken, soweit uns bekannt, ohne Sprache nicht möglich ist, seien hier unberücksichtigt). Diese Überzeugung ist für den geistig gesunden Menschen die stärkste, die er im Leben gewinnen kann. Ist das Ich bejaht, stellt sich die Frage nach dem "Nicht-Ich", dem Anderen, allem, was außerhalb von mir ist, wozu streng genommen auch meine eigene physische Erscheinung gehört. Nun gibt es bereits hier eine fundamentale Entscheidung zu treffen: Halte ich das Leben an sich für real oder glaube ich die Welt gäbe es nicht? Die meisten Menschen glauben an die Realität der Welt. Sie mögen vielleicht an der genauen Erkenntnis derselben zweifeln, doch ihr Vorhandensein selbst steht nicht im Zweifel.

Verneint man die Realität der Welt, meint man etwa alles Leben sein ein Traum, ein Schattengebilde oder vielleicht eine Art virtueller Simulation (siehe Film "Matrix" oder das "Höhlengleichnis" Platons), stellt sich ein anderes Problem. Solche Weltbilder gibt und gab es tatsächlich, bei diversen Eingeborenenstämmen, in der neueren Zeit bei Menschen deren Weltbilder zu jenem abstrusen Bereich gehören, die als "New Age" oder Esoterik bekannt geworden sind. Mit diesem Fall brauchen wir uns nicht weiter zu beschäftigen, denn wenn man die Welt in ihrem Dasein verneint, dann gibt es nichts zu tun, nichts zu erledigen. Kein Forschen oder Fragen macht Sinn, alles wäre bestenfalls ein Schauspiel auf einer Bühne, aber vom Standpunkt der Wahrheit her, haben diese Menschen keine Aufgabe zu erledigen.

Nun sind wir so weit gekommen, dass wir uns selbst und die Welt bejahen. Wir sehen, dass bis hierher nichts gewusst werden kann, alles beruht auf Annahmen, jener Bereich dessen, was wir wissen beginnt erst auf einer weiteren Ebene, am Fundament unseres Lebens ist davon noch nichts zu finden. Haben wir diese Überlegung stets im Kopf, wenn wir uns des Wissens rühmen, dann bringt uns das schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, denn wer kann schon stolz auf seinen Intellekt sein, wenn er am Ende nicht wissen kann, ob es einen solchen überhaupt gibt?

Wie entsteht nun eine Weltanschauung? Weltanschauungen werden fast nie explizit gelehrt, sie entstehen beinahe ausschließlich indirekt und treffen so vor allem das Unbewusste. Deshalb wirken sie auch so stark, weil sie beim Einlass in unseren Geist nicht den Wächter, den bewussten Verstand, passieren. Daraus ergeben sich unsere Bestrebungen und Wünsche aber auch und vor allem der Wille. Der Wille drängt nach Verwirklichung und trifft dabei auf die Realität. Nachdem Weltanschauungen sehr stabil sind, wird bei einem Konflikt zwischen Wollen und Wirklichkeit eher die Wirklichkeit verzerrt und rationalisiert (je nach intellektueller Fähigkeit mehr oder weniger gut - der Verstand ist das große Rationalisierungsinstrument des Menschen), als das der Wille und das Weltbild der Wirklichkeit angepasst würde. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Wollen und Wirklichkeit ist eines der großen "Schlachtfelder" des menschlichen Geistes. Freilich hat der Mensch im sozialen Bereich nicht so sehr einen Kampf mit der Wirklichkeit auszutragen, als mit den Weltbildern und dem Willen (Übertragung des eigenen Weltbildes auf andere - Mission - gehört oft dazu) anderer Menschen. Es ist das Aufeinandertreffen von Wille und Wille und die Tragödien von Krieg, Ausbeutung, Ungerechtigkeiten etc. leiten sich im Wesentlichen von diesen kollidierenden Willensbestrebungen ab. Ohne Zweifel kann man mit Schopenhauer und Nietzsche sagen, dass es der Wille (Nitzsches "Wille zur Macht") der uns Menschen antreibt. Überdies sind wir auf Menschen angewiesen, im Kontakt mit der Realität, denn der größte Teil dessen, was wir "wissen", beruht auf der Vermittlung durch andere; es sind Autoritäten, die uns das Wesentliche über die Welt vermitteln - eine andere Möglichkeit besteht nicht - und in einer komplexen Welt, wie der unseren, werden wir immer mehr voneinander abhängig - gerade deshalb ist Vertrauen notwendig und der menschliche Charakter entscheidend - letztlich für die gesamte Menschheit. In Wahrheit haben wir um vieles weniger Wissen, als wir meinen; Wissen besitzen wir in jenen Bereichen, die wir selbst überprüft haben, bzw. wo unsere eigene Tätigkeit uns Informationen aus erster Hand beschafft. Alles andere wurde uns vermittelt, also im strengen Sinne handelt es sich dabei um Glauben. Die meisten Menschen wissen zum Beispiel nicht, wie sich die Relativitätstheorie herleiten lässt, trotzdem halten sie diese für wahr, weil sie von den "Experten" auf dem Gebiet der Physik so vermittelt wird. Der Experte weiß, was die anderen glauben, trotzdem nennen wir beides "Wissen". Das wir etwas glauben heißt nicht, dass seine Wahrheitsqualität von geringerer Güte wäre oder dass die damit verbundene Gewissheit geringer zu achten wäre, als das direkt erlangte Wissen!

Akzeptieren wir nun von dem bisher gezeigten aus weiter, dass wir über taugliche Sinnesorgane verfügen und einen fähigen Verstand besitzen, können wir uns an jenen Bereich machen, den wir "Wissen" nennen. in Bezug darauf ergibt sich sogleich die Frage danach, was nun alles zum Bereich der Realität gehört. Was zählt also als Wissen von der Realität? Darüberhinaus wollen wir wissen, was richtig und was falsch ist, wie wir also handeln sollen und was zu vermeiden ist. Daraus ergibt sich die Frage nach dem "guten Menschen", der Idealfigur, derzufolge unsere Welt ein guter Ort wäre, wenn alle dergestalt handelten. Wem geht es gut? Wem geht es schlecht? Wie lebt man ein gutes, wertvolles, qualitativ lebenswertes Leben? Anhand solcher Fragen werde ich im 3. Abschnitt verschiedene Weltbilder miteinander vergleichen. Die Beantwortung der wichtigsten Lebensfragen läuft nach mehreren Phasen ab. Alles beginnt damit, dass der Mensch unbefriedigt ist mit seinem bisherigen Weltbild, man ist nicht mehr zufrieden damit. Oft hat ein fundamentales Ereignis wie ein Verlust,  Leid, Schmerz oder der Tod den Anlass dazu gegeben zu hinterfragen, was bisher als wahr angesehen wurde. Es folgt nun die Phase der Fragen. Diese Fragen sind oft gekennzeichnet durch "Augenblicke der Transzendenz", wenn der Mensch einen ersten Funken einer anderen Wirklichkeit spürt, die über sein bisheriges Weltbild hinausgeht. Ein tiefes Nachdenken beginnt und dabei stehen natürlich die Fragen im Mittelpunkt.

Es folgt die Phase der Antworten. Nachdenken, das Studium von Ideen, Büchern, Gedanken großer Denker etc. führen zu Antworten auf zumindest einige der gestellten Fragen. Nun merkt man jedoch schnell, dass es sehr viele Antworten auf dieselben Fragen gibt: Philosophie, Religion aber auch alle möglichen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, geben Antworten, von denen sich viele widersprechen. Nun tritt die Ambivalenz ein, man muss ich entscheiden, doch was soll der Prüfstein sein? Wieso folge ich der einen Idee aber nicht der anderen? Warum halte ich jene religiösen Aussagen für wahr und anderen nicht? Gleiches gilt für die diversen philosophischen Ansichten. Diese Phase ist oft ein "Leidensweg", geistige Kämpfe toben, Unsicherheit greift um sich, die Suche nach der richtigen Antwort kann einen so weit treiben, dass man große Angst davor hat einen Fehler zu machen, die falsche Entscheidung zu treffen. Es steht zu vieles auf dem Spiel, versagt man nun, scheint das ganze Leben vorüber zu sein, man hat es verbockt und es bleibt einem kein weiter Chance einen gemachten Fehler wieder gutzumachen. Aber, man kann nicht mehr zurück, es wurden Fragen gestellt, die nicht mehr abgewiesen werden können, ein Abdriften in die "Seligkeit der Ignoranz" ist nun nicht mehr möglich, ohne dabei einen Teil von sich selbst zu verlieren.

Nun folgt die letzte Phase, in der man eine Entscheidung trifft, anhand eines Maßstabes, den man bewusst oder unbewusst gewählt hat er ernsthaft Suchende lässt sich nun mit seinem ganzen Wesen, Verstand, Herz und Wille auf die Sache ein, zu der er sich entschieden hat. Tut er dies, so fühlt er sich in diesem Augenblick mehr er selbst, als jemals zuvor, als er die Entscheidung getroffen hat. So ist nun ein neues Weltbild entstanden, aber im Gegensatz zum alten, das vor allem durch Umweltprägungen, Gesten, Mimik, Verhalten anderer Personen, Beobachtungen über Belohnung und Strafe und Normen darüber, was akzeptabel ist und was nicht, erlernt wurde, ist das neue Weltbild im Wesentlichen durch das eigene Bewusstsein entstanden und befriedigt in der Regel weitaus mehr, als das alte.

Bei einer Sache ist jedoch Vorsicht geboten. Hinter Weltbildern stecken oft oder wahrscheinlich sogar meistens Machtinteressen. Wenn der Skeptizismus uns eines gelehrt hat, dann das radikale Hinterfragen. Dekonstruiert man Weltanschauungen und die dahinter steckenden Wahrheitsaussagen, so gelangen wir meist zu Manipulationen und den verborgenen Machtinteressen. Wer Macht haben will, trifft Aussagen über richtig und falsch, denn dadurch steuert man die Gedanken und wer die Gedanken kontrolliert, der kontrolliert den Menschen. Das ist eine alte Einsicht. Eine Sache dürfen wir allerdings nicht vergessen: nämlich dass es eine einzige Weltanschauung gibt, die uns frei macht, die nicht auf Machtinteressen beruhen kann und das ist jene, die auf der Wahrheit beruht. Können wir die Wahrheit erkennen, können wir nicht manipuliert werden. Die Frage ist nun, ob wir die Wahrheit tatsächlich erkennen können.




III. DIE VERSCHIEDENEN WELTBILDER

Es sind drei große Kategorien, in die sich die verschiedenen Weltbilder, wie wir sie unter den Menschen antreffen, einteilen lassen. Diese werden durch bestimmte Leitlinien determiniert, deren genaue Ausgestaltung innerhalb der Kategorien zwar sehr komplex und vielgestaltig sein kann, doch sind es grobe Prämissen, die die Einteilung in drei Gruppen sinnvoll machen. Anhand von Fragen und deren Beantwortung sollen diese drei Gruppen beschrieben werden.

* Was ist die Realität?
* Woher komme ich?
* Wohin gehe ich?
* Was ist der Sinn des Lebens?
* Was ist richtig, was ist falsch? Was ist das richtige Leben? (Frage nach den Werten)
* Welchen Wert hat der Mensch?
* Was ist das Böse und warum existiert es?

Anhand dieser sieben Fragen sollen nun die drei Kategorien von Weltbildern untersucht werden. diese drei Gruppen sind: 1.) Das östliche Weltbild, 2.) das säkulare Weltbild und 3.) das abrahamitisch-monotheistische Weltbild.


1. DAS ÖSTLICHE WELTBILD

Dieses findet sich traditionell vor allem in Asien, in neuerer Zeit auch im Westen unter dem Sammelbegriff "New Age" oder Esoterik. Diesem Bild gemäß ist die Welt nicht die eigentliche Wirklichkeit, sondern eine Erscheinung, die vor allem durch Leiden gekennzeichnet ist. Dies kommt besonders im 1. Lehrsatz des Buddhismus zum Ausdruck, nämlich jenem, dass Leben Leiden sei. Dieses Weltbild ist sehr realistisch in Bezug auf das Leid in der Welt; seine Reaktion darauf ist jedoch teilweise Resignation; man muss das Leid eben hinnehmen, da es ja die Realität selbst sei, aber es zeigt sich auch das Bestreben das Leid durch gute Taten zu überwinden, denn als Ursache des Leidens wird vor allem die Begierde bzw. "Geistestrübungen" im Allgemeinen angenommen. Der Buddhismus sieht kein Heil in der Welt selbst, sondern strebt dem endgültigen Erlöschen zu - das heißt, dass das Endziel die Nicht-Existenz ist, die Auslöschung - Nirwana genannt - was jedoch nichts mit einem "Himmel" zu tun hat, denn der "Himmel" ist ein Seinszustand (und letztendlich muss es auch ein Ort sein, denn Sein kann nur innerhalb des Raumes und der Zeit stattfinden), etwas, das der Buddhismus ablehnt.

Das östliche Weltbild glaubt, dass alles aus der "Leere" (Leerheit) heraus entstanden ist, ohne zu erklären, wie das Nicht-Sein Sein entstehen lassen kann. Das Ziel des Daseins ist die Überwindung des Seins durch viele Inkarnationen hinweg, um endgültig zu erlöschen. Das östliche Weltbild ist also letztlich am Sein gar nicht interessiert.

Einen Gott beinhaltet dieses Weltbild nicht, obwohl es etwas im Hinduismus viele Götter gibt, sind diese doch selbst vergänglich und bestimmten Gesetzen unterworfen, das Attribut der Allmacht kommt ihnen nicht zu. Das Fundament des Lebens selbst ist völlig unpersönlich, ein  Mechanismus ohne Standpunkt, Gefühle, Gedanken und Absichten. Gut und Böse existieren an sich nicht, sie leiten sich jedoch vom Ziel ab Nirwana zu erlangen; dazu sind bestimmte Regeln einzuhalten (für Mönche und Nonnen gibt es hunderte von Regeln), wer solche einhält gilt als ein "guter Mensch" und macht das Beste, was er tun kann, um Verlöschung zu erlangen. Der Wert des Menschen ist an sich nicht vorhanden, denn ohne persönliche Macht als Basis der Welt gibt es auch keine Würde des Menschen. Der Mensch wird lediglich deshalb als beglückt angesehen, weil ihm aufgrund seiner Inkarnation das Potenzial zur Verwirklichung des Nirwanas (Buddhanatur) gegeben ist, ein Glück, das zum Beispiel Tieren nicht zukomme. Das Böse ist im eigentlichen Sinne "leer" und deshalb nicht wirklich  existent, es sei das Leben selbst und nur des Menschen Begierde würde dafür sorgen, dass er sich wünscht, dass es nicht existierte, die Folge davon sei das Leiden, das es aber zu überwinden gälte.



2. DAS SÄKULARE WELTBILD

Dieses Weltbild unterscheidet sich deutlich vom östlichen. Die Realität wird als die sinnlich wahrnehmbare Welt aufgefasst, alles Metaphysische wird verworfen oder für nicht feststellbar erklärt. Es ist dies die Welt der Atheisten und Agnostiker. Die Frage nach der Natur des Menschen und seiner Herkunft wird beschrieben als Ergebnis von Materie, Zufall und langen Zeitabläufen. Das Weltbild hat keine Erklärung dafür, wie aus nichts etwas entstehen kann, die Frage nach der Materie, der Energie, der Organisation und der Information bleibt unbeantwortet. Die Frage danach wohin der Mensch gehe (nach dem Tod) wird damit beantwortet, dass der Mensch aus Materie bestehe und eben deren Schicksal teile. So würde alles Leben zerfallen und ebenso alles am Menschen (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik), ein Leben nach dem Tod gäbe es nicht, ebenso keine Seele, ja die Beschäftigung mit solchen Fragen wird teilweise verlacht oder für irrelevant oder bestenfalls für nicht beantwortbar gehalten. Dieses Weltbild ist voller Lücken und mehr noch widerspricht es sowohl der weiterführenden Vernunft, als auch der Erfahrung der Menschen; dogmatisch wurde eine ganze Zahl an Glaubenssätzen aufgestellt, deren Hinterfragen nicht zugelassen wird. Man muss eine Unmenge an Dinge glauben, um säkularer Materialist zu sein, nicht weniger als die Vertreter von vielen philosophischen und religiösen Weltanschauungen.

Der Sinn des Lebens existiert für Anhänger dieses Weltbildes nicht, das Leben ist ihnen zufolge absurd, es sei dies eben die Bürde des Menschen, der diese Absurdität heldenhaft zu schultern habe (Sartre). Ein Trost könne sich der Mensch allenthalben dadurch verschaffen, indem er selbst eine Entscheidung über den Sinn seines persönlichen Lebens träfe - freilich könne damit reine Willkür verbunden sein, was jedoch nicht als Makel angesehen wird. Einen Sinn des Lebens an sich, gäbe es mit Sicherheit nicht, das Universum sei kein Lebewesen, beinhalte keine Absichten und kein Endziel, weshalb solche Fragen unsinnig seien und nur in den menschlichen Bereich gehörten. Dass der Sinn des Lebens ad absurdum geführt wird, fällt entweder nicht auf oder wird billigend in Kauf genommen. Sinn der nicht absolut und an sich existent ist, ist überhaupt kein Sinn! Gewaltige Probleme hat dieses Weltbild mit der Moral, nachdem nicht an ein absolutes Wesen geglaubt wird, und der Natur selbst richtig und falsch nicht entnommen werden kann, bleibt wieder nur der Mensch selbst übrig. Man zieht sich feige auf den Positivismus zurück und lässt den Menschen selbst nach seinen jeweiligen Launen und je nach politischer Macht über Recht und Unrecht entscheiden. Nach dem naturalistischen Weltbild hatten auch Hitler, Stalin und Mao Recht, es stünde uns nicht zu sie zu kritisieren und ihre Rechtssysteme als Unrecht zu bezeichnen. Recht könne jeden Inhalt haben. Das ist das Ergebnis des Rechtspositivismus, wie er heute an säkularen juridischen Fakultäten bereits jedem Erstsemestrigen gelehrt wird. Einer atheistische Gesellschaft fehlt der Glaube, der notwendig ist, um Werte zu entwickeln. Der Mensch hat im strikt-säkularen Weltbild keinen Wert und keine Würde. Solche lediglich durch menschliche Übereinkunft abzuleiten, vermag einem Menschen keine Würde zu verleihen, der Schwindel solchen Tuns ist kaum verbergbar. Dass der Mensch wertvoll ist, kann nicht von anderen Menschen, auch nicht vom Staat oder einer Gesellschaft beschlossen werden, solches wäre reine Willkür des Menschen und so leicht Rechte verliehen werden, so leicht können sie auch entzogen werden. Wenn der Mensch über Wert und Würde verfügt, müssen diese aus dem Absoluten abgeleitet werden, auf Menschenwille können sie niemals beruhen - darauf ist kein endgültiger Verlass. Wenn der Mensch auf seine eigene Natur alleine vertrauen muss, dann ist er verloren. Auch auf die Frage des Bösen hat das säkulare Weltbild keine befriedigende Antwort. Zwar wird gegen das  Böse oft sehr vehement vorgegangen, doch sein Ursprung wird meist im Fehlverhalten der Menschen gesehen, teilweise wird bestritten, dass es gut und böse überhaupt gäbe, diese seien lediglich menschliche Urteile aus Empfindungen entsprungen, an sich existierten gut und böse jedoch nicht.


3. ABRAHAMITISCH-MONOTHEISTISCHES WELTBILD

Dieses Weltbild wird am stärksten und deutlichsten durch die drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam repräsentiert. Die Frage nach der Realität wird dahingehend beantwortet, dass diese aus einem allmächtigen Gott und dessen Schöpfungen besteht, wobei unsere sinnlich wahrnehmbare Welt ein Teil davon sei. Woher kommen wir? Wir wurden von diesem persönlichen, allmächtigen Gott mit Sinn und Zweck geschaffen, wir sind Reisende auf der Welt, die nicht unsere eigentliche Heimat ist. Deshalb ist unser Endziel auch nicht in dieser sichtbaren Welt zu finden, sondern liegt im Jenseits, im Bereich der Transzendenz. Das ultimative Ziel des Lebens ist die ewige Gemeinschaft in Glückseligkeit mit Gott. Der Sinn des Lebens besteht darin den Willen Gottes von Tag zu Tag nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen, allgemein nach dem Geboten Gottes zu leben und die spezielle Mission, die jedem Menschen anvertraut ist, zu erfüllen. Die Moral, das richtige Verhalten, besteht in der Befolgung von Gottes Willen; das zu tun bedeutet das gute, wertvolle und erfüllte Leben zu führen. Der  Mensch ist mit unabdingbarer Würde und hohem Wert ausgestattet, da er vom allmächtigen und guten Gott "nach dessen Abbild" erschaffen wurde. Vor Gott sind allem Menschen gleich, er kennt kein Ansehen der Person und ist in seiner Liebe auch jenen treu, die sich nicht zu ihm bekennen und seine Gebote nicht halten. Der Wert des Menschen ist absolut und unermesslich, er hängt nicht von Taten, von nichts in der Welt ab, niemand kann ihn je verlieren; Gottes Liebe ist bedingungslos, grenzenlos und absolut. Auf das Böse geben die verschiedenen Weltanschauungen wie bereits gesehen sehr unterschiedliche Antworten. Dieses hier besprochene monotheistische Weltbild erklärt das Böse als einen Fremdkörper in der Schöpfung, es ist eine Verdrehung dessen, wie sie ursprünglich geplant war. Das Böse ist nicht in Ordnung, es muss überwunden werden, um die Perfektion der Schöpfung wieder herzustellen. Das Böse darf jedoch nicht als "Gegenkraft" zu Gott verstanden werden. Gott ist souverän, niemand kann ihm "ins Handwerk pfuschen". Das Böse ist nicht eine universelle Kraft, sondern das Gute, das nicht entwickelt ist, eine Unvollkommenheit, nicht ein Feind. Dieses Weltbild ist nicht dualistisch; dies trifft vor allem auf das Christentum zu (häretische Sekten, die dualistisch waren gab es vor allem in der Frühzeit des Christentums und in der Gnosis). Der Monotheismus verfügt über einen, soziologisch gesprochen, "starken Begriff" von Werten, die absolut gelten und deshalb ein stabiles Leben, sowohl für den einzelnen, als auch für die Gesellschaft bieten.
 
Es ist offensichtlich, dass diese drei Kategorien von Weltanschauungen völlig unterschiedlich sind. Es wäre naiv zu glauben, so etwas, wie eine einheitliche Weltanschauung wäre möglich, denn es gibt keine gemeinsame Wertegrundlage. Ebenso unsinnig sind Überlegungen zu einer "Weltreligion", eine Vereinigung aller Glaubensvorstellungen zu einem System der ganzen Menschheit, zu einer Art Weltbürgertum als religiöse Grundlage. Solches wäre mannigfaltiger Verrat der eigenen Glaubenswahrheiten auf allen Seiten, nur Menschen, die ihren Glauben von Anfang an nicht allzu ernst genommen haben, könnten einer solchen "Wischi-Waschi-Religion" zustimmen. Das einzige, was den Weltbildern gemein ist, ist dass sie die Welt als nicht perfekt, als verbesserungswürdig auffassen. Die Vision des besseren Lebens, der besseren Zukunft ist etwas, das die diversen Weltanschauungen teilen. Nur hier könnte ein gemeinsames Vorgehen der verschiedenen Weltbilder liegen. Stellen wir uns der Realität und arbeiten wir mit dem, was wir tatsächlich vorfinden, anstatt Luftschlösser zu bauen.




IV. DIE LÖSUNG VOM STANDPUNKT DER WAHRHEIT

Man hört in unserer Zeit viel über "Fundamentalisten", "Extremisten", "Fanatiker" und dergleichen und meint damit in der Regel Intoleranz. Solche Begriffe werden soziologisch gesehen als Waffe eingesetzt, um gegen die Opponenten der eigenen Weltanschauung vorzugehen. Dabei wird jedoch vergessen, dass jeder Mensch ein Fundamentalist ist, jeder verfügt über ein Fundament, an das er glaubt und das er deshalb für absolut richtig hält. Das eigentliche Problem ist nicht der "Fundamentalismus" selbst, sondern der Inhalt dieses Fundament. Ideologien mögen zwar im Alltag als eine Summe von Überzeugungen angesehen werden, doch im Bereich der Sozialwissenschaften werden sie heute in erster Linie als Waffen zur Durchsetzung von Machtinteressen angesehen. Dieser grundsätzliche Ideologieverdacht schlägt einem jedem mehr oder weniger ins Gesicht und je mehr einer Absolutheitsansprüche stellt, desto mehr unterstellt man ihm Machtinteressen und umso stärker ist der Wind, der einem entgegenbläst. Die Zeit, in der wir leben, der Anfang des 21. Jahrhunderts, ist eine in der der Mensch offenbar zermalmt werden soll zwischen allen möglichen geistigen und spirituellen Einflüssen, die aus der ganzen Welt gleichzeitig auf ihn einströmen. Die Ideen selbst gibt es zwar seit langem, doch nun treffen sie alle gleichzeitig auf unser Bewusstsein, Raum und Zeit spielen keine Rolle mehr im Zeitalter moderner Massenkommunikation. Wir werden heute mit allem bombardiert, was Menschen je irgendwann, irgendwo einmal gedacht haben. Man möchte fast meinen wir sind dazu aufgerufen über die gesamte Geschichte der Menschheit zu Gericht zu sitzen. Ordnung tut Not. Welches Weltbild sollen wir daraus formen? Welches annehmen und welches verwerfen? Das ist die Aufgabe der heutigen Zeit, die geistige Aufgabe der Gegenwart schlechthin. Wenn es um Weltbilder geht, finden wir keine unbesetzten Territorien vor - alle "Spielfelder" sind bereits okkupiert, jede große Frage des Menschen wurde bereits auf vielerlei Weise beantwortet, wir bewegen uns also auf "vermintem" Gelände, wenn wir uns mit diesen Fragen befassen. Und doch kann ein authentischer Mensch vor ihnen nicht zurückweichen, er ist mit seinem ganzen Wesen, mit Verstand, Emotionen und Wille gefordert. Damit einher geht auch das Anerkenntnis, dass Glauben das Kennzeichen des Menschen schlechthin ist; bekennt er sich dazu oder nicht, folgt er einer Religion oder nicht? Der einzig mögliche Maßstab zur Beurteilung eines Weltbildes ist die Wahrheit, alles andere ist reines Geschwätz. Alles beginnt mit der Frage: Könnte es sein, dass Menschen deshalb an das Transzendente glauben, weil es diese tatsächlich gibt?

Die Notwendigkeit die Wahrheit als Ideal, als Maßstab der Beurteilung von Weltbildern herzunehmen, ist evident. die Schwierigkeit dabei ergibt sich nicht aus diesen Tatsachen selbst, sondern aus der Problematik, die mit dem menschlichen Erkenntnisvermögen verbunden ist. Wo im Detail unsere Grenzen liegen, ist uns nicht bekannt. Gehen wir von einer reinen Verstandeserkenntnis aus, kommen wir bald an Grenzen, die wir anscheinend nicht überschreiten können, ebenso verhält es sich mit der Sinneswahrnehmung. Doch ob damit die menschliche Erkenntnisfähigkeit schon ihr Limit erreicht hat, ist höchst zweifelhaft. Die Möglichkeit, dass der Mensch absolut gültige Weltbilder erkennen kann, kann nicht ausgeschlossen werden. Spinoza glaubte etwa, dass der Mensch Wahrheit durch die überzeitliche Vernunft erkennen können, an der der Mensch, zumindest teilweise, teilhabe. Thomas von Aquin hielt den Menschen "fähig zur Unendlichkeit" und auch Kierkegaard hielt die Erkenntnis der Wahrheit für möglich, letzterer lehnte jedoch entschieden das Erkennen durch Begriffe ab. Spinoza führte aus, dass nur durch die sciencia intuitiva die reine, von Meinungen und subjektiven Interessen, die Wesenheit des Seienden aus der Konstellation seiner inneren Bestimmung und realen Gründe zu begreifen sei. Die Wahrheit über das Sein bezeuge sich selbst in eigener autonomer Grundlegung, indem das rationale Denken sein methodisches Vorgehen darin sieht "die Wahrheit selbst oder das objektive Sein der Dinge oder ihren Ideen in gehöriger Ordnung aufzusuchen." Für Spinoza gehen Denken und Sein noch notwendigerweise zusammen, sie stimmen überein und gründen in einer substantiellen Einheit.

Die Notwendigkeit nach der Wahrheit ergibt sich auch daraus, dass es ohne diese kein Wissen geben kann. Wissen jedoch ist essentiell um die Wahrheit, das heißt die Ansicht davon, "verhandeln" zu können, sowohl mit sich selbst, als auch mit anderen. Wenn man den Geist hauptsächlich zur Zurechtrückung der Wahrheit gebraucht, statt dem Erkennen derselben, entlarvt man sich selbst als nicht als von Wahrheitsliebe geleitet. Gerade ein sehr ausgebildeter Intellekt bietet die Gefahr die Wahrheit zu verfehlen und im Sophismus Perlen zu vermeinen, wo es sich in Wahrheit um bloßen Unrat handelt. Eine andere Gefahr besteht darin, dass Wirklichkeit in bloße Möglichkeit verwandelt wird und dadurch ihre Basis verliert und endlich den Suchenden in Verzweiflung stürzt. Dies alles sei uns ferne, der Glaube hat sich der Wahrheit anzupassen, nicht die Wahrheit sich dem Glauben - dieser Grundsatz möge stets unser Bewusstsein tragen, wenn der Geist erkennen möchte. Das Ideal des Suchens nach der Wahrheit kommt der Person Sören Kierkegaards sehr nahe, der philosophische Verstandeskraft mit dichterischer Erkenntniskraft und tiefem starken Glauben in sich vereinte.

Menschen begeben sich auf die Suche nach einem neuen Weltbild, wie bereits gezeigt, weil das alte unbefriedigend geworden ist, es erfüllt die  Bedürfnisse nicht mehr und man hegt nun die Hoffnung auf ein überlegenes System der Welterklärung, nach einer neue Deutung des Bekannten und Unbekannten. Die heutige säkulare Bildung verabsäumt es die Frage nach dem guten Leben zu beantworten, eine objektive Angelegenheit der Bildung und Erziehung, die heute schändlich vernachlässigt wird.
 
Ein weiterer Punkt ist der radikale Skeptizismus. Skeptisch zu sin ist an sich keine schlechte Sache, ja er ist notwendig für jeden, der nach der Wahrheit sucht, doch muss das rechte Maß dabei eingehalten werden, sonst ist der Mensch entscheidungs-, beziehungs-, und letztlich lebensunfähig. Ohne Vertrauen kann man nicht leben, radikaler Skeptizismus schließt jedoch die Möglichkeit zu vertrauen aus und zwar nicht nur in Ideen, andere Menschen, sondern auch in den eigenen Verstand und den Skeptizismus selbst. Radikaler Skeptizismus hört sich intellektuelle verlockend an, ist jedoch eine Straße ins Nirgendwo, kurzfristig bestechend, doch langfristig nichts anderes, als der geistige und moralische Bankrott.

Nihilismus und Langeweile sind weitere Ergebnisse eines nicht mehr tauglichen Weltbildes. Kierkegaard schrieb in "Entweder/Oder" dazu: "Langeweile ruht auf dem Nichts, welches sich durch das Dasein schlingt, ihr Schicksal ist unendlich gleich jenem Schwindel, der sich zeigt, wenn man in einen unendlichen Abgrund blickt. Dass jene existentielle Zerstreuung auf Langeweile gebaut ist, kann man deshalb auch daran ersehen, dass die Zerstreuung keinen ausschweifenden Widerhall hat, eben weil im nichts noch nicht einmal so viel ist, dass ein Widerhall möglich wäre."

Wenn jedoch Zufriedenheit mit einem Weltbild eingetreten ist, dann stellt sich die Frage nach der Vollkommenheit dieser. Wenn das Weltbild eines Menschen mit seinem Bewusstsein übereinstimmt, dann gibt es keinen Widerspruch mehr, nicht einmal ein Haar passt zwischen das Weltbild und das Bewusstsein. Ein solcher Mensch hat umfassendes Wissen von sich selbst und lebt im Einklang mit sich selbst, in Harmonie. Der alte Aufruf "Erkenne dich selbst!" (gnoti seauton), ist in Wirklichkeit ein Appell zur Erkenntnis des Weltbildes, das man hegt. Wenn das Weltbild völlig bewusst geworden ist, dann kennt der Mensch sich selbst, der Mensch ist sich selbst dann kein Rätsel mehr. Doch eine Sache darf dabei  nicht vergessen werden: Der Mensch ist mehr als sein Weltbild, denn er hat ein solches, ist aber keines!

Was nun aber wenn der Verstand Fragen nicht beantworten kann, aber auch nicht abweisen kann, wenn er an seine (vermuteten) Grenzen gelangt ist? Sollen wir hier Halt machen? Ist alles andere Phantasie, bestenfalls Spekulation, etwas, das zu untersuchen keinen Sinn macht? Manche, vor allem feige Denker, würden solches sagen und willkürlich die Suche abbrechen, wir jedoch können uns zu so einen kleinlichen Verhalten nicht bekennen - wir spüren, dass es ein Verrat an uns selbst und der Welt wäre. Das Metaphysische ist nichts, was sich so einfach greifen ließe, keine Sphäre der Sachwelt, die sich in Begriffe fassen, wiegen und zählen lässt. Man gerät leicht in Zirkelschlüsse oder findet eine endlose Kausalitätskette vor. Worte versagen durch ihre wesenhafte Symbolik noch mehr, als sie es in den natürlichen Welt bereits tun. Doch wird der Verstand nicht allein gelassen, wenn er den Bereich, in dem er gewohnt ist zu leben und sich einigermaßen wohl und sicher fühlt. Unsere Affekte, man könnte auch sagen das Herz, und die Willenskraft sind starke Verbündete auf dem Weg der Wahrheitserkenntnis. Die Transzendenz erschließt sich einem nicht von außen, sie kann nur von dem erkannt werden, der den Weg selbst beschreitet. Die Möglichkeit den Weg zu beschreiben, ihn von außen zu betrachten und sich ein Urteil zu bilden, besteht hier nicht. Tut sich schon derjenige, der sich auf das Metaphysische eingelassen hat, schwer etwas darüber zu sagen, so ist der außen stehende Materialist völlig unfähig sich ein Bild davon zu machen. Ihm erscheint es eine bloße Vorstellung, ein Sammelsurium von Spekulationen, ja im schlimmsten Fall meint er für dumm verkauft zu werden, wenn ihm auch nur die Möglichkeit der Existenz von Transzendenz eröffnet wird. Dieses Problem bleibt wohl auf ewig bestehen, lässt sich einer nicht mit seinem ganzen Wesen auf die Sache ein. Echtes Wissen gibt es erst durch das Tun, niemals durch bloße Observation oder Nachdenken, daran führt kein Weg vorbei. Dass diese Behauptung richtig ist, belegt die Erfahrung derer, die die Einlassung nicht gescheut haben und andererseits von der Transzendenz ergriffen wurde, denn die Erfahrung des Transzendenten kann der Mensch selbst nicht willkürlich herbeiführen, es bedarf das "Beitrags aus dem Jenseitigen", das was im Christentum als "Gnade Gottes" bezeichnet wird. Das Transzendente zu erkennen hat viel mehr damit zu tun, dass der Mensch gefunden wird, als dass er selbst findet.

Die Frage nach dem Transzendenten ist eine Frage nach der objektiven Realität. Die Welt der Transzendenz ist die Welt des Glaubens, aber auch des Wissens, des Wollens und des Fühlens, eben jener größeren Wirklichkeit, in der der Mensch unteilbar ist und nur mit seinem ganzen Wesen sein kann. Die Entfremdungen, Verdrängungen und Abspaltungen des materiellen Daseins, die hier so oft erzwungen werden, sind dort nicht möglich, es bildet der Mensch stets eine untrennbare Einheit. Glaube ist nicht gegen die Vernunft, er ist mehr als diese, weil auch der Mensch selbst mehr als die Vernunft ist. Zu glauben ist das Vernünftigste, was der Mensch tun kann, wusste bereits Chesterton, nichts entspricht mehr dem menschlichen Wesen als zu glauben. Die Natur selbst, insbesondere aber der Menschen, weist auf die Transzendenz hin. Dinge wie Liebe, Vernunft, Moral, Schönheit aber auch der Tod, sind Erfahrungen, die einen aus der materiellen Welt herausreißen können, wenn die Offenheit dazu vorhanden ist. Gerade auch die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft weisen auf die Transzendenz hin. Albert Einstein etwas ist bekannt dafür, dass er kein Atheist war, sondern an einen Gott glaubte, von dem er annahm, dass er eher ein Wissenschaftler, als ein Magier sei. Er meinte anderer Stelle: "Jedem tiefen Naturforscher muss eine Art religiöses Gefühl naheliegen, weil er sich nicht vorzustellen vermag, dass die ungemein feinen Zusammenhänge, die er erschaut, von ihm zum ersten Male gedacht werden. Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine uns Menschen grenzenlos überlegene Vernunft - Die gängige Vorstellung ich sei Atheist, beruht auf einem Irrtum. Wer sie aus meinen wissenschaftlichen Theorien herausliest, hat diese kaum begriffen." Dem Universum muss eine Intelligenz ungeahnten Ausmaßes zugrunde liegen und sie muss persönlich sein. An dieser Erkenntnis kommen wir nicht vorbei, außer wir haben persönliche Motive, dass dem nicht so sein darf. Wenn der Glaube dem säkularen Weltbild etwas hinzufügen kann, dann ist dieses säkulare Weltbild im besten Fall mangelhaft.

Um es kurz und prägnant zu sagen: Das Christentum ist die Loyalität gegenüber der Realität. Es ist das System mit der größtmöglichen aller Betrachtungsweisen, übersteigt Raum und Zeit, ist der Ewigkeit verpflichtet und hingegeben. Vorwürfe der Engstirnigkeit sind unsinnig, denn einen weiteren Horizont als das christliche Weltbild besitzt kein anderes - auf das Judentum und den Islam trifft zu einem großen Teil dasselbe zu. Der Ausgangspunkt des Christentum ist nämlich in erster Linie die Betrachtung der Welt und die rationale Untersuchung des Universums. Nicht umsonst ist es der christliche Kulturkreis, in dem die modernen Wissenschaft entstand und die Bibel selbst bildet eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung der wissenschaftlichen Untersuchungsmethode. Ein Christ ist einer, der die Wirklichkeit kennen möchte, aber die gesamte Wirklichkeit, nicht ein dogmatisch verteidigter kleiner Teil, den man unter Zwang für das Ganze halten soll (wie im naturalistischen Weltbild). Der Christ unterwirft sich nicht der Diktatur der sinnlichen Grenzen. Der bedeutende Schriftsteller und Cambridge-Professor C. S. Lewis schreibt dazu: "Ich glaube an das Christentum, wie ich an den Aufgang der Sonne glaube, nicht weil ich ihn sehen, sondern weil ich durch ihn erst alles andere sehe."

Reifer Glaube ist nicht irrational, allerdings geht er über die Ration hinaus. Glaube heißt nicht bloß zu wissen, sondern besser, qualifizierter zu wissen, er ist eine höhere Qualität des Erkennens. Auch ist es für den reifen Glauben unabdingbar sich mit dem Unglauben auseinander zu setzen; die Augen dürfen vor nichts verschlossen werden und die Bereitschaft Neues zu lernen, darf nicht eingeschränkt werden.

Der Mensch muss gläubig sein, wenn er den Sinn seines Daseins nicht verfehlen will. Die Gefahr besteht dort, wo der Glaube nicht auf der Wahrheit beruht, dann kann der Glaube sehr leicht schwach oder schlecht sein. Gerade der schwache Glaube ist die größte Gefahr, denn die Unsicherheit verleiht manchen dazu besonders hart zu jenen zu sein, die seinen Glauben nicht teilen, um die eigene Ungewissheit zu lindern und widersprechende Gedanken nicht durchdringen zu lassen und durchdenken zu müssen. In diesem Spannungsfeld können künstliche Konflikte leicht entfacht werden, so etwa jener zwischen Wissenschaft und Religion, der in Wirklichkeit nicht existiert. Max Planck schreibt hierzu: "Wohin und wie weit wir blicken mögen, zwischen Religion und Wissenschaft finden wir nirgends einen Widerspruch, wohl aber in den entscheidenden Punkten volle Übereinstimmung ... Gott steht für den Gläubigen am Anfang für den Physiker am Ende allen Denkens." Am Ende kommen Religion und Wissenschaft zu den gleichen Ergebnissen, wie sehr jene, die dies nicht wahrhaben wollen (vor allem aus persönlichen Motiven), oft aus Oberflächlichkeit heraus, nicht zugestehen wollen.

Ohne Zweifel ist Gott die dominanteste Person der Geschichte. Und diese Person wird vor allem nach der Definition der monotheistischen Religionen betrachtet. Wenn wir im Westen von "Gott" sprechen, meinen wir jenen, den uns das Christentum nähergebracht hat. Ob man an ihn glaubt oder nicht, stets ist es der Gott der Bibel, der angenommen oder abgelehnt wird. Das interessante bei der Suche nach Gott besteht unter anderem darin, dass wenn man ihn gefunden hat man erfährt, dass man mehr von ihm gefunden wird, als dass man selbst den Weg zu ihm zurückgelegt hat. Seine "Gnade" hat uns ereilt und ein überwältigendes Gefühl der Dankbarkeit ist die Folge, vor allem dann, wenn eine persönliche Krise Anlass zur Suche gegeben hat. Man erkennt, dass Glauben keine Weltflucht, sondern volles Leben im Diesseits ist, erweitert jedoch um das Unbegreifliche, das Transzendente. Um das Verhältnis von Menschenverstand und Gottes Wesen zu demonstrieren, wird von Augustinus eine Anekdote erzählt. Der Kirchenvater ging einst am Strand spazieren, als er auf einen kleinen Jungen traf, der mit einem Schöpflöffel Meerwasser in einen Eimer goss. Darauf angesprochen, was er da mache, antwortete der Junge, der versuche das Meer in dem Eimer einzufangen. Kopfschüttelnd meinte Augustinus, ob der Junge ernsthaft davon ausginge, dass ihm sein Unterfangen gelänge; worauf dieser antwortete, es gelänge ihm wohl eher, als dass Augustinus das Wesen Gotten begriffe. Gott gehört nicht in den Bereich der Sachwelt, er ist kein  Ding, über das man verfügen könnte, sondern ein "Du", deshalb ist ein mathematisch-naturwissenschaftlicher Beweis seiner Existenz nicht möglich. Gott offenbart sich dem Menschen in einer Beziehung, einem Ich-Du-Austausch, nicht wie ein Objekt, dessen man habhaft werden kann. Gott kann erfahren, aber nicht erfasst werden, der ganze Mensch, nicht nur sein Verstand wird ergriffen, es steckt die ganze Wesenheit des umfassenden Lebens dahinter, die Erfahrung ist nicht unvernünftig, sondern übervernünftig, deshalb kann der Glaube durch bloße Vernunft weder erzeugt, noch erschüttert werden. Transzendenz ist durch die Erfahrung einer "Gewissheit höherer Ordnung" gekennzeichnet und übersteigt die Gewissheit in Bezug auf die Realität der materiellen Welt.

Gott drängt sich jedoch nicht auf, die Freiheit des Menschen "ja" oder "nein" zu ihm zu sagen, bleibt stets bestehen, es gibt auch keinen intellektuellen Zwang die Existenz Gottes für wahr zu halten. Das ist keinen Schwäche Gottes, sondern eine Ausgeburt der Liebe Gottes zum Menschen, die nur in der Freiheit möglich ist. Müsste der Mensch der Existenz Gottes zustimmen (etwas aufgrund des Verstandes, des Gefühls oder des Willens), wäre er nicht mehr frei und der Glaube entspränge einem Zwang. Gott liebt uns so sehr, dass er solches ablehnt. Gott kann nur durch Achtsamkeit und Einlassen auf eine Beziehung zu ihm gefunden werden. Wer ein persönliches Interesse an der Nicht-Existenz Gottes hat, kann ihn gerade deshalb nicht finden. Wer an Gott glaubt, hat gute Gründe dafür, Gründe aller Kategorien: Verstand, Gemüt, Wille, Erziehung, Soziales und so weiter. Gott kann nicht in der Welt, sondern "hinter" bzw. "über" der Welt gefunden werden, wenngleich diese materielle Welt der Ausgangspunkt  dazu sein muss, denn in diese Welt sind wir sinnlich gestellt. Das Gottesverhältnis ist der letzte unantastbare Kern der menschlichen Existenz. durch den Glauben an Gott erhält alles im Leben einen anderen Stellenwert, Wichtiges kann endgültig von Unwichtigem geschieden werden, Klarheit rückt an die Stelle von Verwirrung, Sinn und Werte bilden ein stabiles Fundament für das Dasein. Durch den Glauben an Gott kann man das Leben in seiner ganzen Fülle, einschließlich des Todes und des Leides, annehmen, Endliches muss nicht mehr als das Entscheidende angesehen werden, wozu ein Naturalist nicht in der Lage sein kann. Man ist frei davon Irdisches anbeten zu müssen, seien es Ideen, Dinge oder Menschen, denn wer nicht an Gott glaubt, der schafft sich selbst einen. Und das Wort Chestertons "Wer nicht an Gott glaubt, glaubt nicht nichts, sondern er glaubt alles mögliche", zeigt seine volle Gültigkeit erneut.

Die Entwicklung des Menschen hin zur Erkenntnis der Wahrheit wurde am besten von Kierkegaard beschreiben. Dabei sind drei Phasen zu durchlaufen. Diese gelten sowohl für den einzelnen, als auch für ganze Gesellschaften.


1. PHASE 1: DAS ÄSTHETISCHE

In dieser Phase herrscht die reine Sinnlichkeit vor, der Mensch empfindet sich als reine Materie, das Tun und das Streben richten sich ausschließlich auf die sinnlich wahrnehmbare Welt. Der einzelne fasst sich als ausschließlich immanent auf, Transzendenz ist seinem Denken und Fühlen fremd, seine transzendente Existenz bleibt dem Bewusstsein verborgen, Reflexion existiert noch nicht, alles haftet bleischwer an der Materie. Jedoch ist der Mensch latent unzufrieden, verzweifelt, denn eine vollständige Befriedigung erlangt er in dieser materiellen Welt nicht; nachdem die Transzendenz nicht existent für ihn ist, bleibt der Mensch gefangen im Irdischen. Das Hilfsmittel in dieser Phase ist die Ironie mit der der Mensch auf Distanz zu sich selbst geht, durch sie versucht er sich zu erhöhen und durch sie wird er allmählich fähig zur zweiten Phase, dem ethischen Stadium.


2. ETHISCHE PHASE

Hier ist der Mensch bereits fortgeschrittener als in der primitiven Phase der Anhaftung an der Materie; er erkennt nun die Transzendenz, reflektiert zwischen Körper und Geist, vernünftiges Handeln hält Einzug, sowie das Gefühl für Verantwortung vor sich selbst und der Welt. Mit dieser Phase ist die Erkenntnis verbunden, dass der Mensch zwar zuerst ein immanentes Wesen ist, dass er aber auch über einen transzendenten Teil verfügt, den er jedoch nicht logisch begründen kann im Rahmen der Immanenz. Er erkennt, dass er vor einem absoluten, unendlichen aber Unbekannten steht, wobei dieses Unbekannte, Transzentende, der Ursprung des Menschen Freiheit, als auch der Wirklichkeit ist. In dieser Phase kommt es oft dazu, dass der Mensch aus diesem Absoluten heraus nicht leben will, sondern seine Existenz aus sich selbst heraus (oder aus dem rein Natürlichen heraus) begründen möchte, doch dadurch stellt er sich in Widerspruch zu seinem wahren Wesen. Verzweifelt versucht er entweder er selbst zu sein oder gerade nicht er selbst zu sein (Selbstverleugung). In beiden Fällen liegt Verzweiflung, die die Grundstimmung des Lebens bildet. Das Mittel des Menschen in dieser Phase ist der Humor, dessen Skeptizismus viel tiefer liegt als jene der Ironie. Humor ist jedoch noch nicht wahre Religion, sondern eine Zwischenstufe zu dieser. Humor will den Menschen zum Gott-Menschen machen, was auch in der großen Positivität des Humors gegenüber der Ironie liegt.


3. RELIGIÖSE PHASE

In dieser letzten Phase akzeptiert der Mensch Gott vollständig und erlebt seine fundamentale Verantwortung vor diesem. Es wird klar, dass wir nur durch Gott existieren, das Ziel besteht darin nun in einer existentiellen, persönlichen Beziehung zu Gott. Gott ist seinem Wesen nach absolut und entzieht sich damit dem Verstand, denn ein Gott, der vom Verstand erfasst werden könnte, wäre kein Gott, er wäre qualitativ nicht größer als der vergängliche Mensch. Die Notwendigkeit des Glaubens wird nun erkannt, da nur Glauben über den Verstand hinausführt. Das Ego sträubt sich dagegen, doch wenn diese Bedingung fehlt, gibt es keine Beziehung zu Gott. Der Mensch erkennt die Realität an, indem er über den Verstand hinauszugehen bereit ist. Der Verstand gilt allerdings weiter, immer noch als Korrektiv des Glaubens uns als Notwendigkeit für die Selbstreflexion. Irrationales darf nicht geglaubt werden. Der Verstand ist endlich und zudem bedient er sich ausschließlich immanenter Mittel, weshalb eine verstandesmäßige Gotteserkenntnis unmöglich ist. Von Gott kann es deshalb nur negative Aussagen geben, positive Aussagen sind hinweisend, sind Hilfen, bleiben jedoch stets unzureichend. Der Weg zum Glauben steht offen, wenn erkannt wird, dass Aussagen über Gott nicht Gott als solchen erfassen, sondern Fingerzeige auf ihn hin sind. Erst im Glauben wagt der Mensch den Sprung über die Grenze des Verstandes hinaus. Glauben ist auch nur deshalb möglich, weil Gott sich in Christus leiblich offenbart hat. Ohne Offenbarung Gottes bleibt Gott bloßer Begriff, eine metaphysische Idee, erst durch Gottes Erscheinen in der immanenten Welt können wir seiner Existenz gewiss sein. Doch der Mensch ist mit seinen Mitteln alleine zur Erkenntnis Gotts nicht befähigt; Gott hat sich aber offenbart, indem er zugleich Gott als auch Mensch wurde. Das ist das Paradoxon vor das der Mensch gestellt ist: das Zeitlose wurde zeitlich, das Transzendente wurde zum Immanenten. Zu Gott bleibt nur der Sprung im Glauben. In dieser Einheit mit Gott existiert der Mensch ohne Verzweiflung, ohne jegliches Unbehagen, wie  in der Phasen eins und zwei. Im Religiösen wird das Ethische von einer höheren Ebene aufgehoben, es gibt eine absolute Pflicht gegenüber Gott, die nur in der Innerlichkeit des Glaubens erfahren wird, ohne dass diesem ein Äußeres entspricht. Glauben kann sich anders als das Ethische einem Dritten gegenüber nicht offenbaren, ist inkommensurabel für die Vermittlung in Allgemeinverständliche.





V. WAS ES ZU TUN GILT

Unsere dominante Weltanschauung funktioniert nicht mehr, ihre Mängel wurden dargestellt, ihre Annahmen entlarvt, nun steht sie vor uns nackt, arm und beschämt durch die Wahrheit. Wir können nicht umhin sie in das Archiv der nicht mehr funktionierenden Erklärungssysteme zu stellen. Was gilt es nun in Anbetracht dessen zu tun?


1. DIE REHABILITIERUNG DES BEGRIFFS DER WAHRHEIT

Wenn einer von Wahrheit spricht, so hat er mit dem gleichen Respekt behandelt zu werden, wie jeder anderen auch. Die Wahrheit muss wieder gewürdigt werden und nicht mit Spott und Ironie beschmutzt werden. Intellektuelle Ehrlichkeit und Fairness gegenüber der Realität müssen wieder Einzug halten. Nachdem die Wahrheit als die Basis allen Sein nicht verneint werden kann, ist es notwendig sie in ihrer Absolutheit und Objektivität anzunehmen,


2. DIE UNEINGESCHRÄNKTE ZULASSUNG VON ABSOLUTEN WAHRHEITSBEHAUPTUNGEN

Nachdem jedes Leben eines Menschen auf Absolutheiten beruht, ist es unumgänglich diesem Umstand gebührend Rechnung zu tragen, indem im öffentlichen Diskurs, in allen Bereichen, Menschen, die absolute Wahrheitsbehauptungen aufstellen, volle Würdigung und Partizipation, gerade auch im akademischen Bereich, auf Schulen und Universitäten, erhalten. Damit verbunden ist selbstredend auch die Öffnung aller öffentlichen Angelegenheiten für die Ideen der Metaphysik. Die Diskussion darüber muss in Bereiche wie Politik, Bildung, Erziehung und dergleichen nicht nur zugelassen, sondern aktiv gefördert werden. Gerade Universitäten nehmen für sich in Anspruch pluralistisch zu sein. Folgen sie tatsächlich ihren eigenen Idealen, so ist es nicht zulässig Weltanschauungen von ihrem Diskurs auszuschließen, denn gerade in der Zulassung von Weltanschauungen besteht der Pluralismus, auch, oder gerade in der Zulassung von Weltanschauungen, die der derzeit führenden Weltanschauung zuwiderlaufen. Zurzeit werden viele Weltanschauungen im akademischen Bereich diskriminiert. Damit verbunden ist die Stärkung von Kursen in einfacher Logik und deren Ausdehnung auf weitere Studien, als dies zurzeit der Fall ist, denn die säkulare Universität zeichnet sich heute gerade durch die Abwesenheit von logischem Denken aus - die Verdrängung von Weltanschauungen vom Campus beruht zu großen Teilen auf der Unfähigkeit zum logischen Denken und sturem Dogmatismus, gerade jene Dinge, die früher den Gegnern des Säkularismus vorgeworden wurde.


3. DIE ANERKENNUNG, DASS DIE REALITÄT DIE SINNLICH WAHRNEHMBARE WELT ÜBERSTEIGT

Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus der Unvollkommenheit und Enge des naturalistischen Weltbildes, wie es in dieser Arbeit aufgezeigt wird.



4. DIE SCHAFFUNG EINES FORUMS DER WELTANSCHAUUNGEN, AN DER ALLE WELTANSCHAUUNGEN TEILNEHMEN DÜRFEN

Die Menschen sind reif genug sich selbst ein Urteil über die verschiedenen Weltbilder zu bilden, sie haben aber auch das Recht alle Weltanschauungen kennenzulernen und nicht einer vorher getroffenen Vorauswahl unterliegen zu müssen. Die Weltanschauung, die am gerechtesten ist, soll sich jeweils durchsetzen.



5. DIE WAHRHEIT UND DIE SUCHE NACH IHR SIND ALS DIE HÖCHSTEN ZIELE DER GESELLSCHAFT ANZUSEHEN

Vor allem Politik und Erziehung sind auf dieses Ziel hin anzulegen, denn maximale Freiheit und Mündigkeit kann es nur von der Wahrheit her geben. Die Suche nach der Wahrheit ist die Suche nach der Realität.



6. LEBENSSINN UND DIE WERTE, NACH DENEN GELEBT WERDEN SOLL, SIND ÖFFENTLICHE ANGELEGENHEITEN

Nachdem der Sinn des Lebens, wenn er ein wirklicher Sinn sein soll, objektiv und absolut zu sein hat, ebenso wie die Regeln nach richtig und falsch, sind sie Aufgaben, die in den Zuständigkeitsbereich von Staat und Gesellschaft fallen. Fragen nach den Werten, nach Gerechtigkeit und nach dem guten Leben, sind Angelegenheiten aller, sie haben öffentlich zu sein und dürfen nicht in den privaten Bereich ausgelagert werden; sie sind das Herz der Gesellschaft und bestimmen ihr Schicksal. Es wäre unverantwortlich sie der Willkür des Individuums auszuliefern.



7. WAHRE BEFREIUNG DES MENSCHEN DURCH DIE WAHRHEIT

Ohne Wahrheit gibt es nur Manipulation und Freiheit ist ohne die Wahrheit nicht möglich. Wer den Menschen befreien will, muss ihm die Wahrheit zugänglich machen - er braucht äußere und innere Freiheit zugleich, sonst ist er nicht in der Lage eine äußere Freiheit in Anspruch zu nehmen und verfällt durch die Furcht vor der Freiheit wieder in selbstverschuldete Unmündigkeit. Freiheit beruht auf Werten und diese wiederum auf dem Glauben. Deshalb gibt es ohne Glauben letztlich keine Freiheit. Freiheit verfügt über zwei Aspekte, wobei nur der erste allgemein bekannt ist und verfolgt wird. Es ist dies die Freiheit von einer Sache oder Person, die Freiheit keine Ketten zu tragen, nicht beherrscht zu werden. Der zweite, heute meist unbekannte Teil der Freiheit besteht nämlich in der Freiheit zu etwas hin. Es ist dies der wahre Kern der Freiheit. Freiheit ist in Wahrheit die Kraft eine Pflicht zu erfüllen und weniger das zu tun, was man gerade möchte. Freiheit ist die Kraft das zu tun, was man aus seiner Lebensmission heraus tun muss. Diese Freiheit muss man sich entwickeln bzw. dazu erzogen werden sie zu erfüllen. Leider findet diese Erziehung bei den wenigsten Menschen je statt. Zu dieser Freiheit gehört vor allem die Selbstbeschränkung; wer nicht "nein" zu seinen Bestrebungen sagen kann, kann niemals frei sein. Disziplin und Selbstzucht ermöglichen wahre Freiheit überhaupt erst. Und hier kommt wieder die Vernunft hinzu. Spinoza schrieb dazu: "Insofern nenne ich den Menschen überhaupt frei, als er der Vernunft folgt, weil er nur dann von Ursachen, die sich bloß aus seiner Natur heraus adäquat begreifen lassen, zum Handeln bestimmt wird, wenn er auch von ihnen mit Notwendigkeit zum Handeln bestimmt wird. Denn die Freiheit hebt die Notwendigkeit nicht auf, sondern setzt sie voraus." Die Realität ist sowohl immanent, als auch transzendent; bei der Transzendenz handelt es sich nicht um eine Vorstellung des Menschen, sondern um eine an sich existierende Dimension, deren Realität von nicht geringerer Qualität ist, als jene der Immanenz. Im Wesentlichen beruht das was "Transzendenz" genannt wird auf der Beschränktheit der Erkenntnis durch die menschliche Sinne. Sie ist aber jedenfalls Teil der Realität und nur im Inneren des Menschen nicht im gewöhnlichen nicht sichtbar, aber im Äußeren vorhanden, wie auch die Dinge der materiellen Welt vorhanden sind.

Die Stärke eines Staates und seiner Bevölkerung bemisst sich dadurch nach welchen Werten die Menschen streben und wie sehr sie an ihren höchsten Werten festhalten. Danach beurteile man ein Gemeinwesen, wie nobel ihre Ideen sind und wie sehr diese gelebt werden. Im Herzen findet sich der Charakter der Menschen, wobei dieser besonders bei den Führungspersonen schlagend wird. Dabei geht es vor allem darum, wie sehr diese Führer mit den Werten, die eine Nation groß gemacht haben, verbunden sind und wie sehr es gelingt diese Werte nach "unten" zu vermitteln. Hat eine Gesellschaft eine klar erkennbare Mission und lebt sie nach den deklarierten Werten, vermittelt die Erziehung die Werte der nächsten Generation weiter, ist die Gemeinschaft stark. Gibt es einen Bruch zwischen den Generationen, ist der Staat in Gefahr. Was ist die Vision für die Zukunft? Das sind die entscheidenden Fragen, an denen sich die Zukunft entscheidet. Für das Individuum, als auch für den Staat gilt: Der Charakter ist sein Schicksal!

Über Toleranz wäre noch ein Wort zu sagen, nämlich, dass jene aus zwei Ebenen besteht. Einerseits aus einer Ebenen gegenüber dem Menschen und eine gegenüber der Sache. Auf menschlicher Ebene kann es gar nicht genug Toleranz geben, doch auf der Sachebene ist Toleranz Verrat. Toleranz darf niemals bedeutet, dass jemand seine Ansicht aufgeben oder ändern muss. Einen Menschen zu schätzen und dabei völlig gegen dessen Vorstellungen zu sein, das ist der Prüfstein dafür, ob man über wahre Toleranz verfügt oder nicht. Toleranz auf Sachebene, wie etwas in der Frage der Wahrheit führt zu "Weichspülung", Permissivität und letztlich zu Freibriefen. Diese Erscheinung sehen wir heute leider vielerorts. Toleranz wird missbraucht, um die anderen Weltanschauungen letztlich zu beseitigen. Solches kann nicht geschehen, wenn wir in der Sache hart bleiben, jedoch sanft gegenüber der Person - Suaviter in modo, fortiter in re, wie ein berühmter Jesuit sich als Wahlspruch wählte.

Am Ende ist die Frage nach der Realität damit verbunden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Wir können oberflächlich dahinsurfen und ein bisschen das Leben genießen, uns ablenken und irgendwie die Zeit rumbringen, bis der Sensenmann kommt oder wir können auf Leute wie Augustinus oder Thomas von Aquin hören, die uns aufrufen: "Hey Leute, ihr bereitet euch besser auf das nächste Leben vor!"

Wir müssen die Kraft aufbringen die Ketten zu sprengen, die uns das materielle Weltbild schon so lange angelegt hat, frei werden zur ganzen Wirklichkeit und nicht nur zu einem Teil davon. Dann kommen wir auch dem Sinn des Lebens näher, denn dieser offenbart sich uns nur Schritt für Schritt aus der persönlichen Beziehung zum Unendlichen, der Transzendenz, heraus im Laufe der Zeit.



Oliver Märk, Ostern 2013